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Unglückssegler legte wieder in Kiel an

Marine will Todesfall prüfen, tendiert aber zum Weiterbetrieb der "Gorch Fock"

Von René Heilig *

Die »Gorch Fock« ist zurück. Nach mehr als 23 000 Seemeilen, 250 Tagen Abwesenheit und etlichen Skandalen machte das Segelschulschiff der Deutschen Marine am Freitag im Marinestützpunkt Kiel fest.

Las Palmas, Buenos Aires, Montevideo waren einige Stationen der Fahrt. Der 52 Jahre alte Großsegler durchfuhr die Magellan-Straße, umsegelte erstmals Kap Hoorn. »Das ist eine großartige Leistung, das verdient viel Respekt, das verdient viel Anerkennung«, lobte der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Axel Schimpf. Bereits vor der Ankunft des Schiffes hatte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) Grüße an die Besatzung übermitteln lassen.

Das alles soll – auffällig bemüht – wieder eingekehrte Normalität belegen. Doch noch sind viele Ursachen für die negativen Schlagzeilen, die Schiff, Marine und Ministerium provozierten, nicht beseitigt. Laut Schimpf will man nun die Vorwürfe zum Tod einer jungen Kadettin rasch aufklären. Der Untersuchungsbericht zum jüngsten Fall soll mit größter Sorgfalt gefertigt werden und noch im Mai oder Juni vorliegen. Fragt sich, ob die zuständige Staatsanwaltschaft weniger sorgfältig gearbeitet hat? Die zivilen Ermittler in Kiel wollten bereits im März die Akten schließen.

Die Soldatin war am 7. November beim wiederholten Aufentern aus der Takelage gefallen. Danach gab es Vorwürfe an die Schiffsführung und die Stammbesatzung. Der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte medienwirksam die Ausbildungsfahrt abbrechen lassen und den Kapitän Norbert Schatz beurlaubt.

Der Tod der jungen Frau war bereits der sechste seit Indienststellung der »Gorch Fock« im Jahr 1958. Schimpf kündigte an, dass die wegen des Unfalls unterbrochene Ausbildung zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen wird. »Ich habe keinen Grund, an diesem Schiff zu zweifeln«, sagte er. Es werde alles getan, »dass ein solcher Unfall nicht wieder passiert«.

Dazu muss nach Ansicht von Experten sowie aktiven und ehemaligen Besatzungsmitgliedern mehr geschehen als bislang. Bereits beim Eignungstest der Offiziersbewerber in Köln herrschen unhaltbare Zustände (ND berichtete). Immer öfter wird die Frage gestellt, ob die Ausbildung auf einem Segler noch zeitgemäß ist. Es gibt den Vorwurf, das Schiff sei ein zu teures Prestigeobjekt der Marine und werde zu oft als maritime Empfangsplattform des Auswärtigen Amtes benutzt.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Mai 2011


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