Bundeswehr "blutet" für mehr Effektivität
Kabinett beschloss Sparhaushalt – das Militär will 9,3 Milliarden Euro weniger verbrauchen
Von René Heilig *
Das Kabinett hat am Mittwoch (7. Juli) den Entwurf seines ersten
Sparhaushalts verabschiedet. Auch das Militär soll »bluten« – wird
suggeriert.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat gestern seine Vorstellungen
für den Haushalt 2011 und den Finanzplan bis 2014 vorgelegt. Endgültig
verabschiedet wird der Etat erst im November. Bis 2014 soll der
Bundeshaushalt um 82 Milliarden Euro entlastet werden. 9,335 Milliarden
Euro könnte das Verteidigungsministerium dazu beitragen, sagen dessen
Experten.
Auf 23 Seiten haben sie verzichtbare Waffen und Gerätesysteme
aufgelistet. Laut »Bild«-Zeitung sollen 15 »Transall«-Transportflug-
zeuge stillgelegt werden. Auch beim Nachfolgesystem A400M will man
sparen. Statt der geplanten 122 sollen nur noch 80 NH-90-Hubschrauber
gekauft werden, von den vorgesehenen 80 Kampfhubschraubern »Tiger« will
man nur 40 beschaffen. Schnellstmöglich soll die geplante Reduzierung
der »Tornado«-Flotte von 185 auf 85 Jagdbomber vorangetrieben werden,
zudem will man auf 37 der bestellten 180 »Eurofighter« verzichten. Die
Marine soll mittel- bis langfristig acht Fregatten, alle Schnellboote
und die »Seaking«-Hubschrauber außer Dienst stellen und statt vier nur
drei neue Fregatten der Klasse 125 bestellen. Nach wie vor im Gespräch
ist die Reduzierung der Bundeswehr um 40 000 Zeit- und Berufssoldaten.
Nichts ist beschlossen und vieles, was vom Verteidigungsministerium als
Sparsamkeit verkauft wird, ist dreiste Irreführung. Beispiele: Dass die
»Transall« (Erstflug 1963) ein Auslaufmodell ist, ist seit Jahren klar.
Nur konnte sie bislang nicht ersetzt werden, weil der europäische
Rüstungsriese EADS das Nachfolgemodell A400M erst dreieinhalb Jahre nach
dem vereinbarten Termin in die Luft brachte. Deutschland hatte bislang
60 A400M geordert. Wenn man deren Anzahl reduziert, hängt das mit dem
Bestreben zusammen, innerhalb der europäischen NATO-Partner ein
gemeinsames Lufttransportsystem zu schaffen.
Die Reduzierung der NH-90-Helikopter liegt nahe, da das Modell die
geforderten Eigenschaften nicht oder nur unzulänglich erfüllt. Das
betrifft auch den »Tiger«. Dessen Bestellung gründet sich ebenso wie die
des »Eurofighters« auf den im Kalten Krieg errechneten Bedarf. Bei
diesen drei Waffensystemen kommt die Bundeswehr zudem leichter aus
Verträgen heraus, weil die Industrie ihre Verpflichtungen seit Jahren
nicht erfüllt.
Die vorgeschlagene maritime »Abrüstung« – Schnellboote und »Seaking« –
ist seit langem beschlossen, weil die alten Einheiten und Geräte nicht
dem Konzept der Armee im Auslandseinsatz genügen. Die
Fregatten-Reduzierung ist Augenauswischerei, denn der bestellte 125er
Typ ist für Wechselbesatzungen vorgesehen. Das heißt, die Schiffe können
in entfernten Regionen wesentlich länger im Einsatz bleiben.
Interessant ist, was auf den Streichlisten fehlt. Beispielsweise viele
Heeressysteme, die bereits auf Auslandseinsätze zugeschnitten sind.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat wiederholt
klar gemacht, dass laufende und künftig wahrscheinliche Einsätze
Kernpunkt der neuen Bundeswehrausrichtung sind. Zugleich können sich
verschiedene Lobby-Gruppen freuen. Sie haben absurde, aber teure
Projekte durchgesetzt. Dazu gehört das mit den USA und Italien
entwickelte Luftabwehrsystem MEAD. Das fortwährende Herbeireden einer
Raketenbedrohung durch Iran hat Wirkung gezeigt.
* Aus: Neues Deutschland, 8. Juli 2010
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