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Bundeswehr-Standort auf der Kippe – Kaum Chancen für Flugplatz Hohn in Schleswig-Holstein

Ein Beitrag von Peer-Axel Kroeske in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *


Andreas Flocken (Moderator):
Verteidigungsminister de Maizière hat in dieser Woche im Verteidigungsausschuss die grobe Struktur der neuen Bundeswehr bekanntgegeben. Danach werden Heer, Luftwaffe und Marine deutlich kleiner – wenig überraschend. Welche Konsequenzen das aber für die rund 400 Standorte haben wird, welche Kasernen geschlossen werden, das will der Verteidigungsminister erst Ende Oktober mitteilen. Bis dahin darf an vielen Standorten weiter gezittert werden. Beispielsweise in Hohn bei Rendsburg in Schleswig-Holstein. Der Bundeswehr-Flugplatz hat schlechte Karten. Denn hier sind rund 25 Transall-Transportflugzeuge stationiert. Und die Transall ist ein Auslaufmodell.

Wie gehen die rund 1.000 Soldaten und 200 zivilen Angestellten mit dieser Situation um? Was sagen die Menschen in der Region? Peer-Axel Kroeske hat sich umgehört:


Manuskript Peer-Axel Kroeske

Modellflieger brausen über die Köpfe hinweg, eine Transall ist bunt lackiert, Besucher besichtigen die Maschinen. Eigentlich war es ein Anlass zum Feiern, als das Lufttransportgeschwader 63 vor wenigen Tagen auf sein 50-jähriges Bestehen zurück blickte. Doch die Sorgen sind groß:

Umfrage:
„Ich bin Krankenschwester und arbeite hier im Sanitätszentrum. Dieses Fragezeichen, ob das bestehen bleibt...“ / „Es ist sofort ein Gespräch: Wie lange bleibt das LTG noch? Werden sie jetzt aufgelöst oder werden sie verlegt?“ / „In meinen Augen wäre es eine Katastrophe.“

Gerade den älteren Soldaten würde ein Ortswechsel schwer fallen. Holger Ott ist seit 1990 in Hohn:

O-Ton Ott
„Klar hat man irgendwo hier Verwurzelungen, dass man ein Haus hat, dass man Familie hat. Die Familie ist integriert. Man ist in gewissen Vereinen, Feuerwehr, Fußball etc. Und das ist natürlich schwierig. Aber ändern kann man nichts.“

All das hat mit der Transall zu tun. Das rund 30 Meter lange Transportflugzeug bringt Mannschaften und vor allem Gerät in die Krisengebiete. 1968 bekam der Verband seine ersten Maschinen. Damit sind die fast doppelt so alt wie Andreas Schneider von der Instandsetzungsstaffel. Er beschreibt die Transall als nach wie vor zuverlässig, nur der Feinstaub in Afghanistan führt zu hohem Verschleiß:

O-Ton Schneider
„Mit der Ersatzteilbeschaffung wird das natürlich auch runtergefahren. Solange wir da von der Versorgung her gut sind und das gewährleistet wird, sind wir auch nicht eingeschränkt.“

Der leistungsfähigere A400M soll ab 2015 nach und nach die Transall ersetzen. Und das hat Folgen, sagt der Chef des Transportgeschwaders, Kommodore Stefan Neumann:

O-Ton Neumann
„Der A400M ist im Vergleich zur Transall deutlich größer. Das bedeutet, dass die Landebahn und die Rollwege und die Abstellflächen eine andere Ausdehnung benötigen. Den Flugplatz ausgebaut haben wir so nicht. Wir haben diverse Bau-Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt. Sollte später die Entscheidung kommen, dass der A400M hier stationiert wird, dann werden wir uns über einen Ausbau Gedanken machen müssen.“

In Wunstorf bei Hannover wurden dagegen bereits hohe Beträge in einen Ausbau der Landebahn und Gebäude gesteckt. Die Rede ist von 300 Millionen Euro an Gesamtinvestitionen. Ist damit der Zug für Hohn abgefahren? Oberstleutnant Hermann Käsemeyer vom Lufttransportgeschwader 63 hält eine Stationierung des neuen Fliegers in Hohn dennoch nicht für ausgeschlossen:

O-Ton Käsemeyer
„Wunstorf hat den Nachteil, dass Wunstorf zu nah an dem internationalen Hannoverschen Flugplatz liegt. Das ist ein Vorteil hier für uns. Wir haben ja hier noch ziemlich viel an Fläche, an Möglichkeiten rundherum. Ich denke, dass das eine gute Voraussetzung wäre.“

Zudem ist für manchen keineswegs sicher, ob das neue Transportflugzeug wie geplant ausgeliefert wird. Das Projekt stand wegen Mehrkosten von mehreren Milliarden Euro und Verzögerungen schon auf der Kippe. Hohns Bürgermeister Bernd Müller formuliert es so:

O-Ton Müller
„Bisschen ironisch könnt ich ja sagen: der A400M soll erst mal fliegen.“

Dass der Militär-Airbus fliegen kann, hat er aber inzwischen unter Beweis gestellt. Trotzdem gibt man in Hohn die Hoffnung nicht auf. Schon Ende vergangenen Jahres überreichten die Unterstützer in Berlin rund 5.000 Unterschriften aus der Region für den Erhalt des Standortes. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul stellte sich an die Spitze einer parteiübergreifenden Initiative:

O-Ton Wadephul
„Ich hab‘ auch mit Verteidigungsminister de Mazière darüber gesprochen. Unsere Argumentation geht dahin, dass wir weiter einen Flugbetrieb der Transall haben in Deutschland und dass dieser Standort dafür sehr geeignet ist, dass er technisch gute Voraussetzungen mitbringt. Aber es ist ein schweres Stück Arbeit.“

Anders als manche seiner Mitstreiter macht sich Wadephul jedoch keine Illusionen über einen A400M in Hohn:

O-Ton Wadephul
„Wir gehen davon aus, dass bei einer Beschaffungszahl von etwa 53 neuen Flugzeugen es eine Stationierung nur an einem Standort geben wird, in Niedersachsen. Und dass deshalb die bisher drei Standorte des Lufttransportes aufgegeben werden, u.a. auch der Standort Hohn. Aber bis alle A400M da sind, dauert es eine erhebliche Zeit. Wir rechnen mit gut zehn Jahren. Und in diesen zehn Jahren wird die Transall durch die Bundesluftwaffe weiter geflogen werden.“

Der dritte Transall-Standort befindet sich im bayerischen Penzing. Der CDU-Politiker will nun vor allem verhindern, dass die verbleibenden Transall aus Hohn nach Bayern verlegt werden. Der Bundespolitiker spielt damit auf Zeit und hofft auf eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der NATO:

O-Ton Wadephul
„Wenn ein Standort mal aufgegeben ist, ist er für immer weg. Deswegen ist es für mich erst mal wichtig, dass wir hier weiterhin Flugbetrieb haben. Das eine ist: Es wird einen internationalen Verband geben, der mindestens mit Belgien und Frankreich, möglicherweise auch den Niederlanden, gemeinsam im NATO-Rahmen zur Aufstellung kommen wird. Es ist möglich, diesen hier in Hohn zu stationieren. Unsere Bitte ist, dass die Bundesregierung auch mit diesem Vorschlag in die internationalen Verhandlungen hineingeht. Das zweite ist, dass die Auslandseinsätze zunehmen. Es gibt mittelfristig mehr Bedarf an Lufttransport. Und deshalb könne es mittelfristig auch mehr Lufttransportflugzeuge geben.“

Und nicht zuletzt argumentiert Wadephul damit, dass es die Region zuletzt hart getroffen habe:

O-Ton Wadephul
„Man muss einfach sehen, dass wir hier in der Kreisstadt Rendsburg, dass wir hier einen Jahrhunderte alten Militärstandort hatten, der aufgegeben worden ist. Man würde sehr, sehr viel Porzellan zerschlagen, wenn man diesen Standort völlig aufgäbe.“

2004 endete im zehn Kilometer entfernten Rendsburg die militärische Tradition. Bürgermeister Andreas Breitner, ebenfalls Mitglied der Hohn-Initiative, ist momentan mit dem Umbau der ehemaligen Bundeswehr-Liegenschaften in der Kreisstadt beschäftigt:

O-Ton Breitner
„Wir haben ja verschiedene Kasernen. Die eine haben wir selbst erworben, durch Fördermittel. Diese wird im Moment umgebaut, das ist die Eiderkaserne, 20 Hektar, mitten in der Stadt gelegen. Wir haben für unsere Schulen dort etwas geschaffen. Wir haben einen Hektar verkauft ans Krankenhaus. Und dann wird’s ein spannendes, sehr nah an der Infrastruktur gelegenes Wohngebiet dort geben. Schwieriger ist es mit der im Stadtnorden gelegenen Feldwebel-Schmid-Kaserne. Der Stadtnorden ist sozial schwach.“

Aus Sicht des Bürgermeisters wurden die Wirtschaftsbetriebe in der Region zumindest nicht direkt durch den Abzug getroffen. Das liegt an geänderten Strukturen. Die 2002 geschaffene Bundeswehr Fuhrpark GmbH z.B. vergebe ohnehin kaum Aufträge an Unternehmen in der Region, so Breitner. Jedoch sei der Kaufkraftverlust zu spüren. Die Leerstände haben in der Rendsburger Fußgängerzone zugenommen:

O-Ton Breitner
„Ob das in unmittelbarem Zusammenhang steht, das ist schwer nachweisbar, weil wir auch andere Probleme haben. Es gab mal Untersuchungen: Was bedeutet es wirtschaftlich? Da ging es um Kaufkraftverluste in Höhe von 18 Millionen Euro im Jahr. Was aber viel schwerer wiegt, finde ich, sind die Menschen, die uns fehlen. Das ist schon spürbar in den Vereinen, in den Verbänden, das wird noch mehr werden. Da sind ehemalige Soldaten, vor allem aber auch aktive, immer ein Rückgrat der Vereine und Verbände gewesen.“

Wie es im Falle des Worst Case, also einer schnellen Schließung des Bundeswehr-Standortes Hohn, weitergehen könnte, darüber will Bürgermeister Müller eigentlich noch nicht sprechen, denn es ist ja offiziell noch nichts entschieden. Eine vage Idee nennt er allerdings:

O-Ton Müller
„Ich bin immer noch nicht überzeugt, dass der Flugplatz eingestellt wird. Wir haben mal, ich weiß gar nicht, wie lange das her ist – 20 Jahre? – einen Bürgerentscheid gehabt für die zivile Mitnutzung.“

Damals wurden die Pläne knapp abgelehnt. Heute könnte es anders aussehen. Umliegende Standorte haben es aber nicht leicht mit dem Zivilverkehr. Der Kieler Flughafen fristet ein Schattendasein, Lübeck hat Probleme, ambitionierte Pläne im nahe gelegenen Schleswig-Jagel kommen seit Jahren nicht voran. Auf dem stillgelegten Marineflugplatz in Eggebek bedecken heute Solarmodule das ehemalige Flugfeld, einige wenige Industriebetriebe haben sich in den Hallen angesiedelt. Struktur und Lage sind mit Hohn vergleichbar. Doch bevor das neue Stationierungskonzept nicht raus ist, will noch niemand solch ein Szenario entwerfen. Man kämpft weiter für den Erhalt des Standortes.

* Aus: NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien", 24. September 2011; www.ndrinfo.de


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