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Nur schöne Bundeswehr-Bilder

Filme, in denen die Armee positiv dargestellt wird, werden gefördert. Gegen Unterhaltungsmedien, in denen deutsche Soldaten negativ dargestellt werden, wird protestiert

Von Michael Schulze von Glaßer *

Die Einsätze der Bundeswehr sind nicht bloß umstritten, die Mehrheit der Bevölkerung steht ihnen weiterhin ablehnend gegenüber. Das wollen Armee und Regierung langfristig ändern – die Menschen sollen die Truppe unterstützen und Auslandseinsätze zur Normalität erklärt werden. Um dies zu erreichen, werden Filmproduktionen, die dem Militär als nützlich erscheinen, unterstützt – und kritische Produktionen mit Kritik überzogen.

Am 27. September kam Til Schweigers neuer Film »Schutzengel« in die Kinos. Schweiger spielt darin einen ehemaligen Bundeswehrelitesoldaten und Kriegsheimkehrer, der den Auftrag bekommt, eine minderjährige Kronzeugin vor Auftragskillern zu schützen. Der Bundeswehr gefiel das, sie unterstützte den Film: Schweiger präsentierte »Schutzengel« vorab deutschen Soldaten im Bundeswehr-Camp im afghanischen Masar-i-Scharif. Dutzende – allesamt positive – Statements der Soldaten über den Film wurden in den PR-Videos wiedergegeben. Die Kosten für den Besuch am Hindukusch wurden vom Verteidigungsministerium übernommen. Auf die Frage, warum die Bundeswehr den Film unterstützt und für ihn Werbung macht antwortete Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU): »Es ist ja gerade umgekehrt: Nicht wir werben für Herrn Schweiger. Sondern Herr Schweiger macht Werbung für die Bundeswehr!« Überhaupt wurde der Film großzügig vom Steuerzahler finanziert: Aus der Staatskasse haben insgesamt knapp 3,2 Millionen Euro zur Produktion und Promotion von »Schutzengel« beigetragen.

Keine Unterstützung von Regierung und Armee gab es hingegen für ein Anfang Oktober veröffentlichtes Video des durch seine Lieder »Goldener Reiter« oder »Die Flut« bekannten Musikers Joachim Witt. Im Musikvideo »Gloria« werden Soldaten in Bundeswehr-Uniform samt Hoheitsabzeichen bei der Vergewaltigung einer Frau gezeigt – deutsche Militärs protestierten: »Bei aller künstlerischen Gestaltungsfreiheit: Das Video verunglimpft deutsche Soldaten in geschmackloser Weise«, so der Bundesvorsitzende des »Deutschen Bundeswehr-Verbands«, Oberst Ulrich Kirsch. Der Verband rief zum Protest auf, und obwohl sich Witt prompt dafür entschuldigte, mit dem Video die Gefühle einiger Menschen verletzt zu haben, bekam er Morddrohungen, mußte seinen Wohnsitz aus Angst vor Anschlägen verlassen und stehe unter Personenschutz. Mittlerweile haben die Gegner des Musikvideos auch eine Onlinepetition gestartet, in der ein Verbreitungsverbot, mindestens aber eine Zensur des Videos gefordert wird.

Die Bundesregierung hat nun beantragt, das »Gloria«-Video auf den Index zu setzen. Der Antrag wurde nach Beschwerden vom Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingereicht: »Mehrere Bürgerinnen und Bürger haben Kontakt zu unserem Haus aufgenommen und ihren Unmut über ein Video des Musikers Joachim Witt geäußert – verbunden mit dem Wunsch, eine Indizierung prüfen zu lassen.« Sollte die zuständige Prüfstelle das Musikvideo als jugendgefährdend einstufen, unterliegt es dem von den Militärs gewünschten Verbreitungsverbot und darf nur noch Erwachsenen zugänglich gemacht werden – bei YouTube, wo das Video bereits über eine halbe Million Mal angesehen wurde, wäre es dann nicht mehr frei zu sehen.

Es findet eine schleichende aber stetige Zensur statt, in der militärfreundliche Medien gefördert und kritische diffamiert werden.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 24. Oktober 2012


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