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Schafe statt Soldaten

Auf der Schwäbischen Alb verwächst sich ein ehemaliger Übungsplatz

Von Erich Preuß *

Nicht einmal die Statistik kann sagen, wie viele Quadratkilometer in Deutschland zu Truppenübungsplätzen erklärt worden und wie viele noch in Betrieb sind. Nach dem Sieg über die Bundeswehr in der Ruppiner Heide rücken sie wieder ins Bewusstsein der Bürger.

Anders als in Wittstock und Umgebung bedauerten es die Bürger von Münsingen, als der von dem französischen Militär und der Bundeswehr gemeinsam benutzte Truppenübungsplatz im Sommer 1992 verlassen wurde.

Das Militär hatte sich 1897 den ortschaftslosen Gutsbezirk mit großen zusammenhängenden Flächen auf der unwirtlichen Schwäbischen Alb ausgesucht. 1935 wurde er erweitert, das Dorf Gruorn wurde geräumt, 1944 wurde hier auch die aus Überläufern der Roten Armee zusammengestellte Wlassow-Armee ausgebildet, bis 1945 die französische Besatzung auf den Übungsplatz zog.

Die Soldaten kehrten oft in die Gaststätten ein, so dass viele am Truppenübungsplatz verdienten. Als der nicht mehr benötigt wurde, musste etwas Neues entstehen. Doch es wurden nur wenige Wege nach Blindgängern abgesucht, 500 000 sollen noch in der Erde liegen. Deshalb kann das Gelände nur eingeschränkt genutzt werden. Wer die Wege verlässt, kann streng bestraft werden.

»Das Gelände ist kein Naturschutzgebiet«, belehrt Achim Nagel von der Geschäftsstelle des Biosphärengebiets Schwäbische Alb, »sondern Kulturlandschaft!« Der Mensch hat sie gestaltet, sogar Baumgruppen oder einen Steinbruch als Schießziel benutzt. Nagel schwärmt aber davon, dass fast alles wie unberührt erscheint. Das Baufahrzeug, das bei der Erklärung über die Betonfahrbahn der Panzerstraße brettert, muss man sich wegdenken. »Wir sehen eine offen Landschaft, so weit das Auge reicht, ohne Hochspannungsleitungen und ohne Ackerflächen«, fährt er fort, »hier ist die Schwäbische Alb von 1895 konserviert.«

Das zieht Touristen an. Pendelbusse bringen sie sonntags zum Rand des ehemaligen Schießplatzes, von wo aus gewandert wird. Der Truppenübungsplatz gehört der Bundesforstverwaltung, und die erlaubt nur eingeschränkt das Befahren und Begehen der Wege. Zwei Dutzend Führer, TrÜP-Guides genannt, führen an bestimmten Tagen Gruppen zu Fuß, mit Fahrrad oder Bus durch die parkähnliche Landschaft.

Steffen Schretzmann meint, das sei besser, als allein zu laufen. Denn geführt werde die Tour zum Erlebnis. Er zeigt, wo als Ziele der Panzer Pappkameraden hochgeklappt wurden, erklärt, wie durch das Drehen der 40 Tonnen schweren Panzer Kuhlen entstanden. Der Regen ließ sie auf der sonst trockenen Alb zu Tümpeln mit seltenen Tieren, wie Kreuzkröten, Laubfrosch und Libellen, werden. Die Forstwirtschaft sorgt dafür, dass sie nicht verlanden.

Der TrüP-Guide zeigt auf eine Baumgruppe, die den heute nahezu unbekannt gewordenen Hutungswald -- also eine Waldweide -- zeigt. »Vielleicht können wir ihn erhalten, wir diskutieren noch über das Wie.« Die Führer sind für verschiedene Themen ausgebildet, zur Geschichte des Schießplatzes, zur Tier- und Pflanzenwelt oder Geologie. Noch ist das Interesse der Bürger groß, das einstige Sperrgebiet zu erleben.

Gescheitert ist der Traum von den Ferienhäusern im Alten Lager, das unter Denkmalschutz steht. Hier hatte das Königreich Württemberg Häuser für Mannschaften und Offiziere errichten lassen. Die Häuser werden derzeit, finanziert durch Fördermittel, restauriert. Aber ein Investor, der das gesamte Objekt übernimmt, findet sich nicht.

Wirtschaftlich erfolgreicher ist die von 1970 bis 1986 gebaute, 38 Kilometer lange Panzerringstraße. Sie verband die Schießbahnen und wird nun zum Test neuer Lkw, Autobusse und Mobilkräne genutzt. Ohne Rücksicht auf Straßen und Eigentumsgrenzen nehmen zu müssen, sind die Schäfer mit ihren Herden von insgesamt über 10 000 Tieren unterwegs. Ihr Abgrasen verhütet, dass die Landschaft eines Tages vom Wald bedeckt ist. Für die Schafe sind Blindgänger keine Gefahr. Das aber wäre beim Gewicht von Rindern oder Traktoren zu befürchten, weshalb andere landwirtschaftliche Nutzung ausgeschlossen ist.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Juli 2009


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