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Bundeswehr hat keinen Bock mehr

Wehretat wächst trotz weniger Soldaten / CDU-Abgeordneter will Parlament entmachten

Von René Heilig *

Am gestrigen Mittwoch (7. Sept.) stand bei den Haushaltsberatungen im Bundestag auch der Einzelplan 14 zur Debatte. Er ist nach den Ausgaben für Arbeit und Soziales sowie dem Schuldendienst der drittgrößte Brocken. Trotz sinkender Personalausgaben soll der Etat von Verteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) um 133 Millionen Euro auf 31,68 Milliarden Euro anwachsen.

Josef hat nichts von der Ausgabensteigerung. Josef dient derzeit noch bei der ABC-Abwehr-Truppe in Höxter, doch er wird demnächst ausgemustert. Dann hat die Bundeswehr – im Wortsinn – keinen Bock mehr. In Höxter endet eine Maskottchen-Ära. Es gab einen Franz-Josef (1973-1986), gefolgt von einem Charles (1986-1998), Erwin diente elf Jahre, Josef ist erst seit gut einem Jahr »beim Bund«. Doch nun sagt der Kommandeur des Bataillons, der auch noch auf den artverwandten Namen Gaisbauer hört: »Ein lebendiges Wappentier ist nicht mehr zeitgemäß.«

Wenn es danach ginge, so wäre vieles, was die Truppe betrifft, abzurüsten und auszumustern. Das könnte die Ausgabenseite ins Lot bringen. Denn: Zwar sinken – nach den Vorstellungen des Verteidigungsministeriums – die Personalausgaben, schließlich wird die Sollstärke von rund 257 700 auf 209 700 Soldaten verringert. Demnächst wird man sogar bei einem Umfang von 185 000 Bewaffneten angekommen sein.

Doch die Einsparungen im Personalbereich fließen vor allem in den Erhalt und die Beschaffung von militärischem Material und Gerät. Dafür sowie für die Wehrforschung sind Mehrkosten von 156 Millionen Euro veranschlagt. Insgesamt kommt man so bei diesem Ausgabenposten auf 10,59 Milliarden Euro. Allein das ummodernisierte Kampfflugzeug Eurofighter verschlingt 1,2 Milliarden Euro. Die Anschaffung des Transportflugzeugs A400M schlägt sich im kommenden Jahr mit weiteren 640 Millionen Euro nieder. Für die Beschaffungen von Schiffen und anderem Gerät für die Marine sind Ausgaben von 710 Millionen Euro vorgesehen.

Das Ministerium macht zudem ernst mit dem Umzug in Richtung Berlin. Derzeit sind in Bonn noch rund 6000 Dienststellen angesiedelt, im gesamten Raum Köln/Bonn fast 16 000. Er wolle so viele Mitarbeiter wie möglich nach Berlin holen, sagt der Minister. Nur nach Berlin? Schließlich hat sich auch Strausberg als ministeriell erfahrener Standort in die Umzugsdebatte gebracht.

Bei den Auslandseinsätzen will die Bundeswehr streng darauf achten, nur noch militärische Aufgaben zu bewältigen. Ingenieure in Uniform seien zwar hoch angesehen, entlasteten aber vor allem andere Politikfelder, selbst Ingenieure zu schicken«, sagte de Maizière jüngst dem »Bonner Generalanzeiger«. Also: Schluss mit bewaffnetem THW, solche Bilder kommen zwar gut in der Heimat an, haben aber mit der Realität von Kriegen nichts zu tun.

Doch die Konzentration aufs Militärische fällt schwer, wenn man den seit Jahrzehnten falschen Beschaffungsprogrammen folgt, weil man den Industrielobbyisten hinterher läuft. Der Eurofighter von EADS ist nur ein Beispiel dafür. Das Dilemma mit den K-30-Korvetten, die schon seit Jahren nicht in Fahrt kommen, ein zweites. Nun ist das hochgelobte Flugabwehrsystem Mantis – gedacht für den Schutz von Bundeswehrfeldlagern gegen Mörser- und Raketenangriffe – ins Gerede, aber nicht planmäßig nach Afghanistan gekommen. Hersteller Rheinmetall hat technische Probleme.

Die Bundestagsopposition kann mit zahlreichen Beispielen aufwarten, die eigentlich eine strengere politische und haushalterische Aufsicht des Parlaments verlangen. Doch die Regierung strebt – wie im Falle Euro-Rettungsschirm – das Gegenteil an. Ernst Reinhard Beck, Verteidigungsexperte der Union, beispielsweise meint, der Bundestag könne doch für bestimmte vertraglich festgelegte Aufgaben im Bündnis ein allgemeines Mandat beschließen, ohne dass im Einzelfall ein nochmaliger Beschluss erforderlich würde. So ließe sich die Funktionsfähigkeit von gemeinsamen NATO- und EU-Verbänden erhöhen. Davon unberührt bliebe ja das Rückholrecht des Parlaments. Mehr Selbstkastration ist von einem Abgeordneten unmöglich zu erwarten.

* Aus: Neues Deutschland, 8. September 2011


"Schulband-Contest" **

Gera. "...so schlimm finde ich es gar nicht. Es ist eine Alternative, letztendlich bieten sie ’ne Chance auf eine Ausbildung.« So bezieht eine Mutter Stellung auf die Frage, ob sie nicht der Meinung ist, daß die Naivität ihrer 13jährigen Tochter von der Bundeswehr ausgenutzt wird. Die spielt in der Mädchenband »Rockspider«, die extra aus Weimar angereist ist, um am »Open Air Schulband Contest« der Bundeswehr am Mittwoch und Donnerstag (7./8. Sept.) in Gera teilzunehmen.

Insgesamt 2500 Euro haben die Militär als Preisgeld zur Verfügung gestellt, um die Bands aus der Region anzulocken. Umringt von Spähpanzern, einem Schießstand und dem Infozentrum haben sich ein paar Jugendliche vor der mobilen Bühne eingefunden. Die Jungs der Band »Hellvean« sind 15 und haben durchweg lange Haare. Auf die Frage, wie sie darauf kommen, bei einem Bandcontest der Bundeswehr teilzunehmen, haben sie eine recht einfache Antwort: Man bekommt die Infos von der Schule.

»Natürlich hat das auch einen werblichen Charakter«, räumt ein Oberstleutnant zur See namens Fischer ein. Es soll aber »natürlich auch eine Förderung von Talenten« sein. Eine Beeinflussung kann er nicht erkennen, denn es werde an diesem Tag ja niemand eine Verpflichtungserklärung unterschreiben.

Die Band »Skilltheaven« aus Hermsdorf begründet ihren Auftritt so: »Man kann mal auf professioneller Technik, vor ein paar Leuten und auf einer richtigen Bühne spielen, von den 1000 Euro Preisgeld für den ersten Platz mal ganz abgesehen.« Eine Mindestaufwandspauschale von 250 Euro ist jeder Band laut Bundeswehr-Pressemappe ohnehin garantiert.

Auch Kriegsgegner sind an diesem Tag unterwegs, zum Beispiel die »Friedensinitiative Gera« des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Sechs Personen mit einem kleinen Lautsprecher haben es schwer, gegen den Showtruck der Truppe anzutreten. Die Bundeswehr hatte zudem auf Vorneverteidigung gesetzt: Frühzeitig erwirkte sie beim Ordnungsamt, ein wenig mehr Platz zwischen den wenigen Konzertzuschauern und den Gegendemonstranten zu schaffen.

** Aus: junge Welt, 9. September 2011


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