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Warnungen in den Wind geschlagen?

Bundeswehr vergibt jahrelang Millionenaufträge ohne Ausschreibung an Militärdienstleister. Beitrag aus der NDR-Sendung "Streitkräfte und Strategien" *

Andreas Flocken (Moderator):

Die Bundeswehr ist bei Auslandseinsätzen immer öfter auf sogenannte Militärdienstleister angewiesen. Also Firmen, die sich beispielsweise um die Müll- und Abwasserentsorgung in den deutschen Feldlagern kümmern. In Afghanistan arbeitet die Bundeswehr mit der Düsseldorfer Firma Ecolog zusammen. Nach Recherchen von NDR Info sind die Aufträge aber jahrelang nicht ausgeschrieben worden. Dabei geht es um Millionen. Außerdem ist das Unternehmen schon des Öfteren ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Christoph Heinzle und Benjamin Großkopff berichten:

Manuskript: Christoph Heinzle/Benjamin Großkopff

Atmo
Gang in Wäscherei Masar

Den Gang in die Wäscherei kennt jeder Soldat in Masar-i-Scharif. Auf zwei Quadratkilometern erstreckt sich hier das größte Feldlager der Bundeswehr. Mit umfangreicher und umfassender Infrastruktur: Krankenhaus, Kantine, KfZ-Werkstatt. Und eben: die eigene Wäscherei mit Annahmestelle. Das Versprechen: die Ladung dreckiger Wäsche jedes Soldaten kommt in eine eigene Maschine.

O-Ton Wäscherei Masar
"Hallo, Guten Tag. 40 Grad?"

Betrieben wird diese Wäscherei im Camp Marmal wie in vielen anderen Bundeswehrlagern auch seit Jahren von der Ecolog AG. Die Präsenz der Düsseldorfer Firma ist kaum zu übersehen.

Atmo
Fahrt durch's Lager Masar

Bei der Fahrt durch das Feldlager fällt der Blick auf Ecolog-Mobiltoiletten, auf Ecolog-Müllcontainer, auf Ecolog-Wassertanker, auf Ecolog-Müllautos. Für diese Bereiche hat die Firma seit zehn Jahren fast eine Art Monopol bei der Bundeswehr - erst im Kosovo, dann in Afghanistan.

O-Ton Musik Eigenwerbung Film
"Wir setzen Dinge in Bewegung, damit für unsere Partner und Kunden stets alles bereit steht. Güter und Services, immer da, wo es gebraucht wird. Schnell und zuverlässig, weltweit. Denn militärische Einheiten und andere Institutionen sind ständig unterwegs. Wir sorgen für ihre Bedürfnisse..."

Eigenlob in einem PR-Film von Ecolog. Vor allem sorgte der Logistikdienstleister gut für die eigenen Bedürfnisse. Zweistellige Millionenumsätze erzielte die Firma seit 1999 allein mit der Bundeswehr. Das zeigen Unterlagen, in die NDR Info Einsicht hatte.

O-Ton Musik
"Wir machen's vor - trotzdem macht es uns keiner nach."

Von besonderer Qualität ist auch die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit Ecolog. Denn in dieser Woche teilte das Verteidigungsministerium auf Nach-frage von NDR Info mit, dass die Wehrverwaltung über Jahre die millionen-schweren Aufträge an die Firma NICHT öffentlich ausgeschrieben hat. Das ist keine bürokratische Feinheit und bei solche hohen Summen - immerhin Steuergelder - alles andere als alltäglich.

Eigentlich üblich sind europaweite Ausschreibungen - die Grenze dafür liegt bei rund 200.000 Euro. Stattdessen wurden zahlreiche Verträge über eine so genannte freihändige Vergabe vor Ort geschlossen. In einer schriftlichen Stel-lungnahme begründete das Bundesverteidigungsministerium dieses Vorgehen unter anderem mit der besonderen Situation in Krisengebieten:

Zitat
"Aufgrund der Gegebenheiten vor Ort im Auslandseinsatz - zum Beispiel feh-lende Publikationsmöglichkeiten für eine Ausschreibung, kein funktionierendes Postwesen, kein Verzeichnis über mögliche Anbieter vor Ort - ist es vorgesehen und zulässig, freihändige Vergaben durchzuführen."

Diese Begründung ist allerdings mindestens verwunderlich: Die privaten Dienstleister, die für solche Aufträge in Frage kommen, haben allesamt Ge-schäftssitze in Europa, den USA oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. Und dort funktioniert das Postwesen einwandfrei, Publikationsmöglichkeiten für Aufträge sind vorhanden. Hinzu kommt: Die meisten NATO-Partner und auch die NATO selbst schreiben ihre Aufträge für private Dienstleistungen in der Regel europaweit aus.

Für die Bundeswehr gab es nach Angaben des Ministeriums erst 2007 die bislang EINZIGE Ausschreibung: Ein Großauftrag für Wäscherei-Leistungen. Und der ging wiederum an Ecolog. Alle anderen Verträge seien weiterhin freihändig mit der Firma geschlossen worden.

Warum tat und tut die Bundeswehr das?

Das ist nun Gegenstand einer - so wörtlich - grundlegenden Prüfung der Vertragsbeziehungen zu Ecolog, die das Verteidigungsministerium in Folge der Recherchen von NDR Info angekündigt hat:

Zitat
"Ziel ist es, neben der Prüfung der Vertragsbeziehungen einschließlich der Vertragserfüllung, in den Einsatzgebieten eine transparente Auftragsvergabe durch Ausschreibungen zu gewährleisten, ein verstärktes Vertragscontrolling vor Ort durchzuführen und eine Stärkung des Wettbewerbs zu erreichen."

Konkurrenten wundern sich seit Jahren über die freihändigen Vergaben. Ecolog-Vorstandsmitglied Thomas Wachowitz betont dagegen, das Unterneh-men habe sich immer wieder an Ausschreibungen der Truppe beteiligt. Selbstverständlich sei alles rechtmäßig und ordentlich abgelaufen:

O-Ton Wachowitz
"In der Regel sind es Ausschreibungen, öffentliche Ausschreibungen, an denen wir uns beteiligen. Und so wir denn da gewinnen, bekommen wir dann entsprechend den Vertrag mit dem entsprechenden Bedarfsdecker, was in diesem Fall das Bundesamt für Wehrverwaltung, Wehrbeschaffung ist."

Die Auftragsvergabe ist nur EIN Fragezeichen im Zusammenhang mit Ecolog.

Mitarbeiter des Unternehmens, hinter dem eine einflussreiche mazedonische Familie steht, sind mehrfach ins Visier internationaler Strafverfolger geraten - unter anderem wegen Drogenvergehen und Geldwäsche. Die Firma erklärt, in "bestätigten Fällen gesetzeswidriger Handlungen" habe man stets personelle Konsequenzen gezogen.

Vor allem wegen der fragwürdigen Ausschreibungs-Praxis wird jetzt der Ruf nach Aufklärung laut, etwa vom Verband der Beamten der Bundeswehr. Und dabei sieht der VBB-Vorsitzende Wolfram Kamm nicht nur die zuständigen Fachabteilungen gefordert:

O-Ton Kamm
"Es ist ja auch ne bestimmte Größenordnung, die damit in Verbindung steht. Und jeder Einzelfall muss natürlich aufgeklärt werden. Ich gehe davon aus, dass wenn Ermittlungen im Zusammenhang gerade mit Auslandseinsätzen in Afghanistan angestellt werden, dass auch die politische Leitung des Hauses mit eingebunden werden muss."

Und das ist inzwischen der Fall, wie Ministeriumssprecher Christian Dienst - etwas kurz angebunden - am Freitag mitteilte:

O-Ton Dienst
"Es wird nachgeprüft, ob alles nach diesen entsprechenden Richtlinien gelaufen ist oder nicht. Der Minister ist von dem Thema informiert."

Doch das Thema heißt nicht nur Ecolog. Das Thema ist das ganze Feld priva-ter Dienstleister für die Bundeswehr. In den vergangenen zehn Jahren setzte die Truppe immer stärker auf die Privatisierung von Dienstleistungen, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Und zog sich dabei immer wieder auch Kritik des Beamtenverbandes VBB zu.

O-Ton Kamm
"Man muss der Verwaltung auch Möglichkeiten zur internen Optimierung geben und darf nicht um des Privatisierens Willen privatisieren. Wo Privatisierung sinnvoll ist und wirtschaftlicher durch Private erledigt werden kann, sind auch wir nicht dagegen. Aber in den Fällen, wo sich erwiesen hat, dass die Verwaltung wirtschaftlich oder genauso wirtschaftlich arbeiten kann, gehen wir davon aus, dass die Verwaltung auch die Aufgaben mit erledigen muss und auch übernehmen kann."

Dabei beschäftigt die Bundeswehr noch relativ wenige private Dienstleister, vergleicht man sie mit anderen Armeen, vor allem mit den US-Truppen. Weltweit gibt es etwa tausend Militärfirmen mit einem Jahresumsatz von rund 300 Milliarden Dollar, wie Sicherheitsexperte Peter Schoor schätzt. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Branche und unterscheidet drei Hauptbereiche: kämpfende und schützende Privateinheiten, Berater sowie drittens Lie-feranten und Logistiker. Und vor allem das Feld der Logistik sei bislang kaum transparent, bemängelt Schoor.

O-Ton Schoor
"Ich glaube, dass diese spezielle Nische in den letzten Jahren sehr, sehr vernachlässigt wurde. Ich glaube, dass dort sehr viel Geld gemacht wird - nicht kontrolliert. Ich habe das Gefühl, da ist sehr, sehr viel im Dunklen unterwegs. Und das aufzudecken, hier sind die Regierungen gefordert. Dass man einfach mal sagt: So, fertig, hier ziehen wir mal einen Strich, machen eine Bilanz und hören mal offen und vor allem öffentlich an: Was ist gelaufen in den vergangenen Jahren, hier geht's nicht mehr weiter. Ich glaube, es ist wirklich langsam Zeit dafür."

Jetzt gerät eine Branche ins Licht, die sich bisher im Dunklen sehr wohl gefühlt hat.

* Aus: NDR Forum "Streitkräfte und Strategien"; Sendetermin 12. Dezember 2009


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