Neues Mandat statt Entschuldigung
Regierung will Afghanistan-Einsatz ausweiten / Kundus-Ausschuss hörte Oberst Klein
Von René Heilig *
Die Bundesregierung hat den deutschen Afghanistan-Einsatz erstmals als »bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts« eingestuft. Zugleich legte sie dem Bundestag einen
Mandatsantrag vor, mit dem sie den deutschen Anteil an dem Konflikt ausweiten will. Ein Vorschlag der Linksfraktion, das Parlament möge sich wegen des Bombardements Anfang September bei Kundus entschuldigen, fand keinen Widerhall.
Am Mittwochmorgen (10. Feb.) geleitete man Bundeswehr-Oberst Georg Klein klammheimlich in die Präsidialebene des Reichstages. Dort, wo Medien keinen Zutritt haben, tagte der Untersuchungsausschuss, der Umstände des von Klein am 4. September 2009 befohlenen Luftangriffs ergründen soll. Inhalte der Befragung sind geheim.
Es gibt begründete Spekulationen, dass an der Entscheidung zum Bombardement auch Offiziere der Elite-Task-Force 47 beteiligt waren. Hinzu kommen Berichte über eine geheime Liste, auf der die ISAF Talibanführer zum Töten ausschreibt. Durch Kleins Anwalt wurde bekannt, dass der Oberst den Angriff, der 142 Tote und zahlreiche Verletzten forderte, als rechtmäßig betrachtet.
Zur selben Zeit verteidigte Außenminister
Guido Westerwelle (FDP) vor dem Bundestagsplenum den gesamten Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Er legte einen neuen Antrag zur »Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan« vor und warb bei der Opposition um Zustimmung.
Bei der Konferenz in London sei ein »Strategiewechsel« beim internationalen Afghanistan-Engagement beschlossen worden. Obenan stehe nun der zivile Wiederaufbau. In der dem Antrag beigefügten Begründung liest man etwas von nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung, es geht um Energie- und Trinkwasserversorgung, Grund- und Berufsschulausbildung, Frauenrechte. Das Mikrokreditwesen soll ebenso wie die Landwirtschaft gefördert werden. Das Mandat jedoch ist rein militärischen Charakters und beinhaltet eine Anhebung der Obergrenze von 4500 auf 5350 Soldaten.
Mehrmals betonte Westerwelle, man wolle die Verantwortung für die Sicherheit im Lande so rasch wie möglich der afghanischen Regierung übergeben. Einen Termin für den vollständigen Abzug der Bundeswehr zu nennen, wäre jedoch »eine Ermutigung der Terroristen, also ein Fehler«. Demgegenüber propagierte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erneut einen militärischen Rückzug bis spätestens 2015. Man orientiere sich an den Zielen der USA und der afghanischen Regierung. Steinmeier kritisierte die Aussage vom »bewaffneten Konflikt«. Eine solche Wertung sei nicht Sache der Bundesregierung. Im Übrigen hielt er sich nah an das Regierungskonzept. Schließlich hatte die Regierung vor der Debatte »Seelenmassage« betrieben. Es heißt, die Kanzlerin möchte eine breite Zustimmung zum Mandat.
Was gelingen wird. Denn auf komplette Ablehnung stößt der Regierungsantrag nur bei der Linksfraktion. Deren Redner
Jan van Aken verlangte von der Bundesregierung, sie solle endlich den »intelligenten und mutigen Weg eines rein zivilen Wiederaufbaus« gehen und die Versöhnung der verfeindeten Gruppen befördern. Fraktionskollege Wolfgang Gehrcke knüpfte an einen Vorschlag von van Aken an und appellierte, das gesamte deutsche Parlament möge die Kraft aufbringen, sich für das Bombardement bei Kundus zu entschuldigen. Die anderen Fraktionen reagierten mit Schweigen.
Die
Friedensbewegung warnte die Regierung davor, weiterhin »in eklatanter Weise gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung zu verstoßen«. Am 20. Februar werde man für einen sofortigen Truppenrückzug demonstrieren.
* Aus: Neues Deutschland, 11. Februar 2010
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