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"Es geht um die Versorgung mit strategisch wichtigen Gütern"

Berlin und Paris wollen "Afrika stabilisieren" - Ein Beitrag der Verteidigungsminister Deutschlands und Frankreichs, Ursula von der Leyen und Jean Yves Le Drian *

Berlin/ Paris, 02.04.2014.

Die fehlende Sicherheit in Afrika bedeutet auch fehlende Sicherheit für Europa. Auch kann es in Afrika ohne Sicherheit keine Entwicklung geben. Europa und Afrika verbindet daher ein gemeinsames Interesse. Ein Beitrag von den Verteidigungsministern Deutschlands und Frankreichs, Ursula von der Leyen und Jean Yves Le Drian.

Für uns Europäer ist Afrika mit seinen 54 Ländern unser großer Nachbar im Süden. Unsere Zukunft ist mehr denn je eine gemeinsame. Afrika ist ein Kontinent der Chancen. Eine junge, dynamische Bevölkerung, Staaten mit großem wirtschaftliehern Entwicklungspotential, ein ungeheurer Reichtum an Ressourcen und insbesondere ein wachsender Mittelstand zeigen: Afrika wird mehr und mehr zu einem bedeutenden Akteur in der globalen Wirtschaft.

Aber Afrika ist auch ein Kontinent der Krisen. Der Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik, Unruhen im Südsudan und in der Region der Großen Seen, unermessliches Flüchtlingselend in Darfur und Gewaltakte in Somalia machen deutlich, wie zerbrechlich manche Staaten in Afrika sind. Schwache Institutionen, poröse Grenzen und Verwerfungen in ihren Sicherheits- und Verteidigungsstrukturen machen sie verwundbar gegenüber Bedrohungen, die immer stärker über Landesgrenzen hinaus wirken. Dabei entwickelt sich der raumgreifende Terrorismus in der Sahelzone zu einer der großen Gefahren für die Sicherheit Afrikas und Europas.

Es geht um die Versorgung mit strategisch wichtigen Gütern, strategische Handelsinteressen und auch um die Sicherheit europäischer Staatsbürger in Afrika. Diese gemeinsamen Interessen zu wahren und zu schützen ist daher ein gemeinsames Anliegen: der Afrikaner wie der Europäer. Deutschland und Frankreich sind deshalb davon überzeugt, dass Fragen der Sicherheit ein wichtiges Element des EUAfrika- Gipfels am 2. und 3. April sein müssen.

Oberstes Ziel muss sein, Krisen in Afrika möglichst früh vorzubeugen. Stabilisierungsbemühungen sind leichter, wenn die Vorzeichen einer Krise früher wahrgenommen werden und Europa dann in einem ganzheitlichen Ansatz und in enger Kooperation mit den afrikanischen Partnern reagiert. Militärische Mittel ersetzen gewiss keine politischen Lösungen. Aber sie können zur Stabilisierung und zum Schutz der Bevölkerungen beitragen und damit entscheidende Voraussetzungen für einen Wiederaufbau schaffen.

Die Europäische Union ist mit ihrem umfassenden sicherheits- und entwicklungspolitischen Ansatz prädestiniert dafür, krisenvorbeugend zu handeln, bei akuten Krisen einzugreifen und auch bei der Krisennachsorge stabilisierend zu wirken.

Mali veranschaulicht exemplarisch die Komplexität der Herausforderung: Am Jahresende 2012 drohte der malische Staat mit seinen fast 14 Millionen Einwohnern unter das Regime radikal-islamistischer Terroristen zu fallen. Was das bedeutet hätte, zeigte sich in den Städten, die von den Terrorgruppen eingenommen wurden: blutige Gewalt, Vertreibung und Zerstörung. Es war das rasche und beherzte Eingreifen Frankreichs, das weiteres Chaos und Blutvergießen verhinderte. Frankreichs Einsatz bildete zugleich den Beginn eines breiten Bündnisses und internationalen Engagements: Staaten aus Afrika, Europa und der Welt helfen Mali beim Wiederaufbau staatlicher Strukturen.

Weder die afrikanischen Staaten noch die Europäer wollen und werden aber dauerhaft in Mali engagiert bleiben. Deswegen muss es auch hier Ziel sein, den malischen Staat _wieder in die Lage zu versetzen, selbst Herrschaft im gesamten Staatsgebiet auszuüben. Die europäische militärische Trainingsmission ist dazu neben diplomatischen und entwicklungspolitischen Maßnahmen ein geeignetes Instrument. Die Ergebnisse sind beeindruckend: von der Pionier- und Infanterieausbildung über die Beratung bis hin zum Aufbau von Militärkrankenhäusern. Ein besonderes Zeichen der intensivierten Zusammenarbeit wird sein, dass Deutschland und Frankreich auch Angehörige der DeutschFranzösischen Brigade einsetzen.

Dennoch bleibt das vorrangige Ziel, afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme zu finden. Kern unseres Handeins ist, unseren afrikanischen Partnern zu ermöglichen, dies selbst zu erreichen. Dabei kommt denjenigen afrikanischen Staaten eine Schlüsselrolle zu, die in der Lage sind, auch in ihre Regionen hinein stabilisierend zu wirken. Unterstützen wir verstärkt diese Staaten, dann hilft das neue Krisen zu verhindern und damit unter Umständen weitere militärische Einsätze für unsere Länder zu vermeiden.

Der Stärkung und dem Wiederaufbau lokaler Sicherheitskräfte kommt entscheidende Bedeutung zu. Dieses Ziel verfolgen europäische Missionen wie etwa in Mali oder in Somalia nicht nur mit militärischer Ausbildung, sondern auch mit der Vermittlung von Rechtsstaatlichkeit und demokratischer Kontrolle der Streitkräfte. Uns muss klar sein, dass dieses Engagement nur dann einen nachhaltigen Erfolg verspricht, wenn es langfristig angelegt ist - ein Ziel, das sich auch die europäische "Ertüchtigungsinitiative" (Enable & Enhance Initiative) gesetzt hat.

Darüber hinaus gilt es, die Mechanismen der kollektiven Sicherheit Afrikas zu stärken. Dafür bestehen gute Chancen, denn in Afrika wächst mit der Afrikanischen Union und regionalen Organisationen eine mehr und mehr tragfähige Sicherheitsarchitektur heran. Neben struktureller Unterstützung wollen wir auch ganz konkret die Aufstellung der afrikanisehen Standby-Force begleiten. Insbesondere Regionalorganisationen sollten in die Lage versetzt werden, künftigen Krisen selbst entgegenzutreten.

Wie können wir heute Sicherheits- und verteidigungspolitisch zur Stärkung dieser afrikanischen Fähigkeiten beitragen? Erstens: Wir müssen unsere eigenen Fähigkeiten zur Krisenprävention verbessern und unsere afrikanischen Partner einbinden. Das bedeutet, dass wir uns mit unseren Partnern besser abstimmen und unsere Instrumente besser bündeln. Zweitens: Militärberatern aus europäischen Ländern könnte in der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur eine wichtigere Rolle zuwachsen. Drittens: Wir müssen noch enger mit denjenigen Staaten in Afrika zusammenarbeiten, die willens und in der Lage sind, einen wertvollen eigenen Beitrag zu Frieden und Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent zu leisten. Sie sind die Eckpfeiler einer tragfähigen afrikanischen Sicherheitsstruktur. Und schließlich wollen wir den EU-Afrika-Gipfel zum Anlass nehmen, auch die europäischen Instrumentarien für die Ausbildung und Ausstattung unserer afrikanischen Partner besser aufeinander abzustimmen. Stichworte sind die Afrikanische Friedensfazilität und die "Ertüchtigungsinitiative". Deutschland und Frankreich sind sich einig, dass eine friedliche Entwicklung Afrikas im ureigensten Interesse Europas liegt. Denn auch in Afrika gilt der Grundsatz, dass es ohne ein Mindestmaß an Sicherheit keine Entwicklung geben kann. Und umgekehrt ist klar: ohne nachhaltige Entwicklung der Länder wird sich der afrikanische Kontinent nicht stabilisieren. Die fehlende Sicherheit dort bedeutet auch eine fehlende Sicherheit für Europa. Deshalb unterstützen Deutschland und Frankreich gemeinsam ein abgestimmtes und integriertes Vorgehen der Europäischen Union in der Sicherheits- und Entwicklungspolitik. In diesem wohlverstandenen Sinne wollen und müssen die Nachbarn Afrika und Europa mehr Verantwortung füreinander übernehmen.

* Quelle: Website des Bundesministeriums für Verteidigung, 2. April 2014; http://www.bmvg.de


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