Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Hunger ist vermeidbar

Welthungerhilfe sieht in Prävention wichtigste Armutsbekämpfungsstrategie

Von Martin Ling *

Die Welthungerhilfe müht sich seit 50 Jahren in vielen Ländern, eine Verbesserung der Ernährungssituation zu erreichen. Lokal mit Erfolg. Den globalen Missstand von derzeit 925 Millionen Hungernden hält die Präsidentin der Welthungerhilfe Bärbel Dieckmann für »völlig inakzeptabel«.

Es ist nicht alles schlecht bei der Welternährungslage: 1962 hungerten 30 Prozent der Weltbevölkerung, 2012 sind es bei einer auf sieben Milliarden angewachsenen Zahl der Erdenbürger »nur« noch rund 13 Prozent. Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, sah darin gestern in Berlin einen Fortschritt. Doch das bedeutet, dass 925 Millionen Menschen hungern. »Völlig inakzeptabel, zumal ausreichend Lebensmittel für sieben Milliarden Menschen vorhanden sind. Es muss eine politische Lösung geben, damit Hunger in der Welt der Vergangenheit angehört«, appellierte die frühere Bonner Oberbürgermeisterin bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2011 der Welthungerhilfe.

»Hinter jedem dieser Menschen steht ein Schicksal«, sagte Dieckmann, die sich unlängst im Flüchtlingslager Dadaab in Kenia selbst ein Bild davon machen konnte, was Hunger konkret bedeutet. Im größten Flüchtlingslager der Welt drängen sich rund eine halbe Million Menschen, die vor der schlimmsten Dürre seit 60 Jahren und dem seit über 20 Jahren währenden Bürgerkrieg in Somalia geflohen sind.

Was das Horn von Afrika 2011 durchlebte, steht der Sahel-Region 2012 unter Umständen bevor: eine Hungerkrise infolge einer Jahrhundertdürre. Allerdings, so Dieckmann, hätten die Frühwarnsysteme im Sahel anders als 2011 in Ostafrika erfolgreich gegriffen. Gemeinsam hätten die betroffenen Länder, die Hilfsorganisationen und die internationalen Geber schnell reagiert und damit bisher das Schlimmste verhindert. Dennoch gibt es keinen Grund zur Entwarnung, da acht Millionen Menschen weiterhin auf Nothilfe angewiesen sind. »Wir müssen die Unterstützung fortsetzen, denn die kommenden vier Monate bis zur nächsten Ernte sind entscheidend. Ansonsten kann jederzeit eine Hungersnot eintreten«, warnte Dieckmann.

Nothilfe wie in den Dürregebieten ist nicht das Kerngeschäft der Welthungerhilfe, die 2011 mit insgesamt 48,2 Millionen Euro das drittbeste Spendenergebnis ihrer Geschichte erzielte. Nur im Tsunamijahr 2004 und im Jahr 2010, geprägt vom Erdbeben in Haiti, flossen mehr Spenden. Mit dem Geld wurden 2011 rund 300 Projekte zur Ernährungssicherung in Afrika, Asien und Lateinamerika gefördert. Zum Beispiel durch angepasstes Saatgut, Gewächshäuser und Brunnen für die Kleinbauern.

Seit 1997 ist die Welthungerhilfe auch in Nordkorea tätig. Vorstandsvorsitzender Wolfgang Jamann war gerade dort. »Ich bin von den Möglichkeiten der Zusammenarbeit positiv überrascht«, resümierte er. Leider spricht viel dafür, dass der Welthungerhilfe über Nordkorea hinaus auch in den kommenden 50 Jahren die Arbeit nicht ausgeht.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. Juni 2012


Der Hunger der Welt

Von Marti Ling **

Die Welthungerhilfe feiert 2012 ihren 50. Geburtstag. Das ist kein reiner Grund zum Feiern, denn schließlich wäre es der Entwicklungsorganisation selbst am liebsten, wenn ihr Daseinsgrund verschwände: der namensstiftende Welthunger. Doch weit gefehlt: Allen Projekten mit dem Ansatz »Hilfe zur Selbsthilfe« zum Trotz bleibt die Zahl der Hungernden auf einem beschämend hohen Niveau: 925 Millionen Menschen, obwohl weltweit genügend Lebensmittel produziert werden, allein sie kommen nicht von selbst zu den Bedürftigen. Das ist eine Frage der Verteilungspolitik und in der Verteilungspolitik sind weltweit fast ausnahmslos die Weichen so gestellt, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Wer kein Einkommen hat, dem wird häufig nur in Hungerkrisen per Nothilfe geholfen, was für viele zu spät kommt.

Das tägliche Sterben von rund 30 000 Menschen an den Folgen von Unterernährung - meist Kinder unter fünf Jahren - ist so selten ein Thema wie die strukturellen Ursachen des Hungers jenseits politischer und wetterbedingter Krisen. Land wird zuerst Profitinteressen unterworfen. Der Investor hat allemal Vorrang vor dem Kleinbauern, was unzählige Konflikte nach sich zieht und mit dem Landraub reicher Investoren im Süden derzeit seine Fortsetzung findet. Der Hunger wird ohne eine globale Agrarreform nicht aus der Welt zu schaffen sein. Doch dafür müssten die Macht der Agrokonzerne gebrochen und der Weltagrarhandel viel stärker reguliert werden. Der politische Wille dazu ist nicht in Sicht.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. Juni 2012 (Kommentar)

Welthungerhilfe: Im Sahel konnte Hungersnot bisher verhindert werden — noch keine Entspannung der Lage in Sicht

PRESSEMITTEILUNG

Jahresbericht 2011: Rückblick auf die Dürre am Horn von Afrika — Frühwarnsysteme und Lehren für den Sahel

Berlin, 26.06.2012. Die Hungerkrise am Horn von Afrika hat im letzten Jahr in Deutschland zu einer enormen Hilfsbereitschaft geführt. „Allein für Ostafrika wurden uns 17 Millionen Euro anvertraut, um neben der akuten Überlebenshilfe auch wichtige Grundlagen für eine langfristige Verbesserung der Ernährung zu legen. Die Spenderinnen und Spender haben ihre große Solidarität mit den Opfern der Katastrophe eindrucksvoll unter Beweis gestellt und dafür danken wir ihnen“, sagt Dr. Wolfgang Jamann, Vorstandsvorsitzender der Welthungerhilfe bei der Vorstellung des Jahresberichts 2011.

Die Präsidentin der Welthungerhilfe Bärbel Dieckmann betont, dass die Frühwarnsysteme im Sahel anders als 2011 in Ostafrika erfolgreich gegriffen hätten. Die betroffenen Länder, die Hilfsorganisationen und die internationalen Geber hätten frühzeitig auf die Not reagiert und damit die Lehren aus Ostafrika umgesetzt. Allerdings gibt es keinen Grund zur Entwarnung, denn rund acht Millionen Menschen sind aufgrund von Trockenheit, Ernteausfällen und hohen Nahrungsmittelpreisen sowie der angespannten Sicherheitsiage weiterhin auf Nothilfe angewiesen. „Wir müssen die Unterstützung fortsetzen, denn die kommenden vier Monate bis zur nächsten Ernte sind entscheidend. Ansonsten kann jederzeit eine Hungersnot eintreten“, warnt Dieckmann.

Mit insgesamt 48,2 Millionen Euro hat die Welthungerhilfe in 201.]. das drittbeste Spendenergebnis ihrer 50-jährigen Geschichte erzielt. Der Gesamtertrag lag bei 136,5 Millionen Euro. Insgesamt förderte die Welthungerhilfe 2011 300 Projekte in Afrika, Asien und Lateinamerika.

*****

Die Welthungerhilfe ist eine der größten privaten Hilfsorganisationen in Deutschland. Sie leistet Hilfe aus einer Hand: Von der schnellen Katastrophenhilfe über den Wiederaufbau bis zu langfristigen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit mit einheimischen Partnerorganisationen nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe. Seit der Gründung im Jahr 1962 wurden mehr als 6.800 Projekte in 70 Ländern mit 2,39 Milliarden Euro gefördert — für eine Welt ohne Hunger und Armut.

Mehr Informationen zum Jahresbericht: Pressemappe [externer Link]




Zurück zum Thema "Armut, Hunger, Massenelend"

Zur Seite "Entwicklungspolitik"

Zurück zur Homepage