Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Dem Landraub folgt der Hunger

Investoren bedrohen freien Zugang zu Naturressourcen

Von Ulrike Henning *

Ob Landwirtschaft oder Fischerei - Kleinstbetriebe leisten den wichtigsten Beitrag zur Ernährungssicherheit. Diese ist aber durch großangelegten Landraub bedroht.

Bei der Konferenz »Politik gegen den Hunger« trafen sich Anfang dieser Woche 250 Vertreter von Regierungen und internationalen Organisationen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in Berlin. Thema der neunten Veranstaltung dieser Art war der gerechte Zugang zu Land und anderen natürlichen Ressourcen vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Die Konferenzreihe geht auf den Welternährungsgipfel in Rom 2009 und die Reform des UN-Ausschusses für Welternährungssicherung zurück. Bis dahin war die Welternährungspolitik praktisch ohne jegliche Koordination erfolgt. Aktuell werden freiwillige Leitlinien zu Ressourcennutzungsrechten verhandelt, insbesondere zum Zugang zu Wasser für die landwirtschaftliche Nutzung durch Kleinbauern und andere benachteiligte Gruppen.

Außerdem ging es auf der Konferenz darum, wie die Diskriminierung von Frauen beim Zugang zu Land abgestellt werden kann. Obwohl diese in Entwicklungsländern mehr als die Hälfte der Kleinbauern stellen, haben sie auf weniger als 20 Prozent der Landtitel Anspruch, in der Regel aufgrund überlieferten Erb- und Familienrechtes. In Afrika sind sogar 70 Prozent der Kleinbauern weiblich. In Zukunft sollen sie auf verschiedenen Ebenen unterstützt werden, darunter beim Zugang zu Bildung und zu Krediten.

Ein weiteres Thema war die Fischerei. Auch hier leisten die kleinsten Betriebe den wichtigsten Beitrag zur lokalen Ernährungssicherung. Staatssekretär Robert Kloos aus dem Bundesagrarministerium erklärte am Rande der Konferenz, Deutschland sei bereit, im Rahmen der EU seinen Beitrag dazu zu leisten, Fischereiressourcen in Zukunft nur noch nachhaltig zu bewirtschaften. Dabei dürften von deutschen oder europäischen Fangflotten außerhalb der EU nur die Überschüsse abgefischt werden, die für die jeweilige nationale Versorgung nicht benötigt würden.

Auch im Bereich der EU-Agrarsubventionen unterstütze Deutschland den europäischen Umsteuerungsprozess mit dem Ziel, schließlich ganz auf Exportzuschüsse zu verzichten, so Kloos. Hier müssten aber auch andere Staaten ihren Beitrag leisten. Die Verantwortung für die rechtlichen Rahmenbedingungen beim Landzugang liege hingegen bei den Regierungen der betroffenen Länder, die sich mit Großinvestoren auseinandersetzen müssten. Die jetzt verhandelten Leitlinien dürften nicht nur auf dem Papier stehen. Besonders bei neueren Formen des Land-Grabbings würden die formellen und informellen Rechte vieler bereits benachteiligter Gruppen verletzt, darunter auch die der indigenen Bevölkerung.

Das Recht auf Land ist völkerrechtlich nicht als allgemeines Menschenrecht anerkannt. Jedoch verweist die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) auf das Recht indigener Völker auf ihr traditionelles Territorium. Kritiker bemängeln seit Langem, dass internationale Investitionen keine positiven Ergebnisse für die lokale Bevölkerung bringen. Bauern und Nomaden würden durch Megaprojekte vertrieben und in Armut gestürzt. Großflächige Landüberschreibungen seien daher sofort zu stoppen.

* Aus: neues deutschland, 24. November 2011


Zur Seite "Armut, Hunger"

Zur Globalisierungs-Seite

Zurück zur Homepage