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Washington mit Warschau einig: US-Raketenabwehr wird in Polen stationiert

Propagandaschachzug des polnischen Präsidenten zeigte Wirkung / Russischer General: "Wir müssen darauf eine adäquate Antwort geben" - Außenminister Lawrow sagt USA-Reise ab

Angesichts des Ossetienkrieges wäre ein anderes Ereignis fast untergegangen: Die Unterzeichung des Vertrags zwischen den USA und Polen über die Stationierung einer US-Raketenabwehr in Polen - Teil eines sog. "Raketenschirms", dessen andere Komponente in Tschechien stationiert werden soll. Mit Prag hatte Washington Anfang Juli einen entsüprechenden Vertrag geschlossen (siehe: Zielscheibe Europa).
Im Folgenden dokumentieren wir eine Reihe von Meldungen und Berichten - darunter zwei Berichte aus Polen - zur Raketenabwehr.
Aus unserem reichhaltigen Dossier "ABM-Vertrag und Raketenabwehr" zwei grundsätzliche Analysen:


Hintergrund: US-Raketenabwehrschild in Osteuropa

Die USA wollen mit einem Raketenabwehrschild in Osteuropa vor allem mögliche Raketenangriffe aus dem Nahen Osten abwehren. Russland fühlt sich durch das Abwehr-System in ehemaligen Ostblockstaaten bedroht. Anzeige

Für den Schild sollen in Polen zehn Abfangraketen in unterirdischen Silos stationiert werden. Zudem soll eine Radarstation in Tschechien die Daten für einen Abschuss fremder Raketen liefern. Geplant ist der Einsatz von rund 200 Soldaten und Zivilangestellten in Polen. In der Anlage im tschechischen Brdy sollen 150 Menschen arbeiten.

Die NMD-Abfangraketen haben keinen Sprengkopf. Mit einer Geschwindigkeit von mehr als 24 000 Stundenkilometern sollen sie feindliche Flugkörper außerhalb der Erdatmosphäre rammen und so zerstören. Die für Polen geplanten Raketen mit zwei Antriebsstufen sind kleiner und leichter als die bereits installierten Systeme mit dreistufigen Raketen in den US-Bundesstaaten Alaska und Kalifornien.

Die Einrichtungen sind Teil des amerikanischen Raketenabwehrsystems (NMD). Im Unterschied zum weit ambitionierteren und vor allem weltraumgestützten Projekt SDI («Strategic Defense Initiative») des früheren US-Präsidenten Ronald Reagan (1981-1989) setzt NMD auf eine landgestützte Abwehr.

Die für Tschechien vorgesehene Radaranlage steht seit etwa zehn Jahren auf einem Atoll der Marshallinseln im Pazifik, von wo aus die Raketenabwehr-Agentur des Pentagon MDA Tests des Systems überwacht.

Quelle: dpa, 15. August 2008



Polen und USA unterzeichnen Raketenabwehr-Vertrag

WARSCHAU, 14. August (RIA Novosti). Polen und die USA haben einen Vertrag über die Stationierung von Elementen einer US-amerikanischen Raketenabwehr auf dem Territorium Polens unterzeichnet.

Das berichteten westliche Medien am Donnerstag (14. August) aus Warschau. Zuvor hatte Polens Ministerpräsident Donald Tusk dem Fernsehsender TVN gesagt, dass die Unterhändler noch einige Bedingungen des Dokuments abzustimmen hätten.

Eine davon sieht die Modernisierung der polnischen Armee und der polnischen Luftabwehr mit Unterstützung der USA vor. Polen bekundet unter anderem großes Interesse an Raketenkomplexen mittlerer und kürzerer Reichweite vom Typ Patriot PAC-3, THAAD oder AMRAAM.

Die USA planen, Elemente ihrer Raketenabwehr in Polen und Tschechien zu stationieren. Dabei argumentiert Washinton mit einer Raketengefahr von Seiten des Iran. Moskau hält die Argumente für haltlos und betrachtet die Stationierung von Elementen der US-Raketenabwehr vor seinen Grenzen als eine Bedrohung für die nationale Sicherheit des Landes.

Washington will zehn Abfangraketen in Polen stationieren und ein Radar in Tschechien bauen. Die erste Rakete in Polen könnte bereits 2011 in den Dienst gestellt werden. Alle zehn Raketen werden voraussichtlich gegen 2013 einsatzbereit sein.


Lawrow sagt für September geplanten Warschau-Besuch ab

WARSCHAU/MOSKAU, 14. August (RIA Novosti). Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat einen für September geplanten Besuch in Warschau abgesagt.

Das teilte Polens Außenamtschef Radoslaw Sikorski am Donnerstag (14. August) in Warschau laut polnischen Medienberichten mit. Kurz zuvor hatten Polen und die USA einen Vertrag über die Stationierung von Teilen einer US-amerikanischen Raketenabwehr auf dem Territorium Polens unterzeichnet.

Sikorski brachte die Absage aber nicht mit der Erlangung der polnisch-amerikanischen ABM-Übereinkunft in Zusammenhang. Als Ursache vermutete er eher die jüngste blutige Entwicklung in Georgien.

Eine Bestätigung von Seiten des russischen Außenministeriums lag RIA Novosti zunächst nicht vor.


US-Außenamt: Unterzeichnung des ABM-Abkommens mit Polen unabhängig von Ereignissen in Georgien

WASHINGTON, 15. August (RIA Novosti). Die Unterzeichnung des Abkommens mit Polen über die Stationierung von Teilen des amerikanischen Raketenschildes ABM am Donnerstag "hat nichts mit den Ereignissen in Georgien zu tun". Das betonte ein Sprecher des US-Außenamts in einem Gespräch mit RIA Novosti.

Der Diplomat wies darauf hin, dass der Vertragsabschluss das Resultat eines lang andauernden Prozesses ist. Wie er betonte, ist das geplante Raketenabwehrsystem "für den Schutz vor einer aus dem Nahen Osten ausgehenden Gefahr bestimmt und in keiner Weise gegen Russland gerichtet".

Washington ist der Meinung, dass Russland und die USA einen gemeinsamen Beitrag zum Schutz Europas vor Raketenagriffen leisten könnten. Daher hoffe man weiterhin auf eine Fortsetzung der Verhandlungen mit Russland zur ABM-Problematik, betonte der Sprecher.

Das Abkommen über die Stationierung von Teilen des amerikanischen ABM-Systems in Polen war am Donnerstag von John Rood, der für Rüstungskontrolle und internationale Sicherheit zuständige US-Vizeaußenamtschef, und dem polnischen Vizeaußenminister Andrzej Kremer unterzeichnet worden.

Die USA haben vor, eine Radaranlage in Tschechien und zehn Abfangraketen in Polen zu stationieren. Das ABM-System soll vor einem mutmaßlichen Raketenangriff Irans schützen. Russland sieht in diesem System aber eine Bedrohung für seine eigene Sicherheit.


Russland wird passende Antwort auf ABM-Stationierung der USA geben

MOSKAU, 15. August (RIA Novosti). Russland wird den amerikanisch-polnischen Vertrag über die Stationierung von Teilen des amerikanischen Raketenschildes (ABM) adäquat beantworten.

Das erklärte Wjatscheslaw Popow, Mitglied des Föderationsrates (Oberhaus) und ehemaliger Kommandeur der russischen Nordflotte, am Freitag (15. August) in einem RIA-Novosti-Gespräch.

"Mit der Unterzeichnung dieses Dokuments wird die Militärinfrastruktur eines anderen Landes näher an die russische Grenze gerückt, wir müssen darauf eine adäquate Antwort geben", betonte er.

"Wir müssen Maßnahmen zur Gewährleistung unserer Sicherheit treffen, denn die Aufstockung des Militärpotentials vor den Grenzen Russlands ist nichts Anderes als eine Bedrohung der Sicherheit Russlands", stellte er fest.

Nach seiner Auffassung wurde die Bevölkerung Tschechiens und Polens irregeführt: Sie ist sich nicht bewusst, dass die Stationierung von Teilen des ABM-Systems auf ihrem Territorium eine direkte Bedrohung für sie selbst darstellt. Jedes Raketenabwehrsystem "ist gemäß den militärischen Gesetzen immer" das Ziel des Erstschlags der anderen Seite bei etwaigen Kampfhandlungen.

"Die Kampfhandlungen beginnen nicht, bevor das Luft- und das Raketenabwehrsystem des Gegners geschlagen sind", sagte er. "Die Beispiele Irak und Jugoslawien beweisen das."

So werde Polen automatisch zum ersten Angriffsziel bei einem militärischen Konflikt, fügte Popow hinzu.


USA und Polen bei Raketenschild einig - Russland will neuen Sicherheitsvertrag

MOSKAU, 15. August (RIA Novosti). Die Unterzeichnung des Raketenabwehr-Vertrags zwischen Polen und den USA erfordert die Vorbereitung für einen neuen Vertrag über die kollektive Sicherheit in Europa.

Diese Meinung äußerte Wassili Lichatschow, Vizevorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des russischen Föderationsrats (Parlamentsoberhaus).

"Es wäre äußerst wichtig, demnächst die Umsetzung der Initiative von Russlands Präsident Dmitri Medwedew zur Vorbereitung eines neuen kollektiven Sicherheitsvertrags in Europa in Angriff zu nehmen", stellte er am Freitag in einem RIA-Novosti-Interview fest.

"Immer offensichtlicher treten auch die wunden Punkte an den Tag, die mit Hilfe eines solchen Vertrags überwunden werden müssen", hieß es.

"Der neue Vertrag soll einen Kern von gesunden und wirklich souveränen Staaten schaffen, die tatsächlich über die Sicherheit des europäischen Kontinents besorgt sind", stellte Lichatschow fest.

Nach seiner Ansicht war der Zeitpunkt für die Unterzeichnung des amerikanisch-polnischen Raketenabwehr-Vertrags nicht zufällig gewählt worden: "Die internationale Gemeinschaft steht vor einem ernsthaften Problem des Funktionierens der internationalen Sicherheitssysteme", betonte er.

Die Unterzeichnung des Raketenabwehr-Vertrags würde zugleich kaum zur Entwicklung der amerikanisch-europäischen Beziehungen beitragen, sondern "eine noch größere Distanz zwischen Washington und den nüchtern denkenden Kräften in der EU verursachen", sagte Lichatschow.

"Die Vertragsunterzeichnung war ein logisches Ereignis, das zu erwarten war", so der Außenpolitiker. "Der politische und der materielle Kuhhandel, den Polen zuletzt betrieben hat, ließ annehmen, dass Polen diesen Schritt unternehmen wird."


Russischer NATO-Botschafter vergleicht US-Raketenabwehr mit "toter Katze"

BRÜSSEL, 15. August (RIA Novosti). Der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin hat das geplante globale US-Raketenabwehrsystem mit einer "toten Katze" verglichen.

"Die Effektivität dieses Systems kann nur beim gegenseitigen thermonuklearen Schlagabtausch unter Beweis gestellt werden", erklärte Rogosin am Freitag vor der Presse in Brüssel. "Die Europäer haben von den USA eine 'tote Katze' bekommen, sagte der Botschafter in einer Stellungnahme zu der zwischen den USA und Polen am Vortag erzielten Vereinbarung über die Stationierung von zehn Abfangraketen in Polen.

"Wenn die Gefahr tatsächlich vom Iran ausgeht, wäre es logischer gewesen, sie (Elemente der Raketenabweh) an der südlichen NATO-Flanke zu stationieren, etwa in der Türkei, in Bulgarien oder Rumänien... Das ist noch ein Beitrag zur 'Bank der Wahrheit' von Seiten unserer polnischen und amerikanischen Partner", fuhr Rogosin fort.

"Nach der Stationierung von Raketenabwehrelementen auf ihrem Territorium werden Polen sowie Tschechien (wo ein Radar gebaut werden soll) potenziell nicht nur zu Zielen terroristischer Attacken. Die beiden Länder werden auch zu möglichen Zielen für russische Raketen sein." Rogosin sagte ferner, dass keine Rede sein kann von der Kompatibilität der Raketenabwehr der NATO und Russlands, wenn die USA von der NATO eine Kompatibilität mit der amerikanischen Raketenabwehr fordert, die gegen Russland gerichtet ist.

"Im Endeffekt wurden die internationalen Beziehungen in Mitleidenschaft gezogen. Dabei kann sich niemand sicherer fühlen... Ich denke, dass (US-Präsident George) Bush nicht versteht, was ihm untergejubelt wurde. Es handelt sich doch um Ambitionen der amerikanischen Rüstungsindustrie, die nach Milliardenaufträgen lechzt... In vertraulichen Gesprächen bezeichnen mehrere NATO-Militärs die US-Raketenabwehr als ineffektiv", sagte Rogosin.

Alle Meldungen: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti; http://de.rian.ru


Raketenschild-Vereinbarung im kaukasischen Schatten

Propagandaschachzug des polnischen Präsidenten zeigte Wirkung

Von Julian Bartosz, Wroclaw **


Polens Präsident Lech Kaczynski spielte in Georgien den Helden – und beschleunigte damit den Abschluss des Raketenschild-Abkommens mit den USA.

Nach eineinhalb Jahren dauernden Verhandlungen zwischen Polen und den USA ist am Donnerstagabend ein »Einleitendes Dokument zur Erklärung über die Einrichtung eines US-Antiraketenschildes in Polen« in Warschau paraphiert worden. Nach Meinung unabhängiger polnischer Militärexperten aus dem Europa-College in Natolin sei dies im »Kontext des Kaukasus-Konfliktes« zu sehen. Unter dem Eindruck der militärischen Geschehnisse in Georgien habe Polen bei seinen mit der Aufstellung des »Schildes« verbundenen zusätzlichen Forderungen nachgegeben und damit die Einigung forciert, heißt es in einem in hiesigen elektronischen Medien zitierten Artikel der »New York Times«. Das paraphierte Dokument sei Ausdruck einer für Polen besorgniserregenden Situation, was die USA zur Kenntnis genommen hätten. Daher werde für die Sicherheit Polens ständig eine US-Batterie »Patriot«-Raketen aufgestellt; in der für die nächsten Wochen geplanten Enderklärung soll eine Zusage zum sofortigen Beistand der USA im Falle einer Bedrohung Polens seitens »dritter Staaten« enthalten sein.

Die Paraphierung wurde zehn Stunden vor Beginn des »Tages der polnischen Armee« am 15. August vollzogen. Die diesjährige, mit üblicher Wachablösung vor dem Grab des Unbekannten Soldaten auf dem Pilsudski-Platz wie mit einer Militärparade organisierte Staatsfeier zu Ehren von Wojsko Polskie fand in einer ganz außerordentlichen politischen Großwetterlage statt. Staatspräsident Lech Kaczynski hob als Oberster Befehlshaber die symbolische Bedeutung des Datums für ganz Europa hervor. An diesem Tag wurde vor 88 Jahren in den Vororten von Warschau die gegen Westen ziehenden Rote Armee unter Michail Tuchatschewski durch die von Pilsudski befehligte polnische Armee aufgehalten und zurückgeschlagen.

Die politische Symbolik des diesjährigen »Tages der Armee« bestimmten nicht nur die Erinnerung an das »Wunder an der Weichsel«, das, versteht sich, nicht zufällig am Tag von Maria Himmelfahrt geschehen ist. Der georgisch-russische Krieg im Kaukasus, dem zuallererst die Wahrheit zum Opfer fiel, verlieh den Warschauer militärischen Feierlichkeiten einen ganz besonderen Charakter. Lech Kaczynski gelang es bekanntlich, einen politischen Entsatz für den georgischen Präsidenten Saakaschwili zu organisieren. Mit Staatsoberhäuptern aus den drei baltischen Staaten wie aus der Ukraine – aus Ländern, »die wie Polen unter der imperialen Knute Russlands und der Sowjetunion gelitten haben« – flog er nach Tbilissi, um »Solidarität mit dem aus dem Norden angegriffenen Georgien« zu bekunden. Dafür fand er in Polen breites Verständnis. Gleichzeitig rief er Europa auf, »den Kampf aufzunehmen«, was – nach Premier Donald Tusk – »als wenige Worte zu viel« bewertet wurde. Lech Kaczynski sei in Tbilissi nach Meinung von Vizemarschall Jerzy Szmajdzinski (SLD) nicht als Vermittler aufgetreten, sondern, wie er in »Trybuna« betonte, als »führender Vertreter der Russophobie«. Der polnische Staatspräsident sei nicht willens, den von seinem georgischen Freund mit dem Angriff auf Südossetien begangenen großen Fehler einzusehen. Widersprüchliche und zwielichtige USA-Einflüsse verleiteten ihn zum harten unverantwortlichen Poker, sagte der Politologe Aleksander Smolar in »Gazeta Wyborcza«. Derartige Meinungen sind aber derzeit in Polen selten.

Neuesten Meinungsforschungsergebnissen zufolge glauben zwei Drittel der Polen, dass durch das Auftreten von Lech Kaczynski mit einer rapiden Verschlechterung der Beziehungen mit Moskau zu rechnen ist. Europa wird ihn auch nicht verstehen. Er selbst ließ sich in einem Georgien gewidmeten Solidaritätskonzert im Museum des Warschauer Aufstandes als Held feiern und fühlt sich auch so. Sein entschlossener, hysterischer Aufruf an Donald Tusk, sofort mit den US-Amerikanern in der »Schild«- Frage einig zu werden, zeigte nun offensichtlich Wirkung.

** Aus: Neues Deutschland, 16. August 2008


US-Raketen gegen Moskau

Von Tomasz Konicz, Poznan ***

Zum Schluß legte Washington eine ungewöhnliche Hast an den Tag: Nachdem die Verhandlungen um die Stationierung von US-»Abwehrraketen« in Polen über Monate stockend verlaufen waren, reichten nunmehr zwei Tage, um das politisch wie militärisch hochbrisante Projekt unter Dach und Fach zu bringen. Am 12. August traf eine Verhandlungsdelegation aus Washington in Warschau ein, und bereits am 14. August wurde im polnischen Außenministerium die Paraphierung des Vertrags über die Stationierung von zehn US-»Abfangraketen« vorgenommen. Offensichtlich sorgte die Südossetien-Krise dafür, die Militarisierung des europäischen Ostens durch USA und NATO zu beschleunigen.

Während sich US-Präsident George W. Bush am Donnerstag (14. August) umgehend »höchst erfreut« zeigte, sprach ein ranghoher russischer General am Freitag von einer »weiteren Verschlechterung« des bereits »durch den Georgien-Konflikt gestörten Verhältnisses«. Rußland betrachte das Vorhaben als direkte Bedrohung gegen sich. Polnische Politiker beeilten sich zu betonen, daß dieser rasche Verhandlungsabschluß mitnichten mit der Krise im Kaukasus im Zusammenhang stehe, sondern einzig der US-amerikanischen Kompromißbereitschaft zuzuschreiben sei. »Die Amerikaner haben den polnischen Vorschlägen zugestimmt«, erklärte der neoliberale Premier Donald Tusk während einer Fernsehansprache. Insbesondere bei der zentralen polnischen Forderung, der dauerhaften Stationierung von modernen Patriot-Luftabwehrsystemen in Polen, habe Washington nachgegeben, so Tusk.

Laut Vertrag sollen bis 2012 zwei US-Militärbasen in Polen geschaffen werden: Neben der im Rahmen der »Raketenabwehr« in Nordpolen geplanten soll ein weiterer, mit etwa 110 US-Soldaten besetzter, Stützpunkt die Bedienungsmannschaft der Patriot-Systeme beherbergen. Zudem verpflichteten sich die USA Tusk zufolge zu einer »engen militärischen Zusammenarbeit« im Fall der Bedrohung Polens »durch eine dritte Seite«. Konkrete Zahlen zum Umfang der von Warschau geforderten US-Militärhilfe wurden nicht genannt. Zufrieden mit dem Deal zeigte sich auch Polens Präsident Lech Kaczynski. Insbesondere die »Ereignisse in Georgien« hätten zum Meinungsumschwung in der polnischen Regierung beigetragen.

Moskau nimmt die Einrichtung der US-Basen als Bedrohung wahr. »In Anbetracht des Inhalts und der Eile (zu einer Einigung zu kommen) wird ein weiteres Mal deutlich, daß das Vorhaben in keiner Verbindung zur Bedrohung durch iranische Raketen steht, sondern gegen Rußland gerichtet ist«, betonte der stellvertretende General­stabschef Anatoli Nogowizyn am Freitag in Moskau. Es sei bedauerlich, daß die USA angesichts der komplizierten Lage in Georgien ihre Beziehungen zu Rußland weiter verschlechterten.

Die russische Regierung hatte in der Vergangenheit wiederholt scharf gegen das »Abwehrsystem« nahe seiner Grenze protestiert. Gennadi Gudkow, Vizevorsitzender der Sicherheitskommission der Duma, erklärte nun, da sich die US-»Raketenabwehr« gegen Rußland richte, könnte Polen im Fall eines Konflikts »ein Ziel werden«. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte überdies eine für September geplante Visite in Warschau ab, die der Vorbereitung eines Besuchs des russischen Premiers Wladimir Putin dienen sollte. Dieser sollte eigentlich eine Normalisierung zwischen Warschau und Moskau einleiten.

*** Aus: junge Welt, 16. August 2008


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