US-Raketenabwehr auch im Kaukasus
Moskau sieht Sicherheitsinteressen verletzt
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Die US-Raketenabwehr soll sich auch auf die Kaukasusregion erstrecken. Moskau sieht dadurch
seine Sicherheitsinteressen verletzt und hatte gegen einschlägige Pläne schon im Februar
protestiert.
Washington versucht abzuwiegeln: Pläne des Pentagons, Teile der globalen Raketenabwehr auch in
einer der Ex-Sowjetrepubliken im Transkaukasus zu stationieren, seien in einem sehr frühen
Stadium und nicht gegen Russland gerichtet. So jedenfalls zitierten hiesige Medien Henry Obering,
im Pentagon zuständig für Raketenabwehr. Der Vier-Sterne-General hatte am Freitag angekündigt,
die USA wollten im Südkaukasus ein Frühwarnsystem installieren, das den Start von Raketen
erfassen soll. Um deren Flugbahn zu verfolgen, sollen die gewonnenen Daten an das in Tschechien
geplante Radar weitergeleitet werden.
Weil Armenien zu Moskaus treuesten Verbündeten gehört, kommen als Standort für das »Große
Ohr« an Russlands Südgrenzen aus Sicht hiesiger Experten nur Georgien, vor allem jedoch
Aserbaidshan in Frage. Zum einen wegen der gemeinsamen Grenze mit Iran, zum anderen, weil
Russland sich erneut die Kontrolle über ein Lauschzentrum aus der sowjetischen Ära im Süden der
Republik sicherte, für das sich auch Washington lebhaft interessierte.
Armenien lehnt US-Raketenabwehr im Kaukasus ab
JEREWAN, 05. März (RIA Novosti). Armenien hat keine Anfrage aus den USA zur Aufstellung der US-Raketenabwehr erhalten. Das sagte der stellvertretende Verteidigungsminister und Generalstabschef des südkaukasischen Staates, Mickael Arutjunjan, der Nachrichtenagentur Novosti-Armenija.
Als Mitglied der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) wünsche Armenien keine Aufrüstung in der Kaukasus-Region, sagte Arutjunjan. Er hält es für unwahrscheinlich, dass das amerikanische Raketenabwehrsystem jemals in Armenien stationiert werde.
Laut Arutjunjan will Armenien bei der Stärkung seiner Verteidigungsfähigkeit sowohl mit dem „strategischen Partner“ Russland als auch mit den USA und europäischen Staaten zusammenarbeiten.
Quelle: Russische Nachrichtenagentur, 5. März 2007
Die Außenministerien in Baku und Tbilissi dementierten bereits am Wochenende. Washington sei
bisher mit derartigen Wünschen nicht an sie herangetreten, hieß es. Der Akzent lag dabei auf
»bisher«, was in Moskau für neue Irritationen sorgte. Umso mehr, da fast zeitgleich Details eines
neues Strategiepapiers bekannt wurden, mit dem Washington die Sicherheitsarchitektur in der
Schwarzmeer-Region aushebeln will.
Eine tragende Rolle ist dabei der Türkei zugedacht – auch um deren weitere Annäherung an
Moskau zu stören. Obwohl NATO-Mitglied, hat Ankara ähnliche gute Gründe wie Moskau, die USA
am Schwarzen Meer auf Distanz zu halten. Deren militärische Präsenz nämlich würde aus den 1936
geschlossenen Verträgen von Montreux, die der Türkei die alleinige Kontrolle über Bosporus und
Dardanellen zugestehen, Makulatur machen.
Offiziell sind Terrorismus, sowie Waffen- und Drogenschmuggel Gründe für Washingtons Drängen
auf stärkere militärische Präsenz am Schwarzen Meer. Worum es den USA aber eigentlich geht,
machte ein General gegenüber der Online-Agentur EurasiaNet deutlich. Zwar sei Russlands
Gegnerschaft bei der Neuordnung des Schwarzmeerraums nicht erwünscht, andererseits werde
man nicht zulassen, dass die Region »zur Geisel russischer Interessen« wird.
Sogar kritische Beobachter hierzulande zeigten sich irritiert. Die Risiken einer Stationierung von
Teilen der Raketenabwehr im Südkaukasus und einer militärischen Präsenz der USA am Schwarten
Meer, so der unabhängige Militärexperte Alexander Goltz, seien erheblich größer als alle
militärischen Vorteile, die Washington daraus ziehen könnte. Militärisch bestehe für derartige Pläne
»objektiv keine Notwendigkeit«. Die USA wollten dennoch möglichst viele Staaten in die Vorhaben
einbinden, um zu beweisen, dass ihre Politik weltweit Unterstützung findet. Wann und mit welcher
Härte Moskau darauf reagiert, hängt seiner Meinung nach von der politischen Tageskonjunktur ab.
* Aus: Neues Deutschland, 6. März 2007
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