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Rajoy und seinen Lügen

Spaniens Opposition fordert Rücktritt des Regierungschefs / Gibraltar-Streit als Ablenkung?

Von Ralf Streck, San Sebastian *

Man habe es in Spanien jetzt mit dem »Fall Rajoy und seinen Lügen« zu tun. So hat Antonio Hernando, Sprecher der sozialdemokratischen Opposition, den Ministerpräsidenten am Montag direkt für die skandalösen Vorgänge in der Volkspartei (PP) verantwortlich gemacht.

Spaniens Sozialisten (PSOE) fordern den Rücktritt von Mariano Rajoy und eine parlamentarische Untersuchungskommission. Am Montag hat die große Tageszeitung »El Mundo« neue Daten veröffentlicht, die den Angaben des konservativen Regierungschefs widersprechen. Demnach sei der einstige Schatzmeister Luis Bárcenas – der angeblich 2009 sein Posten geräumt haben soll, weil er in einem Schmiergeldskandal angeklagt wurde – 2010 und 2011 zum bestbezahlten PP-Politiker aufgestiegen. Dabei hatte Rajoy noch am 1. August im Parlament behauptet, dass Bárcenas »nicht mehr in der Partei war«. Die Opposition fragt nun, wieso er 2011 ein Jahresgehalt von 251 000 Euro erhielt, das sogar 51 000 Euro über dem von Rajoy lag. Beobachter sprechen von »Schweigegeld«.

Nicht nur die Linken haben genug von den Winkelzügen des Regierungschefs. »Sagt Rajoy endlich die Wahrheit oder muss er dafür erst vor einem Richter erscheinen«, fragte z.B. Rosa Díez, Chefin der Zentrumspartei Union, Volk und Demokratie (UPyD). Sie hatte Rajoy im Parlament 20 konkrete Fragen gestellt und seine ausweichenden Antworten »beschämend« genannt. Die Vereinte Linke (IU) bereite nun Großproteste für den Herbst vor, wie IU-Chef Cayo Lara am Montag ankündigte. Er glaube Rajoy »kein Wort mehr«. Die IU will mit massiven Protesten den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen erzwingen.

Mit Spannung werden nun die Vernehmungen von PP-Führern und ganz besonders die Aussage von PP-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal am Mittwoch erwartet. Ermittlungsrichter Pablo Ruz will sie als Zeugin zur illegalen Parteienfinanzierung vernehmen. Bárcenas räumte nach seiner Inhaftierung im Juni ein, die PP habe sich »in den letzten 20 Jahren illegal finanziert«. 48 Millionen Euro, die vor allem auf seinen Schweizer Konten gefunden wurden, stammten von »Baufirmen und anderen Unternehmen«, die »im Gegenzug an öffentliche Aufträge« kamen. Bargeldbeträge seien auch an Parteiführer geflossen. Rajoy soll die höchste Gesamtsumme erhalten haben.

Vor diesem Hintergrund wirft die Opposition der Regierung auch vor, den Streit mit Großbritannien um Gibraltar künstlich als Ablenkungsmanöver zu schüren. Spanien fordert erneut die Rückgabe der britischen Kolonie an der Meerenge und macht Druck. Anlass des Streits sind wieder einmal umstrittene Fischereirechte vor der 6,5 Quadratkilometer großen Kolonie. 99 Prozent ihrer Bewohner sprachen sich bei einem Referendum für den Verbleib im britischen Königreich aus.

Gibraltar hatte Felsblöcke vor der Küste im Meer versenkt, um vorgeblich ein künstliches Riff zu schaffen. Sie verhindern aber das Fischen mit Schleppnetzen. Madrid antwortete darauf mit scharfen Zugangskontrollen. Besucher müssen zum Teil stundenlange Wartezeiten in Kauf nehmen. Doch das trifft auch Tausende Spanier, die in Gibraltar arbeiten. Die Bürgermeisterin des spanischen Orts La Linea kritisiert die Regierung denn auch, obwohl sich Gemma Aranjo sonst hinter ihre Fischer stellt. Da Spanien nun sogar mit einer täglichen Zugangsgebühr von 50 Euro droht, sieht sie viele Arbeitsplätze gefährdet. »Das ist nun wirklich ein sinnloser Einfall.« Andalusien registriert eine Arbeitslosenquote von 36 Prozent.

Großbritannien bereitet derweil juristische Schritte gegen Spanien vor und lässt symbolisch Kriegsschiffe in Gibraltar anlegen. Doch in London geht man davon aus, dass es sich um einen Sturm im Wasserglas handelt, der bald vergessen sein werde.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 13. August 2013


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