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Russischer Coup

Moskau vereinbart mit EU-Mitglied Zypern Militärkooperation. Luftwaffe und Marine können Stützpunkte auf Mittelmeerinsel nutzen

Von Nick Brauns *

Zukünftig können die russische Marine und die Luftwaffe im Mittelmeer Stützpunkte auf der Insel Zypern nutzen. Ein entsprechendes Abkommen über den Ausbau der militärischen Zusammenarbeit unterzeichneten Russlands Präsident Wladimir Putin und der Präsident der zur EU gehörenden Republik Zypern, Nikos Anastasiades, am Mittwoch in Moskau. Den russischen Streitkräften stehen damit für »humanitäre Operationen« und »in Krisensituationen« der Hafen Limassol und der Luftwaffenstützpunkt »Andreas Papandreou« bei Paphos zur Verfügung. Auf der Basis könnte nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Sputniknews ein russischer Kampfjetverband von bis zu 25 Maschinen stationiert werden, der damit in etwa der Stärke der britischen Luftwaffe auf Zypern entspräche.

Großbritannien verfügt auf Zypern über zwei als exterritoriale Gebiete geltende Militärbasen. Akrotiri und Dekelia sind Relikte aus der Kolonialzeit, auf denen sich heute mit einer Zweigstelle des britischen Geheimdiensts Government Communication Headquarters (GCHQ) auch die Zentrale der gemeinsam mit den USA betriebenen Internetspionage im Nahen Osten befindet. Ein mit diesen NATO-Stützpunkten vergleichbarer russischer Militärstützpunkt werde allerdings nach den Worten von Anastasiades nicht auf der Insel errichtet.

Die russische Marine operiert seit zwei Jahren mit einem Flottenverband im Mittelmeer, dem nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau derzeit zehn Kriegsschiffe angehören. Bislang stand der russischen Flotte einzig der syrische Hafen Tartus zur Verfügung. Mit dem jetzigen Abkommen, das auch die Reichweite seiner Luftwaffe erhöht, festigt Russland seine Position in der Region. Zypern solle vor allem bei internationalen Antiterror- und Antipiraterieoperationen als Anlauf- und Versorgungsbasis genutzt werden, erklärte Putin. Die zypriotisch-russische Militärkooperation richte sich nicht gegen Dritte. Auch die Regierung in Nikosia, die bislang auf Druck der NATO die Verpachtung von Militärobjekten an Russland verweigert hatte, spielt die Bedeutung des Abkommens herunter. Russische Schiffe hätten immer Zugang zu zypriotischen Häfen gehabt, jetzt sei dies erstmals schriftlich fixiert worden, gibt die türkische Tageszeitung Todays Zaman nun einen zypriotischen Regierungsvertreter wieder.

»Um diese Möglichkeit zu bekommen, musste Moskau Nikosia unter Druck setzen«, zitiert Sputniknews die als Amtsblatt der russischen Regierung dienende Zeitung Rossijskaja Gaseta. So wurde den Zyprioten während ihrer Bankenkrise 2013 eine Umschuldung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro für einen russischen Kredit aus dem Jahr 2011 verweigert und die klamme Republik damit dem Würgegriff der EU-Finanzinstitutionen ausgeliefert. Erst nach Fortschritten in den Gesprächen über die Nutzung von Militärstützpunkten erklärte sich Moskau im September 2013 zu einer Umstrukturierung der Schulden bereit. Im Gegenzug für das jetzt geschlossene Abkommen sagte Putin weitere finanzielle Unterstützung zu.

Für die russische Kooperation mit Zypern dürften neben militärischen auch wirtschaftliche Gründe vor allem im Energiesektor ausschlaggebend sein. Im östlichen Mittelmeer wurden in den vergangenen Jahren riesige Gasfelder mit einem geschätzten Gesamtvolumen von 255 Milliarden Kubikmetern sowie Öl gefunden, bei deren Ausbeutung Russland nicht außen vor bleiben will. Für die zypriotische Regierung bietet eine russische Truppenpräsenz wiederum ein Gegengewicht zur nur von Ankara anerkannten Türkischen Republik Nordzypern. Nach einem von der griechischen Militärdiktatur 1974 angezettelten Putsch auf Zypern und blutigen Auseinandersetzungen zwischen der griechisch-zypriotischen Bevölkerungsmehrheit und der türkisch-zypriotischen Minderheit hatte die türkische Armee den Norden der Insel besetzt. Die Teilung war von der NATO provoziert worden, nachdem sich der damalige zypriotische Präsident, Erzbischof Makarios III., der Sowjetunion angenähert hatte und nach Ansicht Washingtons »ein Kuba im Mittelmeer« drohte.

* Aus: junge Welt, Freitag, 27. Februar 2015


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