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Gesprächs-Marathon zur Ukraine

Absage an "Noworossija" in Mailand? / Drohnen-Einsatz an russischer Grenze fraglich

Von Klaus Joachim Herrmann *

Der klassische Marathon hat einen Sieger. Danach wurde bei den Mailänder Gesprächsrunden zur Ukraine-Krise vergeblich Ausschau gehalten.

Mit einem Sprengstoffanschlag auf das Kiewer Büro der präsidialen Partei »Blok Poroschenko« und Attacken der Rechtsextremisten vom »Rechten Sektor« auf Abgeordnete lief am Freitag der ukrainische Wahlkampf kaum abseits der gewohnten Bahnen. Dem Parlamentsmitglied Nestor Schufritsch (Partei der Regionen), der vor gut zwei Wochen in Odessa von einem rechten Mob krankhausreif geprügelt wurde, galten Eierwürfe.

Als erstes wirklich greifbares Ergebnis der seit der Nacht zum Freitag laufenden Gespräche zur Krimkrise konnte die Begrüßung der Präsidenten Russlands und der Ukraine am Morgen gelten. Wladimir Putin und Petro Poroschenko wechselten einen Händedruck. Dabei schauten sie sich an und nicht aneinander vorbei, wie bei früherer Gelegenheit.

Über den Umweg einer Mitteilung des EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy wurde eine Äußerung des Kremlchefs bekannt, die sich als politische Weichenstellung deuten ließ. »Putin hat klar zu verstehen gegeben, dass er kein zweites Transnistrien will und dass die Donbass-Region ein Teil der Ukraine ist«, wurde Rompuy in russischen und ukrainischen Medien zitiert. Das wäre die Absage an ein »Noworossija« als ein weiteres international ignoriertes Gebilde, wie die von Moldova abgespaltene Dnjestr-Republik (Transnistrien).

Auf italienische Diplomaten ging die Information zurück, Russland werde sich an der von Deutschland und Frankreich vorgeschlagenen Überwachung der russisch-ukrainischen Grenze mit Drohnen beteiligen. »Es gibt eine gemeinsame Verpflichtung für die Überwachung der Grenzen.« Details müssten aber noch besprochen werden.

Dazu könnte die Einsatzfähigkeit der Fluggeräte zählen. So wurde bezweifelt, dass die Drohnen im russisch-ukrainischen Winter und damit bei strengem Frost unter Minus 19 Grad eingesetzt werden könnten. »Das ist keine Panne, das ist Physik«, beschwichtigte der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums.

Der Russland-Koordinator der Bundesregierung, Gernot Erler, stellte den geplanten Drohnen-Einsatz der Bundeswehr aber grundsätzlich in Frage. Bei der Mission im Auftrag der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gebe es nicht nur technische, sondern auch erhebliche politische und rechtliche Hindernisse.

Ein nächtliches Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), zu dem Russlands Präsident aus Belgrad kommend deutlich verspätet eintraf, dauerte deutlich länger als geplant. Doch verwies der Sprecher Putins danach auf weiterhin »ernste Differenzen«. Die bestünden »mit Blick auf den Ursprung des internen ukrainischen Konflikts ebenso wie zu den tiefen Ursachen dessen, was derzeit passiert«, sagte Dmitri Peskow.

Dass Putin beim Thema Gasstreit zur Erläuterung Ziffern für Merkel auf ein Papier schrieb, dürfte eher der Klarstellung des Schulden- und Preisproblems mit der Ukraine und sicher keinem Einlenken gedient haben. Angedroht ist, dass Russland die Gaslieferungen Richtung Europa um genau die Mengen kürzen werde, die die Ukraine wie schon in früheren Jahren illegal aus den Leitungen zapfe. Der »zurückhaltende Fortschritt« im Gasstreit, den Poroschenko sah, bezog sich auf grundlegende Punkte für einen neuen Vertrag. Die Finanzierung müsse noch geklärt werden.

Aus Minsk meldete sich der Präsident von Belarus, Alexander Lukaschenko. Er blieb in der Mitte und nannte die Angliederung der Krim an Russland einen Fehler. Doch habe die Ukraine sich die den Verlust mit ihrer antirussischen Politik nach dem Machtwechsel im Februar selbst zuzuschreiben.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 18. Oktober 2014


Schatten über dem Gipfel

Olaf Standke über das eurasische Spitzentreffen in Mailand **

Bi- und multilaterale Gespräche am Rande eines Gipfels gehören zum Programm diplomatischer Spitzentreffen, aber in Mailand haben sie jetzt stark wie selten die eigentliche Veranstaltung überlagert. Medial fokussierte sich ohnehin alles auf die letztlich ertraglosen Begegnungen zur Beilegung der Ukraine-Krise, die dringend eine eigene hochrangige Dialogplattform benötigt. Und irgendwie schien sich die Enttäuschung über den ausbleibenden Durchbruch wie Mehltau auch über das ASEM-Gremium zu legen.

Dabei ist Asien für Europa längst nicht mehr allein als Handelspartner relevant, sondern auch ein wichtiger politischer Partner. Kampf gegen Klimawandel, Terror oder Ebola erfordert globales Agieren. Auf dem Gipfel wollten die 50 Staats- und Regierungschefs eigentlich tragfähige gemeinsame Antworten auf solche Herausforderungen finden. Sie fielen dürftig aus. Selbst mit Blick auf eine drohende weltweite Epidemie. Zwar wurde in der Abschlusserklärung eine umfassende und koordinierte Strategie gegen die Krankheit gefordert. Doch der internationale Ebola-Fonds ist bisher erst mit 100 000 Dollar gefüllt; notwendig wären aber eine Milliarde, so UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Das seuchengeplagte Afrika könnte also dringend mehr Hilfe aus Asien gebrauchen. Doch in der EU wird etwa ein stärkeres Engagement Pekings skeptisch gesehen, weil man noch mehr chinesischen Einfluss befürchtet.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 18. Oktober 2014 (Kommentar)


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