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Die Krim legt ab

Staatsduma ratifiziert Beitrittsvertrag. Kiewer Parlament verbietet Kontakte zur Krim. Regierung in Simferopol meldet Festnahme eines 17jährigen Scharfschützen

Von Reinhard Lauterbach *

Die russische Staatsduma hat am Donnerstag den Beitrittsvertrag mit der Republik Krim und der Stadt Sewastopol ratifiziert. Dafür stimmten 443 der 450 Abgeordneten. Am heutigen Freitag muß der Vertrag noch vom Föderationsrat gebilligt werden, dann geht er zur Unterschrift an Präsident Wladimir Putin. Mit dessen Signatur wird der Beitritt rechtsförmlich vollzogen. Das ganze Verfahren soll nach den Worten von Außenminister Sergej Lawrow bis zum Wochenende abgeschlossen sein. Am kommenden Montag will die Krim laut Angaben ihres Parlamentspräsidenten Wladimir Konstantinow vom Donnerstag offiziell den Russischen Rubel einführen. Die ukrainische Landeswährung Griwna soll bis Ende 2015 gleichberechtigt benutzt werden dürfen.

Das Kiewer Parlament begann ebenfalls am Donnerstag, sich in das Unvermeidliche zu fügen. Die Krim wurde zwar zur »vorübergehend besetzten Zone« erklärt, faktisch aber vollzieht die Ukraine eine scharfe Abgrenzung von der Krim, die sie gleichzeitig für sich beansprucht. So soll ein sogenanntes Gesetz über die Rechte der ukrainischen Staatsbürger auf der besetzten Krim alle mit Strafe bedrohen, die dort ohne Genehmigung aus Kiew ein Gewerbe betreiben oder auch nur Transportdienstleistungen anbieten. Jeder Bus- oder Taxifahrer von der Krim, der sich in die Ukraine wagt, riskiert damit mehrjährige Freiheitsstrafen und die Beschlagnahme seines Fahrzeugs, ebenso Ukrainer, die sich dabei erwischen lassen, von dort zurückzukommen. »Bewußtes und freiwilliges Zusammenwirken« mit den Behörden der Krim oder Rußlands gilt nach dem Gesetzentwurf als Kollaboration und wird als Hochverrat bestraft.

Auf der Krim geht das Tauziehen um die Stützpunkte der ukrainischen Armee weiter. Rußland hat den ukrainischen Militärs angeboten, sie zu ihren aktuellen Dienstgraden in die eigene Armee zu übernehmen. Ein Teil der ukrainischen Soldaten scheint dieses Angebot anzunehmen. Aus einer Kaserne in der Ortschaft Nowoosjorne zog dagegen ein komplettes Bataillon unter den Klängen der ukrainischen Hymne ab – unter Zurücklassung seiner Ausrüstung. Im Hafen von Sewastopol zogen drei kleinere Schiffe der ukrainischen Marine die russische Fahne auf. In der Marinebasis von Donuslaw im Norden der Krim verließen mehrere ukrainische Schiffe ihre Liegeplätze, um nicht von der Krim-Selbstverteidigung übernommen zu werden.

Nach Angaben der Krim-Regierung wurde inzwischen der mutmaßliche Scharfschütze festgenommen, der am Dienstag abend in Simferopol einen ukrainischen und einen Krim-Soldaten getötet und drei weitere verletzt hatte. Wie der stellvertretende Regierungschef Rustam Temirgalijew erklärte, soll es sich um einen 17jährigen aus der Westukraine handeln. Er habe in beide Richtungen geschossen, um Panik zu verbreiten. Die Information wurde von der Staatsanwaltschaft jedoch nicht bestätigt. Die Version Temirgalijews würde nämlich die unangenehme Frage aufwerfen, wie der mutmaßliche Attentäter einschließlich seiner Waffe an den seit dem 28. Februar militärisch gesicherten Kontrollpunkten vorbeikommen konnte. Der geschilderte Tatablauf entspräche dem, den Rußland für die Tage der Gewalteskalation in Kiew am 18. und 19. Februar annimmt: daß radikale Nationalisten auf Polizisten, aber auch eigene Leute schossen. Die ukrainische Regierung weigert sich, die Geschehnisse genauer zu untersuchen; dies hatte auch schon der estnische Außenminister Urmas Paet in seinem abgehörten Telefongespräch mit der EU-Außenbeauftragten Lady Ashton (vgl. jW vom 7. März) moniert.

* Aus: junge Welt, Freitag, 21. März 2014


»Die Einseitigkeit ist grotesk«

Über den Ukraine-Konflikt, die Rolle der deutschen Politik und die Berichterstattung in den hiesigen Medien. Ein Gespräch mit Iwan Rodionow **

Iwan Rodionow ist Chefredakteur der russischen TV-Nachrichtenagentur Ruptly, einer Tochter des Informationskanals Russia Today (RT). Das Foto zeigt Rodionow am Montag in der ARD-Talksendung »Hart aber fair« – das Hintergrundbild war so nur bei ihm zu sehen.


Mit Blick auf die aktuellen Zuspitzungen in der Ukraine, speziell auf der Krim: Wie beurteilen Sie diesen Konflikt? Wer sind die Hauptakteure?

Das Referendum auf der Krim war eine sehr voraussehbare Reaktion auf die Ereignisse in Kiew und auf die Machtergreifung durch Elemente, die im Grunde die eigene Bevölkerung hassen; von Rußland, russischer Kultur oder Sprache ganz zu schweigen.

Die Ukraine war immer schon gespalten, aber doch ein einheitliches Land – wenn diese Einheit auch zerbrechlich war. Inzwischen kann man von dieser Spaltung als einer Tatsache sprechen. Ein großer Teil der 46 Millionen Ukrainer, vor allem diejenigen, die in den östlichen Industriegebieten leben und die den Großteil des ukrainischen Bruttosozialprodukts erwirtschaften, spricht Russisch und will mit dem Nachbarland in guter, freundschaftlicher Beziehung leben. Andere Akteure befinden sich außerhalb der Ukraine und verfolgen andere Ziele. Das liegt natürlich sehr stark auf der Ebene von Verschwörungstheorien, aber daß da auf die Ereignisse in Kiew ganz massiver Einfluß von außen genommen wurde ...

... ist doch eine Tatsache. Ich würde da eher von Verschwörungs­praxis sprechen. Die aktive Rolle westlicher Politiker auf dem Maidan ist ja unbestritten. Im Lichte des Völkerrechts war das ein Verstoß gegen das Nichteinmischungsgebot.

Das waren stilistische Unschönheiten. Wenn man wie US-Diplomatin Victoria Nuland Kekse an Teilnehmer eines Aufstands verteilt oder ein deutscher Außenminister unter den vermeintlichen Revolutionären auftaucht und ihnen gleichsam den Rücken stärkt, ist das schon ein drastischer Ausdruck der doppelten Standards in den internationalen Beziehungen. Angenommen, ein Sergej Lawrow begäbe sich zur Roten Flora nach Hamburg oder am 1. Mai nach Kreuzberg – was gäbe das für einen Aufschrei. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die eigentliche Einflußnahme erfolgte natürlich unter der Oberfläche.

Die Rolle der faschistischen Kräfte, die auf dem Maidan aktiv waren und sind, wird hierzulande sehr unterschiedlich eingeschätzt. Grünen-Politiker wie Marieluise Beck oder Rebecca Harms sehen da offenbar keine Gefahr. Und Sie?

Also mit Verlaub, drei Minister in der neuen Regierung und ein Generalstaatsanwalt von der Partei »Swoboda«, der ukrainischen Version der NSDAP – ist das eine zu vernachlässigende Größe? Das überlasse ich den grünen Politikern. Direkt auf Swoboda angesprochen sagte übrigens Elmar Brok, Europaabgeordneter der CDU, daß er mit ihr gut leben könne, auch wenn sie nicht unbedingt seine Lieblingspartei sei. Aber solange sie zum Freiheitskampf und der Befreiung von der Diktatur beitrage ... Das finde ich schön. Herrn Brok oder die Kollegen von den Grünen würde ich gern fragen, unter welchen Bedingungen sie sich eine Zusammenarbeit etwa mit der NPD, der deutschen Bruderpartei von Swoboda, vorstellen können.

Wie empfinden Sie die Darstellung des Konflikts in den hiesigen Medien?

Die Einseitigkeit ist einfach nur grotesk. Jetzt sehen wir Demonstrationen in Charkow oder Donezk, wo die gleichen Polizisten, die in Kiew im Namen der Janukowitsch-Tyrannei auf Demonstranten eingeknüppelt haben, nun auf prorussische Demonstranten einprügeln. Und auf einmal gilt das als notwendige Ordnungs- oder Sicherheitsmaßnahme. Und die Demonstranten heißen Krawallmacher, nicht freiheitsliebende Bürger, und natürlich ist alles von Rußland geschürt und gesponsert. Und dazu diese Verniedlichung der rechtsradikalen Kräfte. Es scheint, als seien die deutschen Medien und die deutsche Politik auf dem rechten Auge blind.

In der Berichterstattung wird auch ein bestimmtes Rußland-Bild transportiert. Was empfinden Sie, wenn etwa die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in ihrer jüngsten Ausgabe mit der Karikatur eines finster dreinblickenden Bolschewiken aufmacht, angelehnt an das CDU-Motto: Alle Wege führen nach Moskau.

Diese Rußland-Hetze hat schon vor der Ukraine-Krise, zu den olympischen Winterspielen von Sotschi einen Höhepunkt erreicht. Die deutschen Medien machten sich frohlockend über jedes schräg angeschraubte Klo und jeden locker sitzenden Türgriff her, es war kaum zu überbieten. Dafür, daß Rußland jetzt ein altes neues Feindbild abgeben muß, habe ich insoweit Verständnis, als es dabei immer auch Profiteure gibt – vor allem natürlich in den USA. Wer erinnert sich noch, daß Präsident Obama kurz vor der Ukraine-Krise eine drastische Kürzung des Wehretats angekündigt hatte. Was ist daraus geworden? Jetzt wollen die Amerikaner die in Deutschland stationierten Atomwaffen kostspielig modernisieren.

Aller Hetze zum Trotz: Lange Jahre hindurch entwickelten sich die ökonomischen Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland gedeihlich und zum beiderseitigen Nutzen. Sogar von einer »strategischen Partnerschaft« war die Rede. Nun gibt es diesen Scherbenhaufen. Wie geht das zusammen?

Es gibt diesen tollen Dualismus in der deutschen Politik. Die Wirtschaft macht im stillen prächtig ihre Geschäfte mit Rußland, etwa 70000 Arbeitsplätze hängen in Deutschland direkt davon ab. Adidas allein macht Umsätze von zirka einer Milliarde Euro im Jahr. In den Medien und in der öffentlichen Politik wird eine andere Linie gefahren. Da heißt es dann gelegentlich von Gauck oder Merkel: Im Sinne einer »werteorientierten Politik« Klartext reden mit Rußland, das ja irgendwie dumm, rückständig und autoritär ist. Kurzum: Das ausufernde Rußland-Bashing in Medien und Politik läuft parallel mit einem sehr lukrativen Rußland-Geschäft, das außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung erfolgt und einen Jahresumsatz von 80 oder 90 Milliarden Euro verzeichnet.

Seit neuestem mischen sich auch andere Töne in die Debatte. Der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder etwa warnt vor Wirtschaftssanktionen, damit schadeten »wir uns« nur selbst. Andere werben um Verständnis für den russischen Standpunkt.

Aus meiner Sicht sind da die Gewichte etwas verschoben. In dieser konkreten Ukraine- und Krim-Frage ist Rußland kein Akteur aus eigenem Willen, sondern einer, der sich unter Zugzwang sieht. Bis vor kurzem hat Rußland in dieser Hinsicht keine aktive Rolle in dem Konflikt gespielt, sondern war eben in der Defensive. Auch wenn die hiesigen Medien da bis heute ein völlig anderes Bild vermitteln.

Und wenn Sie jetzt von anderen Tönen in der Diskussion über Sanktionen sprechen: Natürlich bringen diese Maßnahmen nie etwas Gutes, treffen immer die Falschen, das weiß man. In den Vereinigten Staaten dürften die Folgen weniger spürbar sein, deswegen haben sie auch gut reden und fordern ständig entsprechende Schritte.

Sie sind derzeit ein vielgefragter Gast in Talkshows, auch in großen Sendungen der Öffentlich-Rechtlichen. Wie ergeht es Ihnen in diesen Runden?

Bei den privaten Fernsehsendern geht es derzeit immer ziemlich ruppig zu. Da werde ich selbstverständlich regelmäßig anmoderiert als Chefredakteur eines von der russischen Regierung finanzierten Senders – obwohl wir kein Sender sind, aber egal ... Feinheiten interessieren da nicht. Bei den Öffentlich-Rechtlichen ist es nicht so aggressiv und auffällig. Aber auch dort wird mir immer mit erhobenem Zeigefinger begegnet: Der steht doch auf Putins Gehaltszettel ... Dabei kann man sich leicht ein Bild von unserer redaktionellen Unabhängigkeit machen, wenn man sich unsere Themenauswahl und die Palette unserer Videos ansieht. Im Angebot ist jeder Pussy-Riot-Auftritt, jede Femen-Aktion und jede Oppositionsdemo in Moskau oder Sankt Petersburg. Alles mögliche, was, wenn man jetzt in Stereotypen denkt, Putin oder Rußland im negativen Sinne darstellen sollte. Ich weiß nicht, ob Putin sich überhaupt drum kümmert.

Wie würden Sie die Frage der redaktionellen Unabhängigkeit mit Blick auf die namhaften deutschen Journalisten in großen Sendungen wie »Günter Jauch« oder »Hart aber fair« beurteilen?

Nun ja, entweder sind sie selbst durch die eigene Berichterstattung etwas indoktriniert. Viele sind aber auch durch bestimmte Stipendienprogramme gegangen: Atlantic Council, German Marshall Fund oder Konrad-Adenauer-Stiftung ... Die treiben einem natürlich bestimmte Denkweisen in den Kopf. Generell vermisse ich in den deutschen Medien sehr die Meinungsvielfalt, es läßt sich vielmehr von einem Meinungsdiktat sprechen: Alles, was gegen Rußland geht, paßt uns ins Bild. Alles, was eben nicht paßt, bleibt unberücksichtigt. Im Fall der Ukraine kam das besonders kraß und deutlich zur Geltung.

In welche Richtung wird sich der Konflikt in der Ukraine weiter entwickeln?

Ich glaube, die Spaltung der Ukraine war in dem Moment besiegelt, als am 22. Februar Janukowitsch verjagt wurde und die Putschisten sich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu einer Regierung aufgeschwungen haben. Was dann vom Westen auch weitgehend gebilligt und akzeptiert wurde – mit dem Resultat, daß es jetzt nicht einen Staat Ukraine mehr gibt, sondern zwei. Ich sehe diesen Konflikt eigentlich sehr, sehr düster. Die Zusammenstöße in der Ostukraine werden noch eine Weile andauern, und die neue »Regierung« wird vor nichts Halt machen, um die Proteste dort niederzuschlagen. Natürlich unter Duldung und mit großem Verständnis seitens des Westens. Ich befürchte, daß da mit sehr harten Bandagen gekämpft und noch viel Blut fließen wird.

Interview: Stefan Huth

** Aus: junge Welt, Freitag, 21. März 2014


»Swoboda«: Offener Brief zu Gysi-Rede

Von Frank Brendle ***

Oleg Pankewitsch, seines Zeichens Vizechef der »Swoboda«-Partei, wandte sich am Donnerstag in einem offenen Brief an die Abgeordneten des Bundestages. Darin monierte er, einige Äußerungen von Linksfraktionschef Gregor Gysi vorige Woche über die rechte Faschistentruppe seien »nicht objektiv«. Der Brief sagt einiges über die Denkweise eines prominenten Swoboda-Mannes aus. Schon die Bezeichnung als »faschistisch« sei reine »Propaganda von Kreml-Ideologen«, die Partei sei nur »nationalistisch«, so Pankewitsch. Gysi habe zudem ein Zitat von Parteichef Tjagnibok »verzerrt«. Tjagnibok wurde von Gysi mit dem Satz zitiert: »Schnappt euch die Gewehre, bekämpft die Russensäue, die Deutschen, die Judenschweine und andere Unarten.« Pankewitsch bestreitet die Äußerung keineswegs, er verteidigt sie, weil Tjagnibok damals, 2004, am Grab von »Kämpfern für die Unabhängigkeit der Ukraine« gesprochen habe. Gemeint sind Angehörige der »Ukrainischen Aufständischen Armee« (UPA), die ab 1941 Kommunisten, Russen, Polen und Juden jagte. Tjagnibok habe an jene Leute erinnert, »die Teil der Besatzungsarmee oder der Geheimdienste« gewesen seien und Schuld am Tod von Ukrainern trügen. Da ist, in Pankewitschs Augen, Mordhetze gegen Juden natürlich ein patriotischer Akt. Außerdem, so die knallharte Argumentation, sei Tjagnibok für diese Äußerung niemals verurteilt worden – das mag damit zu tun haben, daß 2005 die Präsidentschaft von Wiktor Juschtschenko begann, der bekanntlich ein großes Herz für die Nazikollaborateure hatte.

Pankewitsch ist bereits 1993 in die Partei eingetreten, damals firmierte sie noch als »Sozial-Nationale Partei«. Als Swoboda-Abgeordneter im Regionalparlament von Lwiw brüstete er sich mit der Fertigstellung des Bandera-Denkmals in der Stadt, der Einweihung von Gedenkstätten für die Faschistenmiliz UPA und gibt an, allein im Jahr 2012 seien »Hunderte« solcher Orte geschaffen worden.

Vor drei Jahren berichtete die Kyiv Post, der Mann habe mit zehn seiner Kameraden eine Polizeiabsperrung durchbrochen und sei auf Veteranen der Roten Armee losgegangen, die am 9. Mai ihren Sieg über die Faschisten feiern wollten. Seit 2012 sitzt er im nationalen Parlament.

Was der Mann unter »Freiheitskämpfern« versteht, zeigt am besten ein Video aus dem Sommer 2013: Da tauchte er als Redner bei einer grotesken Wiederbestattung der Gebeine von 16 früheren Söldnern der Waffen-SS-Division »Galizien« auf. Die wird von Swoboda genauso sehr geschätzt wie die UPA, ungeachtet ihres Eids auf Hitler. Stilgerecht wurde die Zeremonie durch Laiendarsteller in echten SS-Uniformen vorgeführt.

*** Aus: junge Welt, Freitag, 21. März 2014


Weitere Sanktionen gegen Moskau

US-Präsident Obama verkündet Ausdehnung der Strafmaßnahmen. EU sagt geplanten Gipfel mit Rußland ab ****

Die USA haben weitere Sanktionen gegen Rußland beschlossen. Es würden Strafmaßnahmen gegen weitere Regierungsbeamte, »einflußreiche« Russen sowie eine Bank verhängt, die diese Betroffenen materiell unterstützt, sagte US-Präsident Barack Obama am Donnerstag in Washington. Um welche Bank es sich dabei handelt, sagte er nicht.

Durch eine Anordnung Obamas sei ab sofort außerdem der Weg frei für Sanktionen gegen komplette Wirtschaftszweige in der Russischen Föderation. Damit haben die USA nun die Möglichkeit, auch den Gas- und Ölsektor mit Strafmaßnahmen zu belegen. Sanktionen gegen solche »Schlüsselsektoren« hätten »bedeutende Auswirkungen« auf die russische und die globale Wirtschaft, betonte Obama.

»Rußland muß wissen, daß es sich durch weitere Eskalation nur weiter von der internationalen Gemeinschaft isoliert«, drohte Obama. Zuvor hatte er eine US-amerikanische Militärintervention wegen der Krim ausgeschlossen. »Wir werden uns in der Ukraine nicht auf ein militärisches Eingreifen einlassen«, sagte er dem lokalen TV-Sender NBC 7 San Diego.

Rußland verhängte laut Spiegel online am Donnerstag Einreiseverbote gegen US-Politiker. Unter ihnen seien offenbar John Boehner, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Robert Menendez, demokratischer Vorsitzender des Senatsausschusses für Außenpolitik, sowie andere Senatoren und Regierungsvertreter.

Auf ihrem Spitzentreffen in Brüssel drohte die EU Moskau am Donnerstag mit Wirtschaftssanktionen, sollte sich die Lage weiter zuspitzen. Der für Juni geplante Gipfel der EU mit Rußland wurde abgesagt.

Die USA und die Ukraine wollen einem Bericht des britischen Guar­dian zufolge an ihrer für Juli geplanten gemeinsamen Militärübung »Rapid Trident« festhalten.

**** Aus: junge Welt, Freitag, 21. März 2014


Merkel: G8 gibt es vorerst nicht mehr

EU will die Sanktionen gegen Russland ausweiten

Von Aert van Riel *****


Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht Russland nicht mehr als Teil der G8. »Solange das politische Umfeld für ein so wichtiges Format nicht gegeben ist, gibt es die G8 nicht mehr, weder den Gipfel noch das Format als solches«, sagte die CDU-Chefin in ihrer Regierungserklärung zum Brüsseler EU-Gipfel, der am Nachmittag begann. G8-Staaten sind neben Russland und Deutschland die USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich und Italien. Die sieben Staaten haben die Vorbereitungen für das G8-Treffen im Juni im russischen Sotschi ausgesetzt. Zudem kündigte die Kanzlerin eine Verschärfung der Sanktionen an. Es sollten gegen weitere Russen und Ukrainer, die für die Krim-Krise verantwortlich sein sollen, Reisebeschränkungen und Kontensperrungen verhängt werden »Der EU-Rat wird deutlich machen, dass wir bei einer weiteren Verschärfung der Lage bereit sind, Maßnahmen der dritten Stufe einzusetzen. Dabei wird es auch um Wirtschaftssanktionen gehen«, sagte Merkel.

Allerdings könnten Wirtschaftssanktionen auch für EU-Staaten Probleme mit sich bringen, die auf Öl- und Gaslieferungen aus Russland angewiesen sind. Deswegen wollen die Staats- und Regierungschefs der EU diskutieren, wie man unabhängiger von russischen Energierohstoffen werden kann. Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter könne dies durch die Energiewende geschehen. Doch die werde von der Großen Koalition abgewürgt, kritisierte Hofreiter im Bundestag. Die Sanktionen gegen Russland befürwortete er ebenso wie den Stopp eines Exportgeschäfts des Rüstungskonzerns Rheinmetall durch das Bundeswirtschaftsministerium. Rheinmetall hatte geplant, in diesem Jahr eine neue, hochmoderne Gefechtsübungsanlage an die russische Armee zu übergeben. Hofreiter forderte ein generelles Waffenembargo gegen Russland. Fraglich ist aber, ob sich die EU-Staaten darauf einigen könnten. Frankreichs Regierung kündigte nun an, die für Herbst geplante Lieferung eines Kriegsschiffs nach Russland vorerst nicht zu stoppen.

Deutschland und andere westliche Staaten werfen Russland vor, mit dem Vorgehen auf der Krim das Völkerrecht gebrochen zu haben. Linksfraktionschef Gregor Gysi monierte indes, die Bundesregierung setze beim Völkerrecht unterschiedliche Maßstäbe an. Er wies hierbei auf die Abtrennung Kosovos hin. Ebenfalls völkerrechtswidrig sei die Besetzung Nordzyperns durch türkische Truppen 1974 gewesen. Anders als im Konflikt um die Krim, die unter Bruch des Völkerrechts Teil Russlands werde, seien gegen das NATO-Mitglied Türkei keine Sanktionen verhängt worden, so Gysi. »Aus dem Bruch von Völkerrecht kann im Völkerrecht Gewohnheitsrecht entstehen. Das ist nicht ungefährlich«, erklärte der LINKE-Politiker. Laut Gysi lägen Sanktionen gegen Russland im Interesse der USA, getroffen werde davon aber vor allem Deutschland. Weil sie sich darauf einlasse, warf Gysi der Bundesregierung »Duckmäusertum« gegenüber Washington vor.

***** Aus: neues deutschland, Freitag, 21. März 2014


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