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Obamas Notverordnungen

Der US-Präsident erließ in rascher Folge drei "Executive Orders". Sie könnten als juristische Grundlage für einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen Rußland fungieren. Die BRD, und damit die EU, soll dabei mitmachen

Von Knut Mellenthin *

US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben Rußland bei ihrem Treffen in Washington am vorigen Freitag mit einer qualitativen Verschärfung der Sanktionen gedroht. Zuvor hatten sie am Montag, getrennt voneinander, bereits neue Strafmaßnahmen bekanntgegeben. Das US-Finanzministerium setzte sieben Russen und 15 Unternehmen zusätzlich auf die schon seit Mitte März bestehende Liste. Damit ging die Obama-Administration erstmals in großem Maßstab gegen die russische Wirtschaft vor. Bis dahin befand sich als einziges wirtschaftliches Zielobjekt die Rossija-Bank auf der Liste. Sie steht allerdings nur ungefähr auf Rang 14 der russischen Geldinstitute. Die Eintragung bedeutet, daß die Guthaben der geächteten Personen und Unternehmen in den USA blockiert werden. Kein US-Bürger darf mit ihnen irgendwelche Geschäfte machen. Außerdem haben die auf der Liste stehenden Personen Einreiseverbot.

Darüber hinaus kündigten das Handels- und das Außenministerium der USA am 28. April an, daß sie künftig keine Lizenzen für den Export von militärischen Hochtechnologiegütern erteilen werden, die die Fähigkeiten der russischen Streitkräfte verstärken könnten. Bereits erteilte Genehmigungen dieser Art sollen widerrufen werden. Alle laufenden Verfahren auf diesem Gebiet waren, wie Sprecher der US-Regierung offiziell mitteilten, schon Anfang März vorläufig gestoppt worden.

Dagegen nehmen sich die neuen Sanktionen der EU vergleichsweise bescheiden aus. Der schwarzen Liste, auf der bereits 33 Russen und Ukrainer stehen, wurden 15 weitere Namen hinzugefügt. Die Konten der Betroffenen werden blockiert, und sie haben Einreiseverbot in allen Ländern der Union. Vor Maßnahmen gegen russische Unternehmen schrecken die europäischen Regierungen bisher zurück. Das ist nicht verwunderlich, da das Handelsvolumen der EU mit Rußland mehr als zehnmal so groß ist wie das der USA. Was die Exporte angeht, so ist Moskau der viertwichtigste Partner der EU – hinter den USA, China und der Schweiz. Dagegen liegt das Land für die USA als Kunde nur auf Platz 28. Kaum mehr als ein Prozent der US-amerikanischen Exporte geht dorthin. Insgesamt, Export und Import addiert, ist Rußland Nummer 20 unter den Handelspartnern der USA, aber Nummer drei unter denen der EU.

Entsprechend groß und scharf sind die Widersprüche zwischen den USA einerseits und den führenden Staaten der EU andererseits. Unter diesen nimmt Deutschland objektiv und den übereinstimmenden Äußerungen des gesamten politischen Spektrums der USA zufolge eine »Schlüsselstellung« ein. Wenn es der Obama-Administration tatsächlich gelänge, ihre konfrontative Sanktionsstrategie zur allgemeinen westlichen Richtlinie zu machen, könnte der US-Imperialismus seinen Konkurrenten erhebliche wirtschaftliche Schäden zufügen, während seine eigenen Einbußen überschaubar blieben.

Obama hatte also gute Gründe, Merkel auf der gemeinsamen Pressekonferenz am vorigen Freitag als »eine meiner engsten Partnerinnen« zu bezeichnen und Deutschland als »einen unserer stärksten Verbündeten« zu umwerben. Gerade weil die realen Interessengegensätze sehr groß sind, wird um so häufiger und schwülstiger die Einheit – oder, wie deutsche Politiker in schlechter Tradition gern sagen: der »Schulterschluß« – zwischen den USA und BRD beschworen. »Schulterschluß« war in der Propaganda während des Ersten Weltkrieges die Formel für das unbedingte Zusammenstehen des Deutschen Reichs und der Habsburger Monarchie. Ein naher Verwandte dieser sprachlichen Mißgeburt war die »Nibelungentreue«.

Noch vor der Bekanntgabe seiner jüngsten Sanktionen am 28. April hatte Obama die Verbündeten der USA telefonisch und öffentlich beschworen, eine »ungeteilte Front« zu bilden und sich dem vergleichsweise harten Kurs Washingtons anzuschließen. Herausgekommen war dabei jedoch nicht mehr als eine wenig präzise Absichtserklärung der G7 am 25. April. Der Runde führender Industriestaaten gehören neben den USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien auch Kanada und Japan an. Man nennt sich nun wieder G7, nachdem Rußland am 25. März strafweise ausgebootet wurde.

Energiesektor bleibt ausgespart

Auch wenn die Ende April verkündeten Maßnahmen der USA einerseits, der EU, Kanadas und Japans andererseits immer noch weit auseinanderlagen, besteht aber – Äußerungen aller Beteiligten zufolge – grundsätzliche Übereinstimmung, daß die Sanktionen der nächsten Stufe gegen Rußland erheblich schärfer ausfallen sollen. Darüber finden angeblich schon seit mehreren Wochen »Expertengespräche« und Verhandlungen unter Politikern statt. Außer Schlagworten wie »sektorale Sanktionen auf breiterer Basis« (Obama) ist jedoch noch nicht öffentlich bekannt, worum es dabei praktisch gehen soll. Am wahrscheinlichsten ist, daß sich die westlichen Staaten darauf verständigen könnten, bestimmte Hightech-Produkte vorläufig nicht mehr nach Rußland zu verkaufen oder vielleicht sogar Rüstungsgüter aller Art vom Export dorthin auszuschließen. Einige dieser Geschäfte, insbesondere der 2010 vereinbarte Kauf zweier französischer Kriegsschiffe der »Mistral«-Klasse, sind beim russischen Militär ohnehin sehr umstritten. Russische Kritiker argwöhnen, daß solche Entscheidungen auf Kosten der einheimischen Rüstungsindustrie gehen und daß bei diesem und anderen Geschäftsabschlüssen Bestechung eine wichtige Rolle gespielt habe.

Der Forderung politischer und journalistischer Scharfmacher, die »sektoralen Sanktionen« auch auf die russische Energiewirtschaft auszudehnen, erteilte Obama bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel am 2. Mai eine klare Absage: »Bedenken Sie, daß wir es im Zusammenhang mit den sektoralen Sanktionen mit einer ganzen Reihe von Problemen zu tun haben. Energie fließt von Rußland nach Europa. Das hörte selbst mitten im Kalten Krieg, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges nicht auf. Deshalb denke ich, daß die Vorstellung, man könne allen russischen Öl- oder Erdgasexporten den Hahn zudrehen, unrealistisch ist.«

Die US-amerikanischen Erdgasförderer machen sich zwar große Hoffnungen, Moskau langfristig Teile des europäischen Marktes abnehmen zu können. Die US-Regierung hat aber bisher aus strategischen Gründen an einer äußerst restriktiven Politik hinsichtlich des Exports von Energieträgern festgehalten. Das ist für die Verkäufer von Erdgas nicht zuletzt deshalb unangenehm, weil sie auf dem Weltmarkt deutlich höhere Preise als im eigenen Land erzielen könnten. Ihrer starken Lobby kommt die Ukraine-Krise gelegen, um eine Lockerung der Exportbestimmungen durchzusetzen und zugleich ökologische Widerstände, wie etwa gegen das umweltzerstörende Fracking (siehe jW-Thema vom 20.11.2013 und 9.4.2014) oder gegen Bohrungen in ausgewiesenen Naturschutzgebieten, mit nationalistischem Gebrüll über den Haufen zu rennen. Die Republikaner setzen sich dafür ein, Ausfuhren von Erdgas – dieses müßte für den Transport über See verflüssigt werden – in alle 159 Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation WTO zu erlauben. Bisher macht Washington Ausnahmen nur für Länder, mit denen ein Freihandelsabkommen besteht. Das sind lediglich 20.

Aber auf diesem Gebiet sind aus technischen Gründen keine schnellen Veränderungen möglich. Abgesehen von der Erleichterung des Genehmigungsverfahrens sind umfangreiche und längere Zeit erfordernde Investitionen notwendig, um Flüssiggas aus den USA und Kanada nach Europa liefern zu können. Vor Ende dieses Jahrzehnts wird daraus nicht viel werden, hat die US-Regierung den Europäern schon mitgeteilt.

Obamas »Executive Orders«

Unter welchen Voraussetzungen die angedrohten »sektoralen Sanktionen« in Kraft treten sollen, wurde bisher von den USA und ihren Verbündeten nicht klar und einheitlich definiert. Zunächst schien diese qualitativ neue Stufe der Strafmaßnahmen für den Fall konzipiert, daß Moskau in der Ostukraine militärisch interveniert. Inzwischen wurde die Schwelle jedoch, allem Anschein nach, weit nach unten abgesenkt.

Bei der Obama-Merkel-Pressekonferenz vor einer Woche gab es eine verwirrende Flut unterschiedlich formulierter Andeutungen. »Wenn die russische Führung ihren Kurs nicht ändert«, »wenn Rußland seinen derzeitigen Kurs beibehält«, wenn die Regierung »fortfährt, die Ostukraine zu destabilisieren und die in diesem Monat anstehenden Präsidentenwahlen zu stören«, »wenn wir sehen, daß die Störungen und die Destabilisierung so schwerwiegend weitergehen, daß sie die Wahl am 25. Mai behindern«, hieß es bei Obama.

Merkel schwadronierte zunächst sehr allgemein: »Sollte es nicht möglich sein, die Lage zu stabilisieren, werden weitere Sanktionen unvermeidlich.« »Ich hoffe, daß Rußland künftig seiner Verantwortung besser gerecht wird.« »In Europa haben wir eine Entscheidung getroffen, daß wir uns, falls es zu einer weiteren Destabilisierung kommt, zu einer dritten Stufe der Sanktionen bewegen werden.« Schließlich machte aber auch die Kanzlerin deutlich, daß das entscheidende Kriterium für sie offenbar das Stattfinden der geplanten ukrainischen Präsidentenwahl am 25. Mai ist. Dafür soll anscheinend allen Ernstes Rußland bei Strafandrohung in die Pflicht genommen werden.

Die Sanktionen des Westens sind bisher, was ihre direkten Auswirkungen auf die russische Wirtschaft angeht, nahezu bedeutungslos. Trotz dieser Tatsache sollte aber nicht ignoriert werden, daß Obama seiner Regierung in nicht einmal zwei Monaten ein Instrumentarium verschafft hat, das schon jetzt in mancher Hinsicht über die in mehr als drei Jahrzehnten eingeführten und laufend perfektionierten Maßnahmen gegen den Iran hinausgeht. Der Präsident hat in auffallend rascher Folge drei Anordnungen, sogenannte Executive Orders, erlassen, die die juristische Grundlage für einen umfassenden, beispiellosen Wirtschaftskrieg bilden könnten: am 6., am 16. und am 20. März. Alle drei Anordnungen berufen sich auf einen »nationalen Notstand«, »National emergency«. Damit ist man in den USA allerdings schnell zur Hand: Spätestens seit 1995 befindet sich das mächtigste Land der Welt ununterbrochen in irgendwelchen »nationalen Notständen«. In diesem Fall ist es die Entwicklung in der Ukraine, die laut Obamas Anordnungen »eine ungewöhnliche und außerordentliche Bedrohung der nationalen Sicherheit und der Außenpolitik der USA darstellt«.

Die erste, am 6. März erlassene Anordnung des Präsidenten, E.O. 13660, erlaubt lediglich Sanktionen gegen Individuen und Institutionen, die beschuldigt werden, »Frieden, Sicherheit, Stabilität, Souveränität und territoriale Integrität« der Ukraine zu bedrohen.

Die zweite Anordnung, E.O. 13661 vom 16. März, ist bisher die wichtigste. Sie ermöglicht Strafmaßnahmen gegen jeden leitenden Angehörigen des russischen Regierungsapparats und gegen sämtliche Staatsbetriebe. Ein direkter Zusammenhang zur Entwicklung in der Ukraine ist nicht erforderlich.

Die dritte Executive Order mit der Nummer 13662 gestattet darüber hinaus Sanktionen gegen alle russischen Banken, Energieunternehmen, Erz und Kohle fördernde Firmen, und gegen die gesamte Rüstungsindustrie, sowie gegen deren Eigentümer und Manager. Das Finanzministerium kann diese Liste jederzeit um weitere Wirtschaftszweige ergänzen. Von dieser Verordnung wurde noch kein Gebrauch gemacht.

Auf Grundlage dieser Verordnungen kann das Finanzministerium Personen, Unternehmen, aber beispielsweise auch ganze Zweige des russischen Regierungsapparats auf die schwarze Liste setzen. Betroffene Personen dürfen nicht in die USA reisen; eventuell in den USA vorhandene Konten oder andere Vermögenswerte werden »eingefroren«, also jedem Zugriff der Besitzer entzogen. Erstmals wurden am 16. März elf Personen, darunter Wladimir Putins enger Berater Wladislaw Surkow, auf diese Liste gesetzt.

In zeitlichem, aber nicht juristischem Zusammenhang mit dem Erlaß der E.O. 13662 wurde am 20. März auch ein russisches Unternehmen, die vergleichsweise unbedeutende Rossija-Bank, geächtet. Am 28. April erweiterte die zuständige Abteilung des Finanzministeriums, das Office of Foreign Assets Control (OFAC), die Liste unter Berufung auf die E.O. 13661 um sieben Personen und 17 Unternehmen. Darunter sind drei Banken, mehrere Firmen für Straßen- und Eisenbahntransporte, ein Unternehmen, das Pipelines baut, aber auch ein Hersteller von Mineralwasser und Softdrinks. Unter den Geächteten ist keines der wirklich großen und wichtigen russischen Unternehmen. Medienberichten zufolge haben die für die Liste ausgewählten Firmen gar keine oder nur eine geringfügige Geschäftstätigkeit in den USA.

Ökonomische Wirkung?

Über die angeblich verheerenden Auswirkungen der US-Sanktionen, die gerade erst zwei Monate in Kraft sind und deren praktische Umsetzung erst am 28. April auf ganz geringem Niveau begonnen hat, verbreiten Vertreter der Obama-Administra­tion wahre Wunderdinge. So erzählte ein anonymer Regierungssprecher während einer telefonischen Konferenzschaltung mit Journalisten, die an jenem Tag stattfand: »Die Tatsachen sprechen für sich selbst: Es hat in diesem Jahr bereits eine große Kapitalflucht aus Rußland gegeben. Die 60 Milliarden Dollar, die in diesem Jahr aus Rußland abgezogen wurden, übertreffen das gesamte abgeflossene Kapital des letzten Jahres.« Der Rubel habe seit Jahresanfang fast neun Prozent gegenüber dem Dollar verloren. Die Kurse an den russischen Börsen hätten sich schlecht entwickelt, Rußland müsse für Anleihen risikobedingt höhere Zinsen zahlen als Griechenland und Portugal, und dergleichen mehr.

Auch Obama referierte bei seiner gemeinsamen Pressekonferenz mit der deutschen Kanzlerin vor einer Woche scheinbar ernsthaft: »Der Rubel ist schon auf das nahezu niedrigste Niveau aller Zeiten gesunken. Die russischen Börsenkurse sind in diesem Jahr scharf gefallen. Rußland ist in eine Rezession abgerutscht. Investoren flüchten, und man schätzt, daß 100 Milliarden Dollar an Investitionen in diesem Jahr aus Rußland abgezogen werden.«

Ohne auf diese Behauptungen im einzelnen einzugehen, müßte selbst einem Schlichtdenker wie Obama bewußt sein, daß die Entwicklung nicht primär auf seine Anordnungen zurückzuführen sein kann, die höchstens zwei Monate alt sind. Am selben Tag, an dem er mit Merkel vor die Presse trat, hätte er in der New York Times lesen können: »Der Rubel und die russischen Börsenkurse fielen, bevor Präsident Obama mit dem Verhängen von Sanktionen begann. Tatsächlich stehen heute sowohl der Rubel als auch die Kurse ein klein bißchen höher als vor den ersten von ihm verkündeten Sanktionen. Rußlands wirtschaftlicher Abschwung fing vor jeder Aktion der USA oder der EU an, und bis zu einem gewissen Grad liegen seine Anfänge noch vor der Ukraine-Krise.«

Auf der anderen Seite ist es müßig, nach nur zwei Monaten Sanktionen, deren Umsetzung erst vor knapp zwei Wochen in sehr geringem Umfang begann, optimistische Spekulationen über die Wirkungslosigkeit der westlichen Maßnahmen anzustellen. Entscheidend ist, wie sich die Konfrontation weiter entwickelt und wie lange sie sich hinzieht. Die Schäden, die durch einen von den USA angeführten Wirtschaftskrieg gegen Moskau auch für die westlichen Ökonomien und Gesellschaften entstehen würden, liegen auf der Hand. Das bedeutet aber nicht unbedingt, daß der Westen dauerhaft davor zurückschrecken würde, falls Rußland den Konflikt durchzustehen versucht.

Verschärfung durch Republikaner

In der ersten Phase der Konfrontation hat die republikanische Opposition dem Präsidenten weitgehend freie Hand gelassen. Sie griff zwar regelmäßig Obamas Vorgehen als viel zu schwach und zögerlich an, verzichtete aber auf eigene parlamentarische Initiativen. Die bisher gegen Rußland verhängten US-amerikanischen Sanktionen beruhen ausschließlich auf den drei Anordnungen des Präsidenten, nicht auf vom Kongreß beschlossenen Gesetzen. Das stellt einen wichtigen Unterschied zur Entwicklung der Sanktionen gegen den Iran dar. Zumindest theoretisch könnte es dadurch Obama leichterfallen, die von ihm verhängten Maßnahmen auch wieder aufzuheben, ohne sich erst um die Zustimmung des Kongresses bemühen zu müssen.

Seit dem 30. April ist die Lage jedoch etwas verändert. An jenem Mittwoch stellten die führenden republikanischen Hardliner im Senat einen Gesetzentwurf vor, der eine massive Verschärfung der Konfrontation erzwingen soll. Bis zum folgenden Morgen hatten 22 der 45 republikanischen Senatoren den Antrag als Kosponsoren unterzeichnet.

Im Hintergrund steht, daß im November das ganze Abgeordnetenhaus und ein Drittel des Senats neu zu wählen sind. Die Republikaner, die schon das Abgeordnetenhaus sicher beherrschen, rechnen sich gute Chancen aus, dann auch die Mehrheit im Senat zu gewinnen. Die Washington Post prognostizierte am Montag 53 Sitze für die Republikaner und 47 für die Demokraten.

Der »Russian Aggression Prevention Act«, so der offizielle Name des angestrebten Gesetzes, sieht die rasche Belieferung der Ukraine mit Waffen im Wert von 100 Millionen Dollar vor. Darunter sollen Panzerbekämpfungs- und Luftabwehrsysteme sowie Handfeuerwaffen sein. Die Ukraine, Moldawien und Georgien sollen den offiziellen Status von »wichtigen Verbündeten außerhalb der NATO« bekommen. Das würde Waffenexporte dorthin erleichtern. In Polen und den drei baltischen Republiken sollen ständig internationale NATO-Verbände stationiert werden.

Neben den schon geächteten vier Banken sollen vier weitere russische Geldinstitute, die Energiekonzerne Gasprom und Rosneft sowie das staatliche Unternehmen für Waffenexporte, Rosoboronexport, auf die Sanktionsliste gesetzt werden. Für den Fall, daß nach der Krim weitere Regionen der Ukraine sich der Russischen Föderation anschließen, sieht der republikanische Gesetzentwurf drakonische Strafmaßnahmen vor. Alle russischen Staatsunternehmen sollen dann »vom Weltfinanzsystem abgeschnitten werden«. Das würde in der Konsequenz bedeuten, daß auch europäische Unternehmen kaum noch legale Geschäfte mit dem Land machen könnten.

Ein Abschnitt des republikanischen Gesetzentwurfs trägt dem Umstand Rechnung, daß Deutschland als »Schlüsselstaat« bei der Unterordnung der gesamten EU unter die US-amerikanische Führung betrachtet wird. Es müsse die Politik der USA sein, mit der deutschen Regierung »in bezug auf die globale und die europäische Sicherheit eng zusammenzuarbeiten, besonders im Licht der laufenden Ereignisse in Europa und Eurasien«, heißt es in Punkt 105. Zu diesem Zweck soll eine deutsch-amerikanische Arbeitsgruppe, genannt »Global and European Security Working Group«, gebildet werden, die sich auf unterer Arbeitsebene alle drei Monate und mindestens einmal im Jahr auf Außenministerebene trifft. Sie soll »sich mit der sich entwickelnden Lage in der Ukraine beschäftigen und die politische, wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit, einschließlich des nachrichtendienstlichen Informationsaustausches zwischen beiden Staaten, erhöhen.«

* Aus: junge Welt, Freitag, 9. Mai 2014


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