Syrien, Iran, Nordkorea - Wer ist als Nächster dran?
Von Clemens Ronnefeldt*
Wer wissen möchte, wie die Militarisierung der US-Außenpolitik in den
nächsten Jahren vermutlich aussehen und die Transformation des Nahen
und Mittleren Ostens weitergehen wird, findet in einem bisher viel zu
wenig beachteten Dokument Antworten: Es trägt den Titel "Rebuildung
America´s Defenses. Strategy, Forces and Resources For a New Century"
und wurde im September 2000 verfasst von einem der derzeit
maßgeblichen Think-Tanks der USA: Der 1997 gegründeten Gruppe "Project
for the New American Century". Zu den wesentlichen Autoren dieser
äußerst einflussreichen neokonservativen Gruppe gehören u.a. Paul
Wolfowitz, Lewis Libby, Stabschef von Vizepräsident Cheney, Jeb Bush,
Gouverneur in Florida und Bruder von Georg W. Bush, William Kristol,
Robert Kagan und John R. Bolton.
Ein wesentlicher Kernpunkt ihres Papiers ist Folgender: "Derzeit sieht
sich die USA keinem globalen Rivalen ausgesetzt. Die Grand Strategy
der USA sollte darauf abzielen, diese vorteilhafte Position so weit
wie möglich in die Zukunft zu bewahren und auszuweiten". Auf Seite 51
ihres Dokumentes, das die Dominanz der USA für die nächsten Jahrzehnte
zum Inhalt hat, findet sich vor dem Hintergrund des 11.9.2001 ein Satz
von fast hellseherisch-prophetischer Klarheit, geschrieben im
September 2000: "Further, the process of transformation, even if it
brings revolutionary change, is likely to be a long one, absent some
catastrophic and catalyzing event - like a new Pearl Harbor".
In US-Strategiepapieren verwenden Autoren wie Ronald D. Asmus, Kenneth
M. Pollack oder auch Zbigniew Brezinski den Begriff "Greater Middle
East", um die US-Interessen und den Zugriff auf Ressourcen von der
Golfregion über den Kaukasus bis nach Mittelasien hin zu beschreiben.
Der Lebensstil in den USA drängt zu neuen Kriegen
Um ihr Außenhandelsbilanz auszugleichen, brauchen die USA einen
täglichen(!) Kapitalzufluss von rund 2 Milliarden US-Dollar. Von den
Triademächten USA, Europa und Japan sind lediglich die beiden
letztgenannten in der Lage, die Waren, die sie konsumieren, auch zu
bezahlen - in völligem Kontrast zu den USA. Die Welt kann in weiten
Bereichen mehr und mehr auf die USA verzichten, diese aber nicht auf
den Rest der Welt.
Knapp 60 Jahre wirtschaftlicher Aufstieg Europas und Japans, dazu ein sich
wirtschaftlich langsam erholendes Russland, lassen das US-Imperium
immer mehr in Panik geraten und auf Schwächere losgehen: "Die
beschränkten wirtschaftlichen, militärischen und ideologischen
Ressourcen lassen den Vereinigten Staaten, wenn sie ihre Rolle als
Weltmacht behaupten wollen, keine andere Möglichkeit, als den kleinen
Mächten übel mitzuspielen. In dem an einen Alkoholiker erinnernden
Benehmen der amerikanischen Diplomatie steckt durchaus eine Logik. Das
wahre Amerika ist so schwach, dass es nur mit militärischen Zwergen
eine Konfrontation suchen kann. ... Seine wirtschaftliche Abhängigkeit
von der Welt macht auf die eine oder andere Art universelle Präsenz
notwendig" (S.168), schreibt Emmanuel Todd in seinem äußerst
aufschlussreichen Buch "Weltmacht USA. Ein Nachruf".
Schurkenstaaten sind Staaten, die nicht mehr in US-Dollar abrechnen
Bereits seit Ende des Jahres 2000 berechnete Irak seine tägliche
Ölförderung nicht mehr in Dollar, sondern in Euro. Iran verkauft
bereits seit geraumer Zeit sein Öl nicht mehr in Dollar, sondern zum
größten Teil in Euro. Nordkorea hat seine gesamten Devisen in Euro
eingewechselt, so eine dpa-Meldung am 12.11.02. China kündigte bereits
im November 2001 an, seine 200 Milliarden Dollar-Devisen-Reserve zu
einem großen Teil in Euro umzutauschen (1). Wenn diese Beispiele
Schule machen - und dies tun sie - ist der American way of life aufs
Höchste gefährdet.
Nur so lange der US-Dollar auf der gesamten Welt akzeptiert wird, kann
die US-Wirtschaftspolitik mitsamt dem ständigen Drucken von neuen
Dollarscheinen ohne Ängste vor einer instabilen Währung funktionieren.
Mit diesem Mechanismus schöpfen die USA seit Jahrzehnten nicht
unerhebliche Reichtümer anderer Volkswirtschaften in der Welt
ungeniert ab und transferieren sie in ihr eigenes Land. Für die
US-Wirtschaft war in der Vergangenheit sehr vorteilhaft, dass die im
arabischen Raum eingesetzten US-Dollar zur Begleichung der
US-Ölrechnungen oft wieder in Rüstungsgeschäfte investiert und somit
"recycelt" wurden. Dieses Verfahren kommt mit dem Euro als neuer
Weltwährungskonkurrenz nun an seine Grenzen.
Derzeit sind drei Staaten besonders gefährdet, unter die Räder des im
Niedergang begriffenen US-Imperiums zu kommen: Syrien, Iran und
Nordkorea.
Syrien
Syrien, etwa halb so groß wie Deutschland, allerdings mit 17,2
Millionen Einwohnern weitaus dünner besiedelt, trägt schon länger aus
US-Sicht das Etikett "Schurkenstaat".
Richard Perle sagte der International Herald Tribune Mitte April 2003,
im Falle eines Waffenfundes in Syrien würden die USA verlangen, dass
diese abgegeben werden müssten, um die Bedrohung zu beseitigen. Falls
dies nicht geschehe, "würde wohl keiner ausschließen wollen, dass wir
die volle Breite unserer Möglichkeiten ausschöpfen". Da es keinerlei
UN-Mission oder UN-Resolution bezüglich der Suche oder gar Zerstörung
syrischer Massenvernichtungswaffen gibt, stellt sich die offene Frage,
an welches durchführende Organ Richard Perle dabei gedacht haben mag.
Auf journalistische Nachfragen, ob die Anschuldigungen gegen Syrien in
einen neuen Krieg münden könnten, antwortete Georg W. Bush: "Wir sind
nun hier im Irak. Und als zweiten Punkt erwarten wir Kooperation von
Syrien. Und ich bin zuversichtlich, dass wir Zusammenarbeit erhalten".
Mit der Baath-Partei im Irak ist die syrische Baath-Partei seit vielen
Jahren verfeindet. Wie die Washington Post am 21.6.02 berichtete,
kooperierte die syrische Regierung mit der CIA bei der Verfolgung von
Al Quaida-Terroristen.
Seit der Endphase der Krieges gegen Irak wirft die US-Regierung
Präsident Baschar al-Assad ein ganzes Bündel von Verfehlungen vor:
-
Syrien habe angeblich Rüstungsgüter während des jüngsten Krieges an
Irak geliefert.
- Syrien kooperiere immer noch mit dem gestürzten Regime von Saddam Hussein.
- Syrien beherberge Mitglieder der irakischen Führung.
- Syrien produziere Massenvernichtungswaffen.
- Syrien unterstütze Terroristen.
Entscheidend für die scharfen Töne Washingtons ist derzeit
wahrscheinlich der letzte Punkt: "Darin sind sich alle Politiker in
der Region einig: Die USA legen der syrischen Führung jetzt nicht
wegen der möglichen Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen die
Daumenschrauben an. Vielmehr zielten sie auf die Ausschaltung
radikaler Gruppen ab, die Damaskus unterstützt und die eine Lösung des
Nahost-Konflikts nach den Vorstellungen Israels torpedieren könnten.
Das sind allen voran die palästinensischen Islamisten-Organisationen
Hamas und Dschihad, mehrere militante linke palästinensische
Splittergruppen sowie die pro-iranische Schiitenmiliz Hisbollah in
Südlibanon", berichtete die FR am 15.4.03.
Konkret soll wohl Syrien zum Verzicht auf die von Israel seit 1967
völkerrechtswidrig annektierten Golanhöhen gezwungen werden. Damit
kämen die Vertreter der "Groß-Israel"-Forderungen sowohl in den USA
als auch in Israel einen großen Schritt weiter. Bei einem US-Angriff
würde die letzte unmittelbar betroffene Regionalmacht ausgeschaltet,
die diesem Vorhaben im Wege steht.
Statt eines neuen Krieges gegen Syrien bräuchte die Gesamtregion eine
Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes durch eine starke Vermittlung
von außen, die eine Zwei-Staaten-Lösung mit Ostjerusalem als
Hauptstadt der Palästinenser, eine gerechte Lösung für die
palästinensischen Flüchtlinge in Jordanien, Syrien und Libanon
durchsetzt sowie für eine Überwindung der wirtschaftlichen und
sozialen Unterschiede zwischen Israelis und Palästinensern sorgt.
Iran
Am 3.1.2002 fingen israelische Behörden ein angeblich aus Iran
kommendes Schiff mit Waffen für die Palästinensische
Autonomieverwaltung ab. Dies wurde sowohl in Israel als auch in den
USA als Unterstützung Teherans für den internationalen Terrorismus
gewertet. Der US-Sondergesandte - ehemals für Afghanistan, seit Ende
2002 für Irak - Zalmay Khalilzad, Mitbegründer des New American
Century-Pojektes, warf am 19.1.2002 dem Iran vor, Waffen an bestimmte
warlords in Afghanistan zu schicken, Afghanistan destabilisierende
Gruppen zu finanzieren sowie Mitglieder der Revolutionären Garden zu
entsenden. Er betonte, dass Irans Politik sich auf "das Prinzip der
Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten Afghanistansł gründen
müsse.
Die Aufnahme in die Länderreihe der "Achse des Bösenł erfolgte, obwohl
die iranische Regierung den Bombenkrieg der US-Regierung in
Afghanistan unterstützte und überdies anbot, abgestürzte US-Piloten zu
bergen. Sogar einen Hafen für US-Hilfslieferungen hatte Teheran
geöffnet. Neben Ägypten ist Iran nicht nur der bevölkerungs-, sondern
auch einer der einflussreichsten Staaten der Region. Iran bemühte
sich auf diplomatischer Ebene Kontakte zu US-Verbündeten wie Kuwait,
Saudi-Arabien und Pakistan aufzubauen, was Washington missfällt.
Besonders stört Washington die bereits fertig gestellte Gaspipeline
aus Turkmenistan in den Iran sowie die Tatsache, dass die iranische
Regierung mit Indien über den Bau einer Pipeline verhandelt.
Die US-Airforce soll "gemäß israelischer Quellen derzeit einen
befestigten, mit Untergrundbunkern ausgestatteten Militärflughafen
nahe Herat im Westen Afghanistans einrichten. Für Angriffe gegen Irak
wäre dieser Stützpunkt nur begrenzt brauchbar, liegt doch die Basis
rund 110 Kilometer von der iranischen Grenze. Anzahl und Ausmaß der
US-Stützpunkte in Zentralasien übersteigen das für den
Anti-Terror-Kampf notwendige. Für Einsätze gegen Iran wären auch sie
hingegen ideal"(2), schrieb Sidney E. Dean bereits im September 2002.
In einem 204 Seiten starken Bericht des US-Außenministeriums über die
"Paten des globalen Terrorismus" vom Mai 2002 wurde Iran als aktivster
staatlicher Terrorunterstützer beschrieben. Die Islamischen
Revolutionären Garden und die iranischen Geheimdienste seien in
Terroranschläge insbesondere im Rahmen der palästinensischen Intifada
verstrickt, ebenso in Afrika, der Golfregion und in Zentralasien. Die
israelische Regierung hat angekündigt, dass sie nicht bereit ist, die
Inbetriebnahme eines derzeit noch in der Bauendphase befindlichen
Atomkraftwerkes in Iran hinzunehmen. Auch die US-Regierung wird dem
baldigen Anfahren des Reaktors wohl nicht gleichgültig
gegenüberstehen.
Am 23.4.03 warnte die US-Regierung Iran davor, Agenten unter die
schiitische Bevölkerung Iraks zu mischen. Die einflussreichste
schiitische Oppostionsgruppe im Irak, Sciri, lehnt bewaffnete
Widerstandsaktionen gegen die alliierten Besatzungstruppen im Irak ab.
Je mehr die rhetorische Schärfe gegenüber Teheran zunimmt, desto
größere Schwierigkeiten wird der von Präsident Khatami eingeleitete
Reformprozess zu überwinden haben, desto mehr Menschen werden in die
Hände der religiösen Führer getrieben.
Nordkorea
Nordkorea, von Hans W. Maull als "Zombi-Staat" bezeichnet, unterhält
trotz größter Armut und Verelendung im Land eine Armee von mehr als
einer Million Soldaten ohne Reservisten. Ein Sechstel des
Bruttosozialprodutes fließt in den Militärsektor, mehr als 600
Jagdflugzeuge und mehr als 300 Transportflugzeuge und Hubschrauber,
zwischen 100 und 500 Scud-Raketen sowie die Entwicklung von Mittel-
und Langstreckenraketen machen den Staat zu einer beachtlichen
Militärmacht.
Nach Angaben des südkoreanischen Verteidigungsministeriums lagern in
Nordkorea zwischen 2.500 und 5.000 Tonnen chemischer und biologischer
Waffen. Der US-Verbündete Pakistan steht in engem Austausch mit dem
"Achse-des-Bösen-Staat" Nordkorea. "So gibt es Anlass zur Vermutung,
dass Nordkorea im Austausch für die Lieferung von Raketentechnologien
an Pakistan von diesem wissenschaftliches und technisches Know how für
das neue Programm zur Urananreicherung erhalten hat" (3).
Lediglich 40 Kilometer von der nordkoreanischen Grenze entfernt liegt
die südkoreanische Hauptstadt Seoul mit ihren 11 Millionen Einwohnern,
die im Falle eines Angriffes auch von US-Truppen nicht zu verteidigen
wären. Weil Nordkorea nicht nur über Atomwaffen verfügt, sondern auch
mit seiner Armee bei weitem nicht so leicht zu besiegen wäre wie das
sehr viel schwächere Irak, werden die US-Strategen wohl nicht so
schnell mit einer Bodentruppen-Invasion beginnen: "Vorsichtige
Schätzungen gehen davon aus, dass eine eine halbe Million US-Soldaten
umfassende US-Streitmacht in einem Krieg gegen Nordkorea binnen 90
Tagen mit mindestens 50.000 Gefallenen allein auf Seiten des
Expeditionskorps zu rechnen hätte" (4).
Die Spannungen der jüngsten Zeit beruhen zu einem großen Teil auf der
Nichteinhaltung des am 21.10.1994 unterzeichneten "Agreed Framework"
durch die USA und Nordkorea. Darin verpflichtete sich Nordkorea,
seinen Forschungsreaktor, seine Brennelementefabrik und eine im Bau
befindliche Wiederaufarbeitungsanlage stillzulegen sowie den Bau
zweier neuer Atomreaktoren zu stoppen. Im Gegenzug für diesen Verzicht
sollte die Regierung in Pjönjang bis zum Jahre 2003 zwei
Leichtwasserreaktoren mit 2000 Megawatt Leistung erhalten, um den
defizitären Energiebedarf zu decken. Finanziert werden sollte dies
von dem internationalen KEDO-Konsortium, hinter dem vor allem Japan
und Südkorea stehen. Die US-Regierung selbst verpflichtete sich, bis
zur Fertigstellung der beiden Leichtwasserreaktoren jährlich 500 000
Tonnen schweres Heizöl sowie Lebensmittel zu liefern und die
verhängten Sanktionen zu liften.
Aus heutiger Sicht haben beide Seiten Vertragsbrüche zu verantworten.
Nordkorea forschte wohl seit 1995 im Geheimen doch an
Uran-Anreicherungsprogrammen weiter, auf der anderen Seite ließ die
Asienkrise von 1997 die Geldströme Japans und Nordkoreas für das
KEDO-Programm versiegen. Die US-Regierung hielt ihre Handelszusagen
und Lieferverträge nicht ein, weil der Druck des Kongresses zu stark
war.
Nordkorea kam wohl auch deshalb auf die Liste der Länder der "Achse
des Bösenł, weil die stalinistisch-kommunistische Regierung in
Pjönjang nach Ansicht der US-Regierung bei Zugeständnissen im Rahmen
der Inspektion von Nuklearanlagen und weit reichenden Raketen
Washington nicht genügend entgegenkam. Der zweite wichtige Grund hat
weniger mit Nordkorea als mit der innenpolitischen Situation in den
USA zu tun: Je mehr die US-Regierung den Konflikt gegenüber Nordkorea
verschärft, desto größer wird die inneramerikanische Unterstützung für
die Raketenabwehrbefürwortung. "Die potenzielle nordkoreanische
Raketenbedrohung diente dabei als willkommenes Feigenblatt, um nicht
öffentlich einräumen zu müssen, dass das Abwehrprogramm eigentlich
gegen die wachsende Bedrohung durch chinesische Raketen gerichtet
istł, so Hans-Joachim Schmidt von der Hessischen Stiftung für
Friedens- und Konfliktforschung (in: FR-Dokumentation, 19.2.2002).
Sollte die nordkoreanische Regierung sich auf den
Normalisierungsprozess gegenüber Südkorea einlassen, auf die
Wiederaufnahme von Raketentests ab 2003 verzichten, seine beiden
Leichtwasserreaktoren für Inspektionen der Internationalen
Atom-Energie-Behörde in Wien öffnen und der Chemiewaffenkonvention
beitreten, käme die US-Regierung mit ihrer Raketenabwehrlegitimation
gehörig ins Schleudern.
Am 24.4.03 trafen sich zum erstenmal seit Okotober 2002 wieder US-und
nordkoreanische Diplomaten - allerdings auf niedriger Ebene. Die
Gespräche waren belastet durch "Zeitungsartikel, denen zufolge die USA
aktiv einen Regimewechsel in Nordkorea durchsetzen wollen. Die New
York Times zitierte ein internes Memorandum aus dem Weißen Haus,
demzufolge die USA gemeinsam mit China auf einen Sturz von Kim Jong Il
hinarbeiten sollten" (FR, 23.4.03). Gestützt auf hochrangige Quellen
in Washington hatte die australische Zeitung "The Australian"
berichtet, dass die USA Pläne für einen Militärschlag gegen das
Atomzentrum Yongbyong ausgearbeitet hätten.
Vor diesem Hintergrund kommt einer vermittelnden EU-Politik größte
Bedeutung zum. Die EU hat zwar ein großes Interesse am Handel mit
beiden Ländern, ist allerdings ansonsten weitaus "neutralerł gegenüber
beiden Koreas als die USA und hat erhebliche Einflussmöglichkeiten auf
einen Entspannungsprozess. Insbesondere eine Aufgabe auch der
Regierung in Berlin wäre, darauf zu achten, dass der gegenseitige
Prozess der Information über militärische Vertrauensbildung zwischen
Seoul und Pjönjang nicht wieder völlig abreist. In beiden Koreas
besteht vereinzelt Bereitschaft, speziell aus der deutschen
Wiedervereinigung zu lernen.
Ein Ausweg aus der jetzigen total verfahrenen Situation könnte die
Einberufung einer regionalen Friedens- und Sicherheitskonferenz
darstellen, an deren Ende die hoffnungsvoll begonnene
"Sonnenschein-Politik" des ehemaligen südkoreanischen Präsidenten Kim
Dae-Jungs doch noch in einen Friedens- und Stabilitätspakt mündet. Die
Wahrscheinlichkeit eines US-Angriffes auf Nordkorea sinkt auch in dem
Maße, wie der Nachfolger Kim Dae-Jungs, Präsident Roh, den Kurs seines
Vorgängers neu aufgreift.
Fazit: Die USA und mit ihr die gesamte Welt stehen vor einer
Zeitenwende
"Schauen wir zu, wie das gegenwärtige Amerika seine verbliebenen
Kräfte im `Kampf gegen den Terrorismus´ vergeudet als Ersatz für den
Kampf zur Verteidigung einer Hegemonie, die nicht mehr existiert. Wenn
Amerika weiter darauf beharrt, seine Allmacht zu demonstrieren, wird
es schießlich der Welt nur seine Ohnmacht enthüllen", schreibt
Emmanuel Todd am Ende seines bereits zitierten Buches.
Statt dem Geschehen nur zuzuschauen, empfiehlt ein anderer derzeitiger
Bestseller-Autor, Chalmer Johnson, in seiner Analyse "Ein Imperium
verfällt. Ist die USA am Ende?" der US-Führung eine Reihe konkreter
Schritte, um aus ihrer offensichtlichen Krise einen Ausweg zu finden:
"Anpassung an und Unterstützung der Rückkehr Chinas als bedeutende
Macht auf die weltpolitische Bühne; Aufnahme diplomatischer
Beziehungen zu Nordkorea und Abzug der Bodentruppen aus Südkorea,
Begleichung der bei den Vereinten Nationen noch ausstehenden Beiträge;
Förderung der globalen wirtschaftlichen Diversität statt der
Globalisierung der Weltwirtschaft; Beendigung der
Handel-für-Militärbasen-Deals mit den reichen ostasiatischen Ländern,
nötigenfalls auch gegen deren Willen; Aufwertung des Begriffs
`Verteidigung´ im Verteidigungsministerium und dafür Sorge tragen,
dass es seinem Namen auch gerecht wird; einseitige Reduzierung des
Atomwaffenarsenals und Verkündigung des prinzipiellen Verzichts auf
einen atomaren Erstschlag; Unterzeichnung und Ratifizierung des
Landminenvertrags, Unterzeichnung und Ratifizierung des Vertrags über
die Einrichtung eines Internationalen Kriegsverbrechertribunals".
Falls diese Schritte nicht eingeleitet werden, sieht Johnson eine
Beschleunigung des Zerfalls des US-Imperiums. Sein Schlusssatz deckt
sich mit der scharfsinnigen Analyse Emmanuel Todds: "Die Vereinigten
Staaten sehen sich gerne als den Sieger des Kalten Krieges. Aller
Voraussicht nach werden die, die in einem Jahrhundert zurückblicken,
keinen Sieger erkennen können, vor allem dann nicht, wenn die
Vereinigten Staaten weiter an ihrem derzeit imperialen Kurs
festhalten".
Bleibt zu hoffen, dass das absehbare Ende des US-Imperiums nicht mehr
all zu viele Kriege, Tote und weiteres unsägliches Leiden wie im Irak
nach sich zieht.
Anmerkungen-
Vgl. dazu: Behrooz Abdolvand und Matthias Adolf, Verteidigung des
Dollar mit anderen Mitteln. Der `Ölkrieg´ im Kontext der kommenden
Währungsbipolarität, in: Blätter für deutsche und internationale
Politik, 2/2003.
-
Sidney E. Dean, Blick nach Amerika, in: Europäische Sicherheit
9/2002, S. 31.
-
Hans J. Giessmann, Nordkorea - Washingtons "Next Target"?, in:
Wissenschaft und Frieden 2/2003, S. 32.
-
Hans J. Giessman, a.a.O., S. 30.
* Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungbundes
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