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Cameron macht Schotten dicht

Großbritannien will Flüchtlingen den Weg durch den Eurotunnel über Calais verbauen

Von Von Meike Stolp, London *

Welche und wie viele Flüchtlinge sie ins Land lassen, möchten die Briten selbst entscheiden. Deshalb will die Regierung sieben Millionen Pfund investieren, um die Sicherheitsmaßnahmen auf französischer Seite zu verbessern.

Am Eurotunnel in Calais, der Frankreich und damit das europäische Festland mit der Insel Großbritannien verbindet, spielen sich dramatische Szenen ab. Verzweifelte Flüchtlinge suchen nach einem Weg ins Königreich, einige wenige haben es sogar geschafft. Und die britische Regierung sucht nach einem Weg, den Zustrom aufzuhalten.

7 Millionen Pfund (9,8 Millionen Euro) wird Großbritannien nun erstmal in die Sicherheit des Eurotunnels investieren. Mit dem Geld sollen unter anderem die Zäune um den Tunnel verstärkt werden. Das teilte die Regierung am Dienstag mit. Frankreich schickt erst einmal 120 weitere Polizisten nach Calais, um das Grundstück um den Tunneleingang zu sichern.

Die britische Innenministerin Theresa May hat nach einem Treffen des Krisenstabs des britischen Kabinetts auf die Dringlichkeit hingewiesen, die Zahl der Migranten, die den riskanten Versuch unternehmen, durch den Tunnel zu kommen, zu verringern. Es müsse schlussendlich aber das Ziel sein, die Kette der Migranten zu durchbrechen, die von Afrika nach Europa kommen, »dass wir die Verbindung kappen, dass diese Menschen die gefährliche Reise auf sich nehmen«.

Die Lage »ist sehr besorgniserregend«, sagte Premierminister David Cameron bereits am Dienstag in Singapur. Tatsächlich vergeht kaum ein Tag in Großbritannien, in dem die Medien nicht über den Status quo am Eurotunnel berichten: Verzweifelte Menschen verstecken sich in Lastwagen, um sich in diesen ins Königreich zu schmuggeln und springen kurz hinter der Grenze ab. In der Nacht auf Dienstag sollen 2000 Flüchtlinge versucht haben, den Tunnel zu stürmen, um ins Vereinigte Königreich zu gelangen. In der Nacht auf Mittwoch sollen es 1500 gewesen sein. Ein Mann ist bei dem Versuch sogar gestorben.

Die Flüchtlinge aus Sudan, Eritrea, Afghanistan und anderen Ländern erhoffen sich in Großbritannien bessere Chancen auf Asyl - und bessere Lebensbedingungen als in Frankreich. Deshalb, so der britische Premierminister, arbeite Großbritannien eng mit der französischen Regierung zusammen. »Wir haben Geld in die Zäune um Calais investiert und wir werden auch einen Sicherheitszaun um den Eingang des Tunnels in Coquelles errichten. Wir tun also, was wir können. Wir wissen, wie wichtig das ist.«

Das weiß auch der Betreiber der Ärmelkanalunterführung, Eurotunnel. Denn der sieht den Handlungsbedarf klar bei den Regierungen: »Das ist ein Problem, das die Regierungen lösen müssen«, sagte ein Sprecher der Aktiengesellschaft, »sie müssen den Strom an Migranten von Calais aus unterbinden. Doch es scheint so, als ob das zu viel für sie ist.« Fast jede Nacht hätten die Tunnelbetreiber mit dem Problem zu tun. Zwar sei keiner der Waggons beschädigt worden, aber Menschen seien verletzt worden. »Wir versuchen hier, ein Geschäft zu betreiben.«

Es gibt in Großbritannien aber auch Stimmen, die sich laut und öffentlich fragen, warum sich Großbritannien überhaupt in den Grenzkonflikt einmische - auch finanziell. Der Abgeordnete Damian Collins beispielsweise, der für den unmittelbar betroffenen Wahlbezirk Folkestone und Hythe an der Ostküste im Unterhaus sitzt, sagte etwa dem Radiosender BBC 4: »Die französischen Behörden haben Menschen erlaubt, in den Kanaltunnel einzubrechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ähnliche laxe Sicherheit an Flughäfen oder anderen empfindlichen Orten gibt.« Doch May verteidigt die Zusammenarbeit. Man werde bei diesem speziellen Problem weiter zusammenarbeiten sowie mit dem Betreiber Eurotunnel. Das Auswärtige Amt in London hat britischen Reisenden empfohlen, andere Häfen anzusteuern, zum Beispiel Le Havre.

* Aus: neues Deutschland, Donnerstag, 30. Juli 2015


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