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Strategie des Terrors

"Islamischer Staat" nimmt syrischen Militärflughafen ein. Außenminister Muallem erklärt Bereitschaft seines Landes zur Zusammenarbeit im Kampf gegen IS

Von Karin Leukefeld *

Der syrische Außenminister Walid Muallem hat am Montag in Damaskus erklärt, ­Syrien sei unter bestimmten Bedingungen zu einer Kooperation im Kampf gegen den Terrorismus bereit. Voraussetzung sei, daß die Charta der Vereinten Nationen eingehalten werde, sagte Muallem auf eine entsprechende Frage von Journalisten. Die US-Regierung hatte angekündigt, daß die US-Luftwaffe auch in Syrien Angriffe auf Stellungen des »Islamischen Staat« fliegen könnte. Muallem ging nicht explizit auf diese Ankündigungen aus Washington ein sagte aber, man müsse sich »koordinieren«, um Fehler zu vermeiden. Syrien sei ein souveräner Staat, dessen Luftwaffe Angriffe abwehren würde. Auf der Basis der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 sei man aber regional und international zur Kooperation bereit. Die Resolution verurteilt Menschenrechtsverletzungen von »extremistischen Gruppen in Irak und Syrien«. Die von westlichen Staaten gemachte Unterscheidung in »moderate« und »terroristische« Kampfverbände in Syrien wies Muallem als »absurd« zurück. Jeder, der Waffen gegen den Staat einsetze und Zivilisten töte, handele »terroristisch«.

Kampfverbände des »Islamischen Staats« (IS) sollen im Osten Syriens den Militärflughafen Tabqa eingenommen haben. Der Flughafen sei unter Kontrolle von IS, sagte Rami Abdul Rahman von der »Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte« in London. Die IS-Kämpfer hätten den Flughafen am Sonntag morgen eingenommen, während die syrische Luftwaffe weitere Angriffe geflogen habe. Der Flughafen Tabqa sei »die letzte Basis der syrischen Armee« in der Provinz Rakka, die Leichen von »Dutzenden Soldaten« lägen herum. Die Gotteskrieger hätten auch »einige Kontrollpunkte übernommen«. An einem hätten sie den Kopf eines Soldaten aufgespießt, den sie zuvor enthauptet hätten, so Abdul Rahman. Eine offizielle Erklärung der syrischen Streitkräfte liegt nicht vor.

Die Beobachtungsstelle ist für westliche Medien meist die einzige Quelle über Geschehnisse in Syrien. Ihr Leiter gibt an, seine Informationen von »einem weiten Netzwerk von Personen in Syrien« zu beziehen. Möglicherweise kommen die Informationen von IS-Kämpfern, möglich ist auch, daß sich Geheimdienstkräfte in den Reihen von IS befinden, die die Beobachtungsstelle informieren. Möglich ist weiterhin, daß Geheimdienste Mobilfunk und Funkgeräte der militärischen Akteure abhören oder daß Personen im Umfeld des IS die Berichte verbreiten. Die Informationen werden mit Fotomaterial der Nachrichtenagenturen Reuters oder AFP unterlegt, die Bilder stammen von namentlich nicht genannten »freien Mitarbeitern« von vor Ort.

Der australische Geheimdienstchef David Irvine hatte kürzlich eingeräumt, daß australische Staatsbürger zu den »Top- Propagandisten« der IS gehörten, die in »nie dagewesenem Umfang« die brutalen und hochemotionalen Botschaften des »Islamischen Staat« in sozialen Medien verbreiteten. »Syrien und Irak sind soziale Medienkriege«, sagte Irvine. Mit Twitter und Facebook erreichten die Kriege die Menschen überall und radikalisierten junge Leute. Nach offiziellen Angaben kämpfen 150 Australier in Syrien und Irak. Aus Deutschland sollen es mehr als 400 sein.

Die professionelle Nutzung der »sozialen Medien« sei wesentlicher Teil des Erfolgs der Gruppe, analysiert der libanesische Journalist Ali Hashim, Chefkorrespondent des Nachrichtensenders Al-Mayadeen in Beirut. Schamlos zeigten sie Enthauptungen und andere Greueltaten, offen sprächen sie ihre Haltung aus. Mit dieser Strategie der Einschüchterung könnten sie Gegner in die Flucht jagen, »ohne einen Schuß abzufeuern«. Zwar seien nicht wenige der Geschichten, die verbreitet würden, erfunden, dennoch dienten sie dazu, Anhänger zu rekrutieren und Sponsoren zu finden. IS verfüge über Online- und Printmedien, die unter dem Dach von »Al-Furqan-Media« versammelt seien, so Ali Hashim. Regelmäßig würden dort neue Videos verbreitet. Die erste Rede des selbsternannten Khalifen, Al-Baghdadi sei per Twitter angekündigt und unmittelbar darauf per YouTube ins Netz gestellt worden.

* Aus: junge Welt, Dienstag 26. August 2014


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