Gefechte in Schutzzone
Harsche Kritik von Syriens UN-Botschafter an Türkei und Saudi-Arabien. Al-Nusra-Front dringt weiter auf den Golan vor
Von Karin Leukefeld, Damaskus *
Bei einer Debatte über die Gefahren des internationalen Terrorismus im UN-Sicherheitsrat hat der Botschafter Syriens, Baschar Al-Dschafari, am vergangenen Mittwoch Saudi-Arabien und die Türkei scharf angegriffen: Staaten, die den Terror gegen ein anderes Land unterstützten, unterliefen den internationalen Antiterrorkampf. Der UN-Sicherheitsrat habe zudem versagt, weil er entgegen den eigenen Resolutionen 2170 und 2178 nichts gegen diese Staaten unternehme.
Ein Probleme sei, dass die Unterkomitees, die mit der Umsetzung der Resolutionen befasst seien, unter »großer Geheimhaltung« arbeiten würden, kritisierte Dschafari. Zudem sei es nicht akzeptabel, dass UN-Beamte den Begriff »moderate Opposition« bei Gruppen benutzen würden, die als »terroristische Organisationen« gelistet seien. Und obwohl Syrien mehrfach gefordert habe, dass die Staaten der US-Koalition gegen den selbsternannten »Islamischen Staat« (IS) ihre Angriffe mit Syrien koordinieren müssten, handele die »Koalition« eigenmächtig.
Die Zerstörung von Öl- und Gasanlagen durch die Luftangriffe bedeute einen enormen Verlust für die syrische Ökonomie und behindere den Wiederaufbau. Es sei zudem bekannt, dass Saudi-Arabien Al-Qaida und andere »terroristische Organisationen« unterstütze. 72 saudische Geistliche würden derzeit Muslime aufrufen, als Gotteskrieger für den »Dschihad« in Syrien zu kämpfen.
Seit Beginn der US-geführten Luftangriffe im September seien monatlich mehr als 1.000 ausländische Kämpfer von der Türkei aus nach Syrien geschleust worden. Der UN-Sicherheitsrat müsse mehr tun, um Staaten, die den Terror in Syrien forcierten, zu stoppen, sagte Dschafari.
Kaum beachten würde der UN-Sicherheitsrat auch die Lage auf den syrischen Golanhöhen. »Früher sind wir jedes Wochenende zum Picknick nach Breika oder Bir Adscham gefahren«, erzählt Abu Ala, dessen Familie 1967 von den israelischen Truppen vom Golan vertrieben worden war. »Die Menschen lebten dort wie eine große Familie zusammen.« In den von ihren Bewohnern aus Angst vor der Gewalt der Al-Nusra-Front verlassenen Häusern hätten sich nun Kämpfer und mit ihnen kooperierende Beduinen einquartiert.
Der Abzug der UN-Soldaten am 15. September ist eine der größten Niederlagen der Vereinten Nationen im Konflikt in und um Syrien. Die Blauhelme waren zuvor mehrfach von der Al-Nusra-Front und anderen Kampfverbänden bedroht und entführt worden. Seit 1974 hatten UN-Friedenstruppen (UNDOF) die entmilitarisierte Zone zwischen Syrien und den von Israel 1967 besetzten und später annektierten Golanhöhen kontrolliert, ohne dass es zu Zwischenfällen gekommen war.
Seit Ende 2012 waren unter den Augen der UNDOF, Syriens und Israels Kampfverbände aus Jordanien in die entmilitarisierte Zone vorgedrungen. Sie hatten ein Dorf nach dem anderen angegriffen. Die Bevölkerung floh. Heute kontrolliert die Al-Nusra-Front etwa 80 Prozent der entmilitarisierten Zone; Anfang November lieferte sie sich Gefechte mit Drusen am nördlichen Ende der UN-Schutzzone, nahe dem Libanon. Aktuell versuchen die Kämpfer, die Provinzhauptstadt des Golan einzunehmen. Kuneitra liegt nur knapp 60 Kilometer von Damaskus entfernt.
»Israel dürfte der eigentliche Nutznießer des Geschehens auf dem Golan sein«, sagte Abu Ala gegenüber der Autorin in Damaskus. »Sie wollten den Golan seit 1967 und haben alle internationalen Resolutionen zur Rückgabe an Syrien ignoriert.« Die israelische Hilfe für die Al-Nusra-Front und andere islamistische Kämpfer war in deutschen Medien noch als »Verschwörungstheorie« abgetan worden. Heute ist die Zusammenarbeit offensichtlich. Ausländische Kämpfer gelangen von Jordanien oder durch Israel direkt auf den syrischen Teil des Golan, mindestens 500 verletzte Kämpfer wurden in israelischen Krankenhäusern versorgt.
Den Rückzug der UN aus dem syrischen Teil der entmilitarisierten Zone sei »mehr symbolisch«, wiegelte Ehud Eiran, Politikprofessor an der Universität Haifa, in der Washington Post ab. Es sei lediglich »eine Ära zu Ende gegangen, in der die UN das Gleichgewicht zwischen zwei konventionellen Armeen überwacht« habe.
* Aus: junge Welt, Samstag, 22. November 2014
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