Moderat bewaffnet
Kerngruppe der "Freunde Syriens" tagte in London. Sorge über radikale Islamisten
Von Karin Leukefeld *
Nur zwei Tage nach dem Rücktritt von Syrien-Sondervermittler Lakhdar Brahimi sind am Donnerstag die Außenminister der Kernstaaten der »Freunde Syriens« in London zusammengekommen. Dieser »London 11« gehören Ägypten, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Jordanien, Katar, Saudi-Arabien, Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate und die USA an. Sie traten erstmals Ende 2011 in Erscheinung, um die syrische Opposition zu unterstützen. Die Kerngruppe gibt den politischen Kurs der »Freunde« gegenüber der Arabischen Republik vor. Zuletzt hatte sie sich Anfang Januar über das Vorgehen der von ihr unterstützten »Nationalen Koalition« (Etilaf) bei den inzwischen auf Eis liegenden Genfer Friedensgesprächen beraten.
Auf der Tagesordnung des gestrigen Treffens standen »Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, um das humanitäre Leid in Syrien zu lindern«, wie das US-Außenministerium in Washington mitteilte. Man wolle diskutieren, wie »die moderate Opposition unterstützt« und »ein politischer Übergangsprozeß« beschleunigt werden könne. Die Sprachregelung ist unverändert: Verantwortlich für das Geschehen in Syrien sind die politische Führung (»Regime«) und Präsident Baschar Al-Assad, die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen sind eine »Farce«.
Die Etilaf, die von den »Freunden Syriens« als einzige legitime Vertretung des Landes anerkannt wurde, ist inzwischen fast ständiger Gast bei den Treffen der »London 11«. Zu der Konferenz am Donnerstag war Koalitionspräsident Ahmed Dscharba direkt aus Washington eingeflogen, wo er aus Sicht des US-Außenministeriums »erfolgreiche« Gespräche geführt hatte. Die »Zusammenarbeit und Koordination« mit der Etilaf solle vertieft werden, sagte ein hoher Beamter des Ministeriums. Bei Treffen mit den Ausschüssen für Auswärtige Politik, Verteidigung und für die Geheimdienste hatte Dscharba für mehr Geld sowie für Lieferung von modernen Waffen für seine Kampfverbände geworben.
Die US-Administration hatte die US-Vertretung der Etilaf kürzlich diplomatisch aufgewertet und ihr den Status einer ausländischen Mission verliehen. Mit mehr als 27 Millionen US-Dollar »nicht-tödliche Hilfe« sollen zudem die »logistischen Fähigkeiten« der »moderaten bewaffneten Gruppen« in Syrien gestärkt werden. Hier allerdings gehen die Meinungen der Kernstaaten auseinander. Nach Ansicht der US-Administration sind Saudi-Arabien, Katar und die Türkei bei ihrer Unterstützung von Kampfverbänden in Syrien zu weit gegangen. Es ist ein offenes Geheimnis, daß extremistische Gruppierungen wie die Al-Nusra-Front und ISIL (Islamischer Staat im Irak und in der Levante) von diesen drei Staaten finanziert werden.
Die libanesische Tageszeitung As Safir beschrieb Anfang der Woche eine ungewöhnliche Übereinstimmung zwischen Befürwortern und Gegnern der syrischen Regierung beim Kampf gegen islamistische Extremisten in Syrien. Die Führung in Damaskus und die Armee bekämpfen demnach die radikalen Organisationen, weil diese den »Kern der Kampfkraft der Opposition und die Speerspitze des regionalen Krieges« darstellten, den Saudi-Arabien, die Türkei, Katar und die USA gegen Syrien führten. Washington und die EU-Staaten ihrerseits bekämpften die Extremisten, weil diese an der Grenze Europas eine reale Gefahr darstellten und zudem den erfolgreichen Aufbau einer »moderaten bewaffneten Opposition« behinderten.
* Aus: junge welt, Freitag 16. Mai 2014
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