"Unglaubwürdig"
Vor geplanten Präsidentschaftswahlen: »Freunde Syriens« setzen Damaskus unter Druck
Von Karin Leukefeld *
Die Kerngruppe der »Freunde Syriens« nimmt die für Juni vorgesehenen Präsidentschaftswahlen in Syrien zum Anlaß, die syrische Regierung erneut unter Druck zu setzen. Sie beruft sich dabei auf eine Aussage des Sondervermittlers für Syrien, Lakhdar Brahimi, der kürzlich erklärt hatte, er glaube nicht, daß »die gesamte Opposition« im Fall von Wahlen in Syrien »noch weiter daran interessiert sein wird, mit der Regierung zu verhandeln«.
Die Amtszeit von Präsident Baschar Al-Assad läuft im Juni nach sieben Jahren aus, was von der Verfassung her Neuwahlen erforderlich macht. Laut der neuen Verfassung, die während der zweiten Amtszeit von Assad (2012) in Kraft trat, kann ein Präsident nur einmal wiedergewählt werden. Beobachter gehen davon aus, daß Baschar Al-Assad erneut kandidieren könnte, er selber hat sich dazu nicht geäußert. Die kürzliche Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes durch das Parlament deutet darauf hin, daß die Wahlen fristgerecht stattfinden und damit der verfassungsrechtliche Prozeß aufrechterhalten werden soll.
Der Vorsitzende der »Syrischen Nationalen Koalition«, Ahmed Jarba, hatte bereits Anfang März erklärt, daß die »Genfer Verhandlungen ihr Ziel verlieren, wenn Assad seinen Plan umsetzt und bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren« sollte. Das bedeute, daß »das Assad-Regime kein ernsthaftes Interesse an einer politischen Veränderung hat, wie es die Genfer Vereinbarung vorsieht«, hieß es in einer Erklärung von Jarba gegenüber dem UN-Sicherheitsrat.
Die Kerngruppe der »Freunde Syriens« griff diese Aussage Jarbas geradezu wörtlich auf und erklärte, daß jede »einseitige Entscheidung des syrischen Regimes, die Präsidentschaftswahlen abzuhalten (…) vollkommen unvereinbar mit der Aufforderung der Genfer Vereinbarung (sei), eine Übergangsregierung einzusetzen«. »Wahlen, die vom Assad-Regime organisiert werden«, würden die Demokratie verspotten und deutlich machen, daß das »Assad-Regime« an den Gesprächen in Genf nicht interessiert sei. Das »syrische Regime« müsse »aufhören, den Genfer Prozeß zu behindern und sich eindeutig zu allen Elementen der Genfer Vereinbarung (30.6.2012) bekennen«, heißt es weiter in der Erklärung, die vor wenigen Tagen in New York verabschiedet wurde. Die Ankündigung eines neuen Wahlrechts in Syrien sei »unglaubwürdig«; »Baschar Al-Assad (wolle) mit diesen Wahlen nur seine Diktatur festigen«. Der beste Weg zu einer politischen Lösung in Syrien sei dagegen die »vollständige Umsetzung der Genfer Vereinbarung«.
Der ehemalige UN-Sondervermittler für Syrien, Kofi Annan, war Anfang August 2012 von seinem Posten zurückgetreten und hatte seine Entscheidung mit der zunehmenden Militarisierung des Konflikts in Syrien und der »internationalen Uneinigkeit« begründet. Letzteres umschrieb das Verhalten der USA, Großbritannien und Frankreichs, wie Annan später gegenüber dem deutschen Dokumentarfilmer Hubert Seipel (»Die Syrien-Falle«) deutlich machte. Diese Staaten hatten erst unterschrieben und dann eigene Vorbedingungen formuliert. Damit sei die Umsetzung der Vereinbarung verhindert worden. Präsident Assad müsse abtreten, hatte die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton unmittelbar nach der Unterzeichnung der Erklärung erklärt. Die Forderung, die in dem Text nicht enthalten ist, gilt seitdem für die Kerngruppe der »Freunde Syriens« und die von ihnen unterstützte »Nationale Koalition der oppositionellen und revolutionären Kräfte« als Grundbedingung für jeden politischen Prozeß.
Die »Freunde Syriens« waren von den USA, Großbritannien und Frankreich im Herbst 2011 ins Leben gerufen worden. Eine erste große Konferenz fand im Februar 2012 mit über 100 Staaten und UN- sowie internationalen Nichtregierungsorganisationen in Tunis statt. Inzwischen wird die Politik der »Freunde Syriens« von der Kerngruppe bestimmt, die wie eine parallele Struktur zum UN-Sicherheitsrat agiert. Hintergrund ist, daß sich die westlichen Vetomächte (USA, Großbritannien, Frankreich) im UN-Sicherheitsrat nicht gegen die beiden anderen Vetomächte Rußland und China durchsetzen können. Die Arbeit eines Sondervermittlers zu Syrien, der von den Vereinten Nationen und der Arabischen Liga beauftragt wurde, wird damit ad absurdum geführt. Der Kerngruppe gehören neben den USA, Großbritannien und Frankreich auch Deutschland, Italien, Jordanien, Katar, Saudi-Arabien, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate an.
* Aus: junge Welt, Montag, 7. April 2014
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