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Zu Gast bei Freunden

Präsident der syrischen "Nationalen Koalition" zu Besuch in der Bundesrepublik. Unterstützung aus Berlin gefordert

Von Karin Leukefeld *

Khaled Khoja wirkt trotz seiner 50 Jahre jugendlich. Der Präsident der »Nationalen Koalition für oppositionelle und revolutionäre Kräfte in Syrien« (Etilaf) verbreitete auch bei seinem gestrigen Besuch im Bundesaußenministerium in Berlin den Eindruck, für frischen Wind zu sorgen. Etilaf ist die Wunschopposition der »Freunde Syriens«, jener Staaten um Frankreich und die USA, zu denen auch die Bundesrepublik gehört, die einen gewaltsamen Sturz des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad unterstützen.

Khoja stammt aus Damaskus, lebt aber seit rund 25 Jahren in der Türkei. Nach zweimaligen Festnahmen Ende der 1980er Jahre schickte seine Familie ihn zunächst nach Libyen und dann zum Studium in die türkische Hafenstadt Izmir. 1994 schloss er sein Medizinstudium ab.

Spätestens seit dem Beginn der Unruhen in Syrien 2011 hat Khoja seine turkmenischen Wurzeln wieder entdeckt. Gleich im März 2011 schuf er eine »Solidaritätsplattform«; im Oktober des gleichen Jahres war er auch bei der Gründung des »Syrischen Nationalrates« dabei, einer Vorläuferorganisation der »Nationalen Koalition«, deren Präsident Khoja seit Januar 2015 ist.

Khoja gilt als Mann des Türkei-Flügels der Muslimbruderschaft. Bevor er mit 56 Stimmen – der Gegenkandidat erhielt 50 Stimmen – zum Präsidenten der »Nationalen Koalition« gewählt wurde, war er deren »Botschafter« in der Türkei.

Anders als seine Vorgänger wird Khoja ein Jahr lang im Amt des Präsidenten verweilen. Die »Nationale Koalition« hatte bei ihrer letzten Versammlung die Amtszeit von sechs auf zwölf Monate verlängert.

In seiner ersten öffentlichen Erklärung als Präsident der »Nationalen Koalition« hatte Khoja den innersyrischen Gesprächen in Moskau eine Absage erteilt. Mit dem »Assad-Regime«, wie er die Regierung in Damaskus nennt, werde es keine Verhandlungen geben, außer über die »reale und vollständige politische Transformation« des Landes.

Auch die Initiative des UN-Sondervermittlers für Syrien, Staffan de Mistura, erklärte er für falsch: »Weil das ›Assad-Regime‹ Vereinbarungen nicht hält«, sagte Khoja. Seine Priorität sei, »das Leid des syrischen Volkes zu beenden«. Unter seinem Vorsitz werde sich die »Koalition« wieder mehr auf die Lage im Land konzentrieren, denn »dort leben die Menschen, die uns legitimieren«.

Um die neue Linie umzusetzen, will Khoja die »diplomatischen Beziehungen mit internationalen Akteuren« erneuern. Schwerpunkt dabei sind mehr Waffen für die »Freie Syrische Armee« (FSA) und mehr Geld für die von der »Nationalen Koalition« gewählte »Exilregierung«. Diese hat ihren Sitz in der unweit der syrischen Grenze gelegenen südtürkischen Stadt Gaziantep.

Dass der »Islamische Staat« (IS) ein Rekrutierungsbüro in unmittelbarer Nachbarschaft unterhält und seine Kriegsverletzten in Krankenhäusern der Stadt versorgen lässt, stört die »Exilregierung« offenbar wenig. Ebenso wie die westlichen Koordinationsstellen, die dem selbsternannten Kabinett von Gaziantep »logistische Hilfe« bei der Umsetzung humanitärer Projekte im Norden Syriens, den so genannten »befreiten Gebieten«, leisten.

Nach einem Besuch beim französischen Präsidenten François Hollande am 5. März erklärte Khoja in Gaziantep, er habe Hollande um die Lieferung von Luftabwehrwaffen gebeten. Die »Nationale Koalition« sei dabei, »die ›Freie Syrische Armee‹ neu aufzustellen, damit diese im politischen Entscheidungsprozess eine größere Rolle spielen kann«, sagte Khoja. »3.000 ehemalige Regimeoffiziere und 20.000 Polizisten« sollten dabei »den Kern einer Armee und eines Polizeiapparates bilden«.

Am gestrigen Dienstag wurde Khaled Khoja von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Auswärtigen Amt in Berlin empfangen. Im Interview mit Spiegel online formulierte Khoja bereits seine Wünsche an die Bundesregierung: »Wir unterhalten zehn Ministerien in den von uns kontrollierten Gebieten. Fünf davon arbeiten bereits und leisten wichtige Arbeit für die Bevölkerung. Wir benötigen dafür aber die Hilfe der westlichen Staaten.«

Ob es dabei auch um eine Ausbildermission deutscher Polizisten in Gaziantep oder Militärberater für die »Freie Syrische Armee« gehen soll, ist unklar. Die Bundesregierung kontrolliert zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten einen von den »Freunden Syriens« eingerichteten Geldfonds, der ausschließlich für diese Strukturen eingerichtet worden ist.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 18. März 2015


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