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Syriens Chemiewaffen-Entsorgung stockt

Russische Einheit steckt im Depot, US-Spezialschiff fern vom Mittelmeer, Rebellen lehnen Feuerpause ab

Von René Heilig *

Die vereinbarte Zerstörung syrischer Chemiewaffen verzögert sich. Kämpfe, schlechtes Wetter und logistische Probleme behindern den Abtransport. Damaskus trifft keine Schuld.

Man sei einsatzbereit, doch derzeit werde sein Schiff nicht gebraucht, erklärte der Kommandant der norwegischen Fregatte »Helge Ingstad« am Jahresende und setzte sich von der syrischen Küste ab. Gemeinsam mit dem dänischen Mehrzweckschiff »Esbern Snare« und einem noch zu benennenden britischen Kriegsschiff sollte die »Ingstad« die Sicherung der Chemiewaffen auf dem Weg nach Italien übernehmen. Dort will man die Container auf das US-Navy Schiff »Cape Ray« umladen. Es ist ausgerüstet mit Anlagen zur Vernichtung der Massenvernichtungswaffen auf hoher See. Doch es soll nach letzten Erprobungen erst am 3. Januar von Portsmouth (Virginia) Richtung Mittelmeer auslaufen.

Der von der Organisation zur Vernichtung der Chemiewaffen OPCW veröffentlichte Plan basiert auf einer UN-Resolution. Er sah vor, dass 500 Tonnen der gefährlichsten Munition spätestens am 31. Dezember syrisches Gebiet verlassen haben sollen. Weitere 800 Tonnen müssen bis zum 5. Februar folgen.

Die UNO hatte bereits am Samstag eingeräumt, dass das Datum »wahrscheinlich« nicht einzuhalten sei. Die syrische Regierung schaffe es nicht, die »Ware« rechtzeitig in die Küstenstadt Latakia zu bringen. Als Gründe wurden anhaltende Kämpfe, schlechtes Wetter sowie logistische Probleme angeführt.

Das US-Außenamt räumte ein, dass das Vorhaben kompliziert sei. Doch es liege in der Verantwortung von Machthaber Bashar al-Assad, dass die Waffen nach Latakia gebracht und auf je ein dänisches und ein norwegisches Ro-Ro-Schiff verladen werden.

Die Sicherung in Territorialgewässern übernehmen eine chinesische und eine russische Fregatte. Auch der Transport nach Latakia erfolgt mit russischen Fahrzeugen. Moskau stellt 50 Allradfahrzeuge, 15 gepanzerte Lkw und 20 Schützenpanzer bereit.

Nur ein geringer Teil des Transportgutes besteht aus einsatzfähiger Munition. Die meisten Chemikalien sind Ausgangsprodukte binärer Sprengköpfe, die erst beim Mischen gefährlich werden. Dennoch muss gesichert werden, dass die Komponenten nicht in die Hände von Milizen gelangen.

Bislang war es nicht möglich, zwischen den Bürgerkriegsparteien zeitlich und örtlich begrenzte Feuerpausen zu vereinbaren, damit die Konvois rollen können. Vor allem die radikal-islamischen Milizen lehnen Gespräche ab, und Al Qaida nahestehende Gruppen nutzen jede Chance zur weiteren Destabilisierung der Lage. Erst am 24. Dezember sollen Rebellen nach Angaben aus Damaskus C-Waffenstandorte angegriffen haben.

So seltsam es klingen mag – die Unnachgiebigkeit hat auch mit geplanten Friedenssondierungen zu tun. Jede Seite versucht, vor den schwierigen Gesprächen bessere Ausgangspositionen zu schaffen. Ob die Gespräche überhaupt wie geplant am 22. Januar in Montreux stattfinden können, ist zudem höchst fragwürdig.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 2. Januar 2014


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