UN-Mission in Syrien wird umstrukturiert
Ban Ki-moon für Abbau der Mission / Kofi Annan gegen einseitige Schuldzuweisungen
Von Karin Leukefeld *
Angesichts der schwierigen Lage in Syrien, soll die UN-Beobachtermission (UNSMIS) neu strukturiert werden. Über das Wie gibt es allerdings verschiedene Vorstellungen. Ein Waffenstillstand, der durch Vermittlung des UN-Sondergesandten für Syrien, Kofi Annan, am 12. April in Kraft getreten war, wird seit Wochen sowohl von Regierungstruppen als auch von Aufständischen missachtet. Darum war die Mission am 15. Juni vorübergehend ausgesetzt.
Die Gewalt habe ein beispielloses Ausmaß angenommen, sagte der militärische Leiter der Mission, General Robert Mood bei einer Pressekonferenz Ende letzter Woche in Damaskus. Das behindere „unsere Möglichkeit zu beobachten, die Wahrheit herauszufinden und zu berichten“, wurde Mood deutlich. Auch die Möglichkeit, beim Zustandekommen eines „lokalen Dialogs zu helfen“ sei beeinträchtigt. Man werde sich den Gegebenheiten anpassen, „um den Bedürfnissen und Hoffnungen der Syrer zu dienen“. Sobald die Mission wieder aufgenommen werden könne, werde UNSMIS die „Präsenz in Regionalen Teams verstärken“. Dadurch solle der „politische Dialog ermöglicht und entsprechende Projekte stabilisiert werden“, erläuterte Mood. Die acht Beobachterteams, die derzeit an verschiedenen Orten des Landes stationiert seien, sollten „verdichtet“ werden. Um das zu erreichen werde man Beobachter aus Hama, Idlib und Tartus verlegen. Schwerpunktteams sollten dann in Aleppo, Homs, Deir Ezzor und Damaskus ausgebaut werden. Die Grenzregionen zur Türkei oder dem Libanon stünden „nicht im Fokus“ der Mission. Weder das Mandat noch die Zahl der Beobachter würden sich ändern. Der Mission sei es trotz Schwierigkeiten gelungen, sich ortskundig zu machen und Kontakte zu allen Seiten aufzubauen. Angesichts der großen Gewalt nutze das aber nichts, sagte Mood.
Auf Nachfragen meinte Mood „sobald die syrische Regierung, die Opposition, die regionalen und internationalen Akteure sich dazu entschließen“ würden, den Kampf zu beenden, könne UNSMIS wieder arbeiten. Die zentrale Frage bliebe aber, „wer ist dafür verantwortlich, dass die Gewalt aufhört?“ Für ihn seien alle verantwortlich, „die ihre Finger am Abzug haben und die die Kämpfer mit Waffen, Sprengstoff und Geld versorgen.“ Sobald diese Verantwortlichen zu der Einsicht kommen würden, dass ein Dialog für das Wohlergehen der Syrer besser sei, als Gewalt, werde ein friedlicher Prozess möglich sein. Jederzeit könne das der Fall sein, so Mood weiter: „Heute Abend, morgen, aber eigentlich hätte es schon gestern geschehen müssen.“
Eine Bewaffnung der UN-Mission oder eine personelle Ausweitung müsse vom UN-Sicherheitsrat entschieden werden, sagte Mood. Er selber habe immer klar gemacht, dass es „keine gute Option ist, eine kleine Beobachtermission mit Waffen auszustatten“. Die aktuelle Zusammenarbeit „mit der syrischen Familie basiert darauf, dass wir unbewaffnet kommen“. Man akzeptiere und würdige „die Gastfreundschaft des syrischen Volkes, das ist, was uns als unbewaffnete Beobachtermission schützt“. Klopfe man aber mit einem Gewehr an die Tür von jemandem, sei das „eine total andere Geschichte“. Die Mission werde in Syrien und auch außerhalb Syriens von den meisten Akteuren respektiert, „weil es uns gelungen ist, die Stimme vor Ort zu sein, die Tatsachen berichtet“.
Arabische Medien hatten kürzlich berichtet, Robert Mood erwäge seinen Rücktritt, weil er sich sowohl von den USA als auch von Russland hintergangen fühle. Die Informationen waren aus dem Umfeld von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon verbreitet worden, wurden aber von Mood auf Nachfragen der Journalisten zurückgewiesen. Alle Mitglieder der UN-Mission hätten einen dreimonatigen Arbeitsvertrag bis zum 20. Juli, das gelte auch für ihn.
In einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat, den UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon am folgenden Tag vorlegte, schlägt dieser ungeachtet der Ausführungen von General Mood vor, dass die Mission personell abgebaut werden und nur noch in Damaskus stationiert sein solle. Lediglich die Mitarbeiter für die politische Vermittlung sollten im Land bleiben, empfiehlt Ban Ki-Moon. Sie sollten sie sich auf das Zustandekommen eines Dialogs konzentrieren, was wichtiger sei, als die Beobachtung eines Waffenstillstandes.
Während politische Oppositionelle in Syrien eine massive Ausweitung der Beobachtermission vorgeschlagen haben, setzen die „Freie Syrische Armee“, bewaffnete Gruppen und der Syrische Nationalrat auf eine militärische Eskalation. Beim Treffen der „Freunde Syriens“ in Paris forderten sie eine „Flugverbotszone“ und „humanitäre Korridore“ sowie eine bessere Bewaffnung der Kämpfer. Ein Dialog mit der derzeitigen Führung in Damaskus wird von diesen Kreisen kategorisch abgelehnt.
Der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Kofi Annan, bezeichnete in einem Interview mit der französischen Tageszeitung Le Monde (Samstag), die einseitige Schuldzuweisung für die Krise in Syrien an Russland und China als „irritierend“ für diese Staaten. Es gebe andere Länder, die „Waffen und Geld schicken“. Manche Staaten würden damit einzeln oder im Verbund die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates unterlaufen.
Das Mandat der UN-Beobachtermission, die Teil des Sechs-Punkte-Plans von Kofi Annan ist, läuft am 20. Juli aus. Der UN-Sicherheitsrat wird sich am kommenden Mittwoch (11. Juli) mit dem Mandat befassen. Am 18. Juli soll der Rat entscheiden, ob das Mandat verlängert und ggf. geändert wird. Kritiker werfen der Mission vor, die Bewaffnung der Aufständischen und deren Reorganisierung erst möglich gemacht zu haben. In den ersten Wochen des Waffenstillstandes hatten die syrischen Behörden einen massiven Anstieg von mehr als 3000 Angriffen auf die regulären Truppen berichtet. Der syrische Präsident Bashar al-Assad hatte mehrfach betont, es sei die Pflicht der Armee, „terroristische Angriffe“ auf die Truppen, Zivilisten und Infrastruktur zu verhindern.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat derweil zu einem Waffenembargo gegen die syrische Regierung aufgerufen. Auf Nachfrage der libanesischen Onlinezeitung Al Akhbar, warum nicht auch die Waffenlieferungen an die Aufständischen kritisiert worden seien, teilte Amnesty der Zeitung mit, dass die Gewalt der Rebellen „nicht das Ausmaß erreicht habe, wie die Verbrechen des Regimes“. Damit erfüllten die Rebellen „nicht die strengen (Amnesty International-) Kriterien“ für ein Waffenembargo. Man werde weiter prüfen.
Der UN-Menschenrechtsrat (Genf) hat am Freitag erneut die syrische Regierung für die Gewalt in Syrien verantwortlich gemacht. Eine „wirkliche internationale Untersuchung“ solle die Verbrechen in Syrien aufklären. Die von den USA und der Türkei vorgelegte Resolution wurde mit 41 Stimmen angenommen. Der Vorschlag Russlands, auch die weit dokumentierte Gewalt terroristischer Gruppen zu verurteilen, wurde nicht aufgenommen. Russland, China und Kuba lehnten die Resolution wegen ihrer Einseitigkeit ab. Indien, Philippinen und Uganda enthielten sich der Stimme.
* Eine gekürzte Version dieses Beitrags erschien unter dem Titel "Syrien-Mission unter Druck" am 9. Juli 2012 in "neues deutschland".
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