Steinmeier hastete durch Damaskus
Syrien-Besuch des deutschen Außenministers bestätigte Ressentiments der Gastgeber
Von Karin Leukefeld, Damaskus *
Die Basis für einen umfassenden Nahostfrieden muss nach Ansicht von
Bundesaußenminister Steinmeier noch in diesem Jahr gelegt werden. Es
dürften keine weiteren Jahre verstreichen, erklärte er am Dienstag (7.
Juli) nach einem Treffen mit dem syrischen Präsidenten Assad und
Außenminister Muallim in Damaskus.
Eine Rückgabe der Golanhöhen an Syrien sei nur möglich, wenn »die
störenden Elemente in der Region klein gehalten werden«, sagte
Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei seinem Kurzbesuch in der
syrischen Hauptstadt. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem
Amtskollegen Walid al-Muallim hatte dieser zuvor darauf hingewiesen,
dass die Rückgabe der Golanhöhen für Syrien »keine Vorbedingung« für
Gespräche mit Israel seien, sondern es sei »das natürliche Recht
Syriens«. Israelische Vorbedingungen für Gespräche, wonach Syrien seine
Kontakte zu Hisbollah, Hamas oder Iran einstellen solle, lehnte Muallim
ab, zumal unklar sei, welches Ziel solche Gespräche mit Israel haben
sollten. Wiederholt drängte Steinmeier, der in Begleitung einer großen
Journalistengruppe direkt von Israel nach Damaskus gekommen war, dass
der Friedensprozess in der Region keinen Aufschub dulde.
Man habe nicht »Jahre Zeit«, sondern müsse die vorhandenen Chancen noch
in diesem Jahr nutzen, die US-Präsident Barack Obama mit seiner neuen
Initiative für Frieden im Nahen Osten geschaffen habe, sagte Steinmeier.
»Sonst wird sich das Fenster wieder für lange Zeit schließen.«
Direkt nach seiner Ankunft am Dienstagmorgen war Steinmeier mit
Präsident Baschar al-Assad zusammengetroffen, dem er die Sichtweise
seiner israelischen Gesprächspartner erläutert habe, so der deutsche
Außenminister. Er habe die Hoffnung, dass es bald zu direkten Gesprächen
zwischen Syrien und Israel kommen könne. Assad habe das »unter Verweis
auf notwendige Positionsklärungen zur Kenntnis genommen«. Nach einem
Gespräch mit seinem Amtskollegen Muallim reiste Steinmeier noch am
Nachmittag nach Beirut weiter, wo Gespräche mit Präsident Michel Sleiman
und dem designierten Ministerpräsidenten Saad Hariri vorgesehen sind.
Die Erwartungen Syriens gegenüber der Bundesregierung sind nach Auskunft
eines politischen Beobachters in Damaskus gedämpft. Deutschland müsse
seine Zurückhaltung gegenüber Syrien aufgeben, hieß es. Offenbar sehe
man im Kanzleramt Syrien als ehemals engen Partner der DDR auch 20 Jahre
nach dem Fall der Mauer in Deutschland noch immer als Feind an. »Als ob
Berlin uns mit Honecker in einen Sarg stecken will.« Die Deutschen
hätten nicht einmal Zeit für eine Übernachtung in Damaskus, wurde bissig
bemerkt. Als kürzlich Innenminister Wolfgang Schäuble mit seinem
Amtskollegen Said Sammour zusammentraf, um bilaterale Vereinbarungen
gegen illegale Einwanderung, Kriminalität und Terrorismus zu besprechen,
verbrachte auch dieser nur wenige Stunden in Damaskus. Der EU werde in
Syrien wenig Bedeutung beigemessen, so der Beobachter, der im Gespräch
mit der Autorin Wert auf Anonymität legte. Zur Lösung der Konflikte im
Nahen Osten bedürfe es eines Engagements der USA, da Europa sich selber
»in die zweite Reihe« gestellt habe. Von der neuen US-Administration
erwarte man mindestens einen anderen Ton, die Entsendung eines neuen
Botschafters nach Damaskus sei ein erster Schritt. Präsident Assad hatte
Obama kürzlich zum Nationalfeiertag am 4. Juli gratuliert und in einem
Interview mit dem Fernsehsender Sky News den US-Staatschef zu einem
Besuch nach Damaskus eingeladen.
Am Tag vor Steinmeiers Kurzbesuch hatte Außenminister Muallim den
Vertreter des schwedischen Außenministeriums Frank Belfrage begrüßt.
Dabei war ebenfalls die Lage im Nahen Osten, besonders in den besetzten
palästinensischen Gebieten angesprochen worden, berichteten syrische
Medien. Syrien hoffe, dass die EU unter schwedischer Ratspräsidentschaft
sich für die Aufhebung der israelischen Blockade gegen den Gaza-Streifen
einsetzen werde.
Staatssekretär Belfrage unterstrich, man werde sich für die
Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens einsetzen, das seit vier
Jahren auf Eis liegt. Am kommenden Wochenende wird der französische
Außenminister Bernard Kouchner in Damaskus erwartet. Im Gegensatz zu den
deutschen Ministern Schäuble und Steinmeier hat Kouchner Berichten
zufolge zumindest eine Übernachtung in der syrischen Hauptstadt eingeplant.
* Aus: Neues Deutschland, 8. Juli 2009
Siehe auch:
Hisbollah und Hamas weiter tabu
Kontaktprobleme und Schuldzuweisungen: Deutscher Außenminister beendet zweitägige "Nahostmission" (10. Juli 2009)
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