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Scud-Raketen - viel Wind, keine Beweise

Israel klagt Syrien an, Hisbollah aufzurüsten

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Syrien wird beschuldigt, schwere Waffen an die libanesische Hisbollah zu liefern. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte in Tallinn, es handele sich dabei um Scud-Raketen, die der Hisbollah den Beschuss israelischen Gebietes erleichtern würden.

Behauptungen Israels, Syrien habe Scud-Kurzstreckenraketen an die Hisbollah geliefert, sorgen seit Tagen für heftige Reaktionen in Libanon und Syrien. Israel versuche, von den eigenen Verbrechen in den besetzten palästinensischen Gebieten und von der Blockade des Gaza-Streifens abzulenken, sagte der syrische Außenminister Walid Al Mou'allem. Es sorge für ein Klima, das einen neuen Angriff rechtfertigen solle.

Der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri verglich die israelischen Behauptungen damit, was von den USA 2003 »über die Massenvernichtungswaffen in Irak gesagt« worden war. Jetzt versuche man, dies mit Libanon zu wiederholen, meinte Hariri auf einer Pressekonferenz in Rom.

Ausgelöst wurde die »Scud-Krise«, wie die Sache mittlerweile in arabischen Medien bezeichnet wird, von Äußerungen des israelischen Präsidenten Schimon Peres vergangene Woche vor einer Reise nach Frankreich, das sich seit Monaten bemüht, Israel und Syrien wieder an den Verhandlungstisch zu bekommen. »Syrien will angeblich Frieden«, war Peres im israelischen Rundfunk zitiert worden. »Gleichzeitig liefert es Scuds an die Hisbollah, die nichts anderes im Sinn hat, als den Staat Israel zu bedrohen.« Der stellvertretende israelische Verteidigungsminister Matan Vilnai wollte die Äußerungen von Peres nicht kommentieren, und das französische Außenministerium erklärte knapp, man habe weder Beweise noch Grund anzunehmen, dass Syrien solche Waffenlieferungen vorgenommen habe.

Das Außenministerium der USA zeigte sich hingegen »besorgt« über die angebliche Waffenlieferung, wie Außenamtssprecher Robert Gibbs sagte. Syrien müsse sein »provozierendes Verhalten« einstellen, das habe man sowohl Beirut als auch Damaskus mitgeteilt. Sollten die Behauptungen zutreffen, destabilisiere das die Region zusätzlich, und Libanon sei »hoch gefährdet«. Zudem wäre es ein Verstoß gegen die UN-Sicherheitsratsresolution 1701, die 2006 den Krieg Israels gegen Libanon beendet hatte.

Der syrische Ministerpräsident Muhammad Nadschi al-Utari bedauerte, dass das US-Außenministerium die Anschuldigungen von Peres übernommen habe, ohne deren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Eine namentlich nicht genannte Quelle aus westlichen Diplomatenkreisen in Beirut äußerte sich gegenüber dpa besorgt. »In der Vergangenheit wurden Kriege im Mittleren Osten meist durch eine Fehlentscheidung oder aufgrund von Behauptungen begonnen«, zitierte ihn dpa. Die israelischen Behauptungen müssten äußerst vorsichtig behandelt werden, sonst »kann der gesamte Mittlere Osten in einen Krieg gezogen werden«.

Ein Experte für syrisch-europäische Beziehungen, der anonym bleiben wollte, sagte in Damaskus gegenüber der Autorin, die Behauptungen müssten vor dem Hintergrund einer schweren politischen Krise Israels gesehen werden. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu stecke in einer Sackgasse. Die Regierung habe offenbar die Kritik unterschätzt, die von den neuen militärischen Aufenthaltsbestimmungen in den besetzten palästinensischen Gebieten weltweit ausgelöst worden war. Unter Verweis auf die französische Reaktion zu den Behauptungen Peres' fügte er hinzu, Scud-Raketen seien »keine Kleinigkeit« und könnten in Libanon nicht geheim gehalten werden. In Libanon erklärte der Hisbollah-Abgeordnete Nawwaf Al-Mussawi, Israel habe die Sache mit den Scud-Raketen erfunden, um »aus der diplomatischen Sackgasse« mit den USA zu kommen. Die Beziehungen zwischen Israel und den USA befinden sich auf einem historischen Tiefpunkt

An den nach fünf Jahren Eiszeit wiederbelebten diplomatischen Beziehungen mit Syrien werde die USA derweil festhalten, unterstrich US-Außenministerin Hillary Clinton am Donnerstag am Rande der NATO-Außenministertagung in Estland. Der neu ernannte Botschafter der USA in Damaskus, Robert Ford, wartet allerdings schon seit Wochen auf seine Bestätigung durch den Senat.

Der britische Militärexperte Charles Heyman hält es derweil für unwahrscheinlich, dass die Hisbollah überhaupt an Scud-Raketen interessiert sein könnte. Als Guerillaorganisation müsse sich »die Hisbollah leicht bewegen wie Schmetterlinge und zustechen können wie Bienen. Sie braucht nichts, das herumtrampelt wie ein Ochse.«

* Aus: Neues Deutschland, 24. April 2010


Syrische Scud-Raketen für die Hisbollah?

In US-amerikanischen und israelischen Sicherheitskreisen geht man davon aus, dass Syrien die libanesische Terrororganisation Hisbollah mit Lang- und Mittelstreckenraketen der Sorte "Scud" bewaffnet, die einen Großteil des israelischen Staatsgebiets erreichen könnten. Dies berichtete die kuwaitische Zeitung al-Raij unter Berufung auf amerikanische Quellen in Washington.

Dem Bericht zufolge haben israelische und westliche Geheimdienste herausgefunden, dass die syrische Armee Terroristen der Hisbollah im Umgang mit Raketen unterschiedlicher Art ausbildet, einschließlich von Luftabwehr- und Scud-Mittelstrecken-Raketen. In dieser Angelegenheit sei auch bereits der syrische Botschafter in Washington einbestellt worden.

Weiter schreibt al-Raj, dass US-Senator John Kerry in Damaskus mit Syriens Präsident Bashar Assad über dieses Thema gesprochen habe, der die Berichte zurückwies, ohne die Amerikaner aber überzeugen zu können.

Eine Bewaffnung mit Scud-Raketen würde qualitativ zwar keine große Veränderung für die Schlagkraft der Hisbollah bedeuten, da diese bereits über Lang- und Mittelstreckenraketen verfügt, die bis nach Be'er Sheva fliegen könnten; nicht zu unterschätzen ist aber die symbolische Bedeutung für das Selbstbewusstsein der schiitischen Terrororganisation. Ansonsten verfügen nur souveräne Staaten über ballistische Boden-Boden-Raketen.

Syrien hat bereits etwa 45 0000 Raketen an die Hisbollah geliefert, darunter Panzerabwehrraketen.

(Yedioth Ahronot, 13.04.10)

Quelle: Newsletter der israelischen Botschaft in Berlin, 14. April 2010




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