Russische Hilfe
Moskau entsendet Flugzeugträger vor Syriens Küste. Kein Stopp der Waffenlieferungen an Damaskus
Von Karin Leukefeld *
Die Spannungen zwischen dem Westen und Rußland wegen des unterschiedlichen Umgangs mit Damaskus nehmen zu. Die USA, die Europäische Union, die Türkei und die Arabische Liga folgen in ihrer Politik weitgehend den Forderungen der syrischen Exilopposition. Mit Sanktionen, der Ablehnung eines nationalen Dialogs und der Androhung einer Militärintervention ist es ihnen gelungen, Syrien weitgehend zu isolieren. Die BRICS-Staaten Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika kritisieren dagegen das gewaltsame Vorgehen syrischer Sicherheitskräfte, setzen sich aber zugleich aktiv für einen Dialog ein. Zudem weisen sie auf bewaffnete Aufständische in dem Mittelmeerstaat hin, die mit ausländischer Unterstützung die arabische Republik destabilisieren. Die »Freie Syrische Armee«, deren Anführer unter dem Schutz der Türkei von einem Flüchtlingslager nahe der Grenze nach eigenen Aussagen Angriffe in Syrien koordinieren, fordert den »Sturz des Regimes« und verlangt dafür nach dem Vorbild Libyens Hilfe von der NATO.
Rußland hingegen will eine neue Intervention in der Region verhindern, betonte dessen Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag. Es sei notwendig, die »Politik der Ultimaten« zu stoppen. Um ein »Szenario wie in Libyen« zu verhindern, werde Moskau seine Waffenlieferungen an Syrien nicht einstellen. Die arabischen Monarchien und den Westen beschuldigte Lawrow der »politischen Provokation«. Sie verhinderten einen Dialog zwischen Damaskus und der Opposition und ermunterten bewaffnete Aufständische.
Am Montag (28. Nov.) bestätigte Moskau offiziell die Entsendung eines Flottenverbandes ins östliche Mittelmeer. Die »Mission«, die von der Barentssee durch den Atlantik und die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer führt, soll im Dezember beginnen und sei seit einem Jahr geplant gewesen. Der Verband wird aus drei Kriegsschiffen bestehen und soll vom Flugzeugträger »Admiral Kusnezow« geführt werden. Außer dem syrischen Tartus wird der Verband Beirut, Genua und Zypern besuchen, sagte der frühere Marinechef Admiral Viktor Krawtschenko laut der russischen Tageszeitung Iswestija. Es sei gut, wenn in dem Gebiet auch noch andere als NATO-Truppen seien, um »den Ausbruch eines bewaffneten Konflikts (zu) verhindern«. Der Flugzeugträger ist mit Boden-Boden- sowie Boden-Luft-Raketen ausgerüstet sowie mit Kampfjets und Hubschraubern bestückt, die während der Mission »getestet« werden sollen. Bereits seit 1971 ist die syrische Hafenstadt Tartus ein Stützpunkt der russischen Marine, der heute als Versorgungsbasis für die russische Schwarzmeerflotte dient.
Unbestätigten Berichten aus Damaskus zufolge soll die russische Marine helfen, die Küste Syriens zu bewachen, um »jede militärische Einmischung zu verhindern«. In den letzten Monaten hat die arabische Republik mehrfach Lieferungen für die Aufständischen gestoppt, die zu See und zu Land aus dem Libanon und aus der Türkei gekommen waren. Erst im Oktober war ein mit Waffen beladener Transporter beschlagnahmt worden, als er die Grenze von Jordanien aus überqueren wollte.
Neben den Drohungen gegen Syrien könnte auch der geplante Raketenabwehrschirm der NATO Grund für die russische Flottenentsendung sein. Anfang September hatte die türkische Regierung dem Aufbau entsprechender militärischer Einrichtungen im Südosten des Landes zugestimmt. Während die NATO davon spricht, daß die Stellungen sich gegen iranische Raketen richten, kommt man in Rußland, China und im Iran offenbar immer mehr zu der Überzeugung, daß es sich nicht um Abwehr-, sondern um Angriffsstellungen handelt.
Seit dem NATO-Krieg gegen Libyen kreuzen bereits der atomgetriebene Flugzeugträger »USS George H.W. Bush« sowie Teile der 6. US-Flotte im Mittelmeer. Offiziell operiert das Geschwader seit 2001 im Rahmen der NATO-Missionen »Enduring Freedom« und »New Dawn« im Irak. Die russische Marinepräsenz im Mittelmeer sei jedoch mit der 6. US-Flotte nicht vergleichbar, betonte Admiral Krawtschenko. Niemand spreche von einer militärischen Konfrontation, allerdings werde »ein Angriff auf ein russisches Schiff als Kriegserklärung verstanden, mit allen Konsequenzen«.
* Aus: junge Welt, 30. November 2011
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