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Rußland stellt sich vor Syrien

Kreml widersetzt sich westlicher Propaganda

Von Rainer Rupp *

Von Israel über Iran bis Pakistan berichteten Medien zum Wochenende, daß russische Kriegsschiffe in syrischen Hoheitsgewässern eingetroffen seien, angeblich um die Hürden für einen befürchteten, NATO-geführten Angriff auf das Land unter dem Deckmantel einer »humanitären Intervention« höher zu setzen und eventuell ganz zu verhindern. Die israelische linksliberale Tageszeitung Haaretz schrieb am Freitag (18. Nov.) unter Berufung auf einen Bericht der syrischen Nachrichtenagentur SANA tags zuvor, daß die Entsendung der Schiffe eine klare Botschaft an den Westen sei, daß Moskau sich jedweder ausländischen Intervention in dem von schweren Unruhen heimgesuchten Land widersetzen wird.

In den letzten Tagen hat Rußland auch seine diplomatischen Bemühungen zur Verteidigung Syriens verstärkt. So hat etwa Außenminister Sergej Lawrow betont, daß die Gewalt im Land ein Resultat eines teils vom Ausland gesteuerten Bürgerkrieges sei und nicht eine blutige Repression unschuldiger Demonstranten durch Präsident Baschar Al-Assad, wie die westlichen Mächte die Lage zwecks Rechtfertigung einer späteren Militärintervention darstellen. Zudem hat der russische Ministerpräsident Wladimir Putin jüngst den Westen vor einer Syrien-Intervention im Stil Libyens gewarnt.

Syrien hat sich in der gesamten Region des Mittleren Osten als der einzige zuverlässige Partner Rußlands erwiesen. Iran erscheint aus Sicht des Kremls nicht vertrauenswürdig und transparent genug. Auch sind die kulturellen Beziehungen zwischen Rußland und Syrien zu groß, als daß Moskau ohne enormen Prestigeverlust das Land schutzlos dem Westen preisgeben könnte. Noch heute hat Rußland einen hohen moralischen Preis dafür zu zahlen, daß es unter der Jelzin-Regierung 1999 dem Druck des westlichen Bündnisses nachgegeben und Jugoslawien den NATO-Raubmördern überlassen hat.

US-Außenamtssprecher Mark Toner wies Rußlands Behauptung, Syrien befinde sich in einem Bürgerkrieg, umgehend zurück und erklärte: »Wir glauben, daß das Assad-Regime eine Kampagne der Gewalt, Einschüchterung und Repression gegen unschuldige Demonstranten organisiert hat.« Wie im vorangegangenen Beispiel Libyen versucht die westliche Militärallianz, die Assad-Regierung und seine Streitkräfte zu verteufeln, während es die Angriffe teils bewaffneter Umstürzler nicht erwähnt oder herunterspielt, wie etwa bei dem jüngsten Überfall schwer bewaffneter »unschuldiger Demonstranten« auf ein Gebäude der Militäraufklärung der syrischen Luftwaffe am Flughafen von Damaskus, bei dem 20 Sicherheitsbeamte getötet oder verwundet wurden.

Trotz lautstarker, gegen Iran gerichteter israelisch-amerikanischer Kriegstrommeln scheint Syrien das nächste Land im Visier der NATO-Aggressionsallianz zu sein. US-Präsident Barack Obama hatte den Ball im August ins Rollen gebracht, als er Präsident Al-Assad aufforderte, zurückzutreten. Die UNO hat bereits alle nicht unbedingt benötigten Mitarbeiter aus dem Land abgezogen.

»Ich sehe keine rein militärischen Probleme. Syrien hat keine Verteidigung gegen westliche Systeme. Aber es wäre riskanter als Libyen. Es wäre eine schwere militärische Operation«, so kommentierte jüngst der ehemalige französische Luftwaffenchef Jean Rannou die westlichen Kriegspläne. Da sich auch die bürgerliche Presse in der Vergangenheit bei der Verbreitung von Lügen und Greuelpropaganda zur Rechtfertigung einer militärischen Intervention vor der Öffentlichkeit stets bewährt hat, würde Syrien ohne russische Hilfe derzeit weitgehend wehrlos gegen einen NATO-Angriff dastehen.

* Aus: junge Welt, 21. November 2011


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