Einladung an Russlands Flotte
Syriens Präsident Assad bietet in Moskau Stützpunkte an
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Syrien ist nach Worten seines Präsidenten Baschar al-Assad grundsätzlich zur Stationierung
russischer Raketen als Reaktion auf das in Mitteleuropa geplante US-Raketenabwehrsystem bereit.
»Ich denke, Russland sollte wirklich über Gegenschritte nachdenken, um gegen seine Umzingelung
vorzugehen«, sagte Assad der russischen Zeitung »Kommersant« vom Mittwoch.
Zwei Mal schon hatte Syriens Präsident Baschar al-Assad in Moskau um moderne
Luftabwehrsysteme gebettelt. Vergeblich. Besorgt um die Reaktion der Weltöffentlichkeit und mit
Verweis auf seine internationalen Verpflichtungen hatte der Kreml höflich, aber bestimmt abgelehnt.
Bei Assads jetzigem dritten Besuch indes ist die politische Großwetterlage eine völlig andere. Nach
dem Krieg um Südossetien, wo eigentlich Russland und die USA gegeneinander kämpften und den
Verträgen über die Stationierung von Teilen der US-amerikanischen Raketenabwehr in Polen, die
die Außenminister beider Länder am gestrigen Mittwoch in Warschau unterzeichneten, sind die
Beziehungen zwischen Russland und dem westlichen Verteidigungsbündnis so schlecht wie nie
nach dem Ende des Kalten Krieges.
Auch hatte Assad schon vor dem Besuch durchblicken lassen, womit Syrien Moskaus
Lieferbereitschaft zu Luftabwehrsystemen honorieren würde: Mit einem Stützpunkt für die russische
Schwarzmeerflotte im syrischen Mittelmeerhafen Tartus. Dort befand sich bereits zu sowjetischen
Zeiten eine Basis für die materiell-technische Versorgung von sowjetischen Kriegsschiffen. Zu dem
Schiffsverband, den Russland jetzt dort stationieren will, so die Online-Agentur Newsru.com, werde
unter anderem der Flugzeugträger »Admiral Kusnezow« gehören, der syrische Gewässer bereits
mehrfach angelaufen haben soll.
Das Angebot ist für Moskau eine teuflische Versuchung. Der Grund: Handfeste Differenzen mit der
Ukraine über die Zukunft der russischen Schwarzmeerflotte, die gegenwärtig auf der Krim stationiert
ist, die zur Ukraine gehört. Die Pachtverträge für den dortigen Kriegshafen Sewastopol enden zwar
erst 2017. Kiew aber möchte im Hinblick auf den geplanten NATO-Beitritt die Russen früher los
werden und hat, um Druck zu machen, die Freizügigkeit ihrer Kampfschiffe bereits erheblich
eingeschränkt. Sein Land, so der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko gleich nach Beginn
des Krieges in Georgien, stehe Moskau als Aufmarschbasis für eine Aggression nicht zur Verfügung.
Künftig müsse Russland daher drei Tage vor dem Auslaufen seiner Schiffe das Ziel der jeweiligen
Mission offenlegen und dazu auch eine Genehmigung der ukrainischen Regierung einholen.
Moskau sprach von »juristischem Laienspieltheater« und will bei den Präsidentenwahlen in
anderthalb Jahren Juschtschenkos Gegenspielerin unterstützen: Diese, die Ministerpräsidentin Julia
Timoschenko, hat sowohl in Sachen Schwarzmeerflotte als auch zu Kiews NATO-Beitrittsplänen
Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Um ihr auf den Präsidentensessel zu helfen, so newsru.com,
sei der Kreml bereit, für ihren Wahlkampf eine nicht geringe Summe springen zu lassen.
Auf Waffenlieferungen für etwa eine Millarde Dollar einigte sich gestern in Moskau Präsident Dmitri
Medwedew mit seinem syrischen Gast. Russland beliefert gegenwärtig 89 Länder mit seinen
Waffen. Etwa 70 Prozent aller Exporte entfallen dabei auf traditionelle Partner wie China, Indien und
die Staaten des Nahen Ostens. Das Gesamtvolumen bezifferten Experten für 2007 mit weit über
sechs Milliarden Dollar. Exportschlager sind vor allem Schnellboote, Zerstörer und seegestützte
Raketen. Kampfjets und Kampfhubschrauber.
** Aus: Neues Deutschland, 21. August 2008
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