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Gespaltene Opposition

Zahlreiche syrische Gruppen lehnen Koordinierungstreffen und Einmischung ab

Von Karin Leukefeld *

Am Montag hat in Kairo ein zweitägiges Treffen verschiedener syrischer Oppositionsgruppen begonnen. Der Einladung der Arabischen Liga folgten Korrespondentenberichten zufolge rund 200 Personen. Ziel des Treffens ist, sich auf ein gemeinsames Vorgehen für einen politischen Übergangsprozeß in Syrien zu einigen. Der Generalsekretär der arabischen Liga, Nabil Al-Arabi, forderte in der Eröffnungsrede einen konkreten Zeitrahmen, wie er im Sechs-Punkte-Plan von Kofi Annan vorgesehen ist, sowie die Installierung einer Übergangsregierung. Eine solche war am vergangenen Wochenende in Genf von den fünf Vetomächten im UN-Sicherheitsrat beschlossen worden.

Bewaffnete Gruppen, nicht näher identifizierte »Aktivisten« und die »Freie Syrische Armee« (FSA) werden das Treffen in Kairo jedoch boykottieren. Sie bezeichneten es als eine »Verschwörung« gegen die »Revolution«, die nur den Interessen von Moskau und Teheran dienen würde. »Jede Form von Dialog und Verhandlung mit den Mordbanden« würden sie ablehnen, hieß es in einer Stellungnahme, die von der Nachrichtenagentur AFP verbreitet wurde. Insbesondere kritisierten sie, daß in Kairo nicht über die Idee »einer ausländischen Militärintervention zur Rettung des Volkes« gesprochen werden solle. Auch über »Schutzzonen, humanitäre Korridore, Flugverbotszonen und die Bewaffnung der kämpfenden Rebellen« unter internationalem Schutz würde nicht gesprochen, so die Kritik.

Der im Ausland agierende Syrische Nationalrat (SNR) hatte mit der »Freien Syrischen Armee« Anfang des Jahres eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit getroffen und eine militärische Verbindungsstelle in der Türkei eingerichtet. Inzwischen beschuldigen sich die Organisationen gegenseitig der Ausgrenzung. Die Lokalen Koordinationskomitees wiederum werfen beiden Gruppen vor, zu sehr vom Ausland beeinflußt zu sein. Andere Oppositionsgruppen, die im Land aktiv sind, lehnen ohnehin jede ausländische Einmischung ab.

Nach weiteren schweren Anschlägen in Syrien am vergangenen Wochenende erließ der syrische Präsident Baschar Al-Assad am Montag ein Antiterrorgesetz. Die islamistische Kampfgruppe Jabhat Al-Nusra hat mittlerweile die Verantwortung für den Angriff auf die Fernsehstation Al-Ikhbariya übernommen. Dabei waren am vergangenen Mittwoch morgen drei Journalisten und vier technische Mitarbeiter getötet worden. Das Hauptgebäude des Satellitensenders wurde durch Sprengladungen zerstört.

Verschiedene britische und US-Medien äußern mittlerweile offen Zweifel an der türkischen Darstellung über den Abschuß eines F-4-Kampfjets im syrischen Luftraum. Die syrische Flugabwehr hatte nach eigenen Angaben den Jet am vergangenen Montag nur knapp zwei Kilometer von der syrischen Küste entfernt abgeschossen, als dieser sich im Tiefflug auf etwa 70 Meter dem syrischen Festland näherte. Nach türkischen Angaben soll der Jet 13 Seemeilen von der Küste entfernt abgeschossen worden sein.

Nach Einschätzung von Militärexperten könnte die Maschine den Auftrag gehabt haben, das syrische Radarsystem »auszulösen«. Zur Verteidigung vorgesehene Radarsysteme seien zumeist in einem Passivmodus, damit ein möglicher Gegner sie nicht orten und registrieren könne, heißt es in einem Beitrag von Conn Hallinan auf dem US-Internetportal Counterpunch. Bei einem gezielten Flug in den Luftraum eines anderen Staates würde die Luftabwehr automatisch ausgelöst und wäre damit erkennbar. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu hatte im Gespräch mit der Financial Times erklärt, die Maschine sei unterwegs gewesen, um die türkische Radarverteidigung zu testen, nicht die von Syrien.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 3. Juli 2012


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