Syrien lässt sich nicht unter Druck setzen
Vizeaußenminister Faisal Mekdad im ND-Interview: Israel muss Golanhöhen zurückgeben
Dr. Faisal Mekdad ist seit 2006 stellvertretender Außenminister der Arabischen Republik Syrien. 1954 geboren, studierte Mekdad in Damaskus englische Literatur und promovierte 1992 an der Prager Karlsuniversität. 1994 trat er in den diplomatischen Dienst seines Landes, seit 1994 arbeitete er in der syrischen Vertretung bei der UNO in New York, deren Leiter er bis 2003 war. Dr. Mekdad vertrat Syrien bei verschiedenen großen internationalen Konferenzen. In Damaskus hatte ND-Autorin Karin Leukefeld Gelegenheit zu einem Interview für das "Neue Deutschland" (ND).
Beim Blick auf den konfliktreichen Nahen Osten wirkt Syrien wie ein Fels in der Brandung. Würden
Sie diesen Eindruck bestätigen?
Syrien und diese Region standen in der Geschichte oft im Zentrum von Veränderungen. Zu
Friedenszeiten war dies ein Zentrum der Zivilisation, in schwierigen Zeiten gab es Kriege und
Invasionen. Das alles hat Syrien geformt. Wir sind ein Land mit arabischer Identität, gute
Beziehungen zu unseren Nachbarn sind uns seit jeher eine Verpflichtung. Natürlich gibt es um uns
herum jede Menge Probleme: Im Westen liegt Libanon, im Osten Irak, aber am meisten
Kopfzerbrechen bereitet uns natürlich der arabisch-israelische Konflikt.
In Libanon ist mancher noch immer der Ansicht, dass Syrien kein Partner ist, sondern sich in die
inneren Angelegenheiten des Landes einmischt.
Viele wissen, dass Syrien geholfen hat, den Bürgerkrieg in Libanon zu beenden. Aber natürlich gibt
es Leute, die – egal, was Syrien unternimmt – uns immer als Eindringlinge sehen. Fakt ist, dass wir
als zwei unabhängige, souveräne Staaten gute Beziehungen zueinander haben. Erst kürzlich
wurden 18 Abkommen unterzeichnet. Die Normalisierung unserer Beziehungen brauchen wir und
die Libanesen dringend. Denn wenn sich die Lage dort verschlechtert, betrifft das auch uns.
Das UN-Tribunal zum Mord an dem ehemaligen libanesischen Premier Rafiq Hariri beschuldigte
Syrien ...
Inzwischen hat (der jetzige) Ministerpräsident Saad Hariri selbst gesagt, dass alle Anschuldigungen
gegen Syrien politisch begründet waren. Ihr Landsmann Mehlis und sein Stellvertreter Lehmann
waren von Anfang an voreingenommen. Sie wollten nicht untersuchen, sondern eine Anklage gegen
Syrien fabrizieren. Die Entwicklung hat gezeigt, dass sie falsch lagen.
... nun heißt es, die Hisbollah stecke hinter dem Anschlag auf Hariri.
Unserer Meinung nach wurde das Tribunal eingerichtet, um bestimmte Entwicklungen in Libanon
politisch zu beeinflussen. Hintergrund ist der arabisch-israelische Konflikt und konkret geht es um
die Rolle der Hisbollah. Sie ist eine politische Kraft in Libanon, von den Menschen gewählt. Aber die
Israelis und die Amerikaner mögen Widerstand gegen Besatzung nicht. Sie wollen das Tribunal
benutzen, um diese Widerstandskräfte loszuwerden.
Das Tribunal ist ein politisches Instrument und die es unterstützen, auch die Libanesen, sollten zehn
Mal darüber nachdenken, ob sie Libanon wieder in einen Bürgerkrieg stürzen wollen. Wurde es
dafür eingerichtet? Um sich am politischen Gegner zu rächen? Warum sollen die libanesische
Regierung und die Justiz nicht dafür sorgen, dass Recht gesprochen wird?
In jüngster Zeit kommen viele westliche Politiker nach Damaskus. Drängen sie Syrien, neue
Gespräche mit Israel aufzunehmen?
Jeder weiß, dass Syrien sich nicht unter Druck setzen lässt. Wir stehen im Dialog, auch mit den
USA. Kürzlich hatten wir gute Gespräche in Washington.
Mit welchen Ergebnissen?
Das Wichtigste ist, dass dieser Dialog begonnen hat. Und wir sind optimistisch, weil Präsident
Obama einen bestimmten Weg verfolgt, um hier in der Region Frieden zu schaffen.
Israel muss anerkennen, dass der Golan, den es seit 1967 besetzt hält, an Syrien zurückgegeben
werden muss. Das ist keine Vorbedingung, das ist unser Land. Wir werden nie auch nur über einen
Zentimeter unseres Landes verhandeln.
Israel hat die Golanhöhen annektiert. Glauben Sie, das ist umkehrbar?
Es wird rückgängig gemacht. Man hat Reiche zerfallen sehen, wie die Griechen, die Römer oder
auch das Arabische Reich. Alle arabischen Staaten gehörten einmal zu einem Reich, heute sind es
22 arabische Nationen. Israel wird niemals in Sicherheit leben können, wenn es die Besatzung
aufrecht erhält. Ein umfassender Frieden ist in Israels eigenem Interesse. Die internationale
Unterstützung für das Land wird nicht ewig dauern.
Sind die Beziehungen Ihres Landes zu Deutschland so, wie Sie es sich wünschen?
Deutschland ist eine große Nation und spielt in der Weltpolitik eine wichtige Rolle. Wir haben
Deutschland beispielsweise bei der Wahl zum nichtständigen Mitglied des UN-Sicherheitsrats
unterstützt. Aber wir möchten einen noch intensiveren Dialog und bessere Beziehungen, mehr
wirtschaftlichen Austausch. Deutschland sollte aktiver dabei helfen, die Probleme Syriens mit der
westlichen Welt zu lösen.
Und welche Rolle spielt die EU?
Europa grenzt direkt an den Nahen Osten und kennt unsere Region gut. Unsere Probleme betreffen
auch Europa. Aber die USA versuchen hier die Hauptrolle zu spielen, als Vermittler, als Chef eines
Friedensprozesses. Sie lassen nicht zu, dass die EU mitredet. Als kürzlich der französische und der
spanische Außenminister hier waren, war deutlich zu hören, dass sie nicht länger bereit sind, nur die
Rechnungen für die US-Pläne im Nahen Osten zu zahlen, sie wollen mehr tun. Und genau das
wollen wir auch.
* Aus: Neues Deutschland, 16. November 2010
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