Wasser auf die Mühlen Washingtons
Hochrangige Politiker Syriens und Libanons des Mordkomplotts gegen den libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri bezichtigt - UN-Chefermittler Detlev Mehlis legt Bericht vor
Generalsekretär Kofi Annan hatte seiner Zeit eine unabhängige Untersuchungskommission beuftragt, den Terrrormord an dem damaligen libanesischen Präsidenten Rafik Hariri zu untersuchen. Vorsitzender der Kommission und somit "Chefermittler" wurde der deutsche Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis aus Berlin. Was er nun der Öffentlichkeit vorlegte, enthält zwar wenig wirkliche Beweise, dafür aber umso mehr anschuldigende Vermutungen. Der Bericht wird am 25. Oktober dem Sicherheitsrat vorgelegt. Die USA werden versuchen, auf dieser Grundlage eine Resolution gegen Syrien zustande zu bringen.
Im Folgenden lesen Sie
Den Mehlis-Report haben wir hier vollständig dokumentiert:
REPORT OF THE INTERNATIONAL INDEPENDENT INVESTIGATION COMMISSION ... (pdf-Datei).
UN-Ermittler: Syrien in Mord an Hariri verwickelt
New York/Beirut (AFP) - In die Ermordung des früheren libanesischen Regierungschefs Rafik Hariri sind nach den Ermittlungen der UNO führende Offiziere Syriens und des Libanon verwickelt. "Es gibt übereinstimmende Belege für die libanesische und syrische Verwicklung in diesen terroristischen Akt", heißt es in dem Bericht des deutschen UN-Sonderermittlers Detlev Mehlis. In einer vertraulichen Fassung des Berichts wird zudem ein Zeuge zitiert, der einen Bruder und einen Schwager des syrischen Präsidenten Baschar el Assad belastet. Syrien wies den UN-Bericht als "parteiisch" zurück.
Nach der Verabschiedung einer Syrien-kritischen UN-Resolution hätten der Bruder von Präsident Assad, Maher Assad, sowie sein Schwager Assef Schaukat "zusammen mit ranghohen Syrern und Libanesen" beschlossen, Hariri zu ermorden, sagte der syrische Zeuge in der vertraulichen Fassung des Berichtes. Diese Fassung war von der britischen Delegation bei der UNO veröffentlicht worden.
In dem 54-seitigen Bericht hieß es weiter, dass die Entscheidung zur Ermordung Hariris vermutlich nicht ohne die Zustimmung ranghoher syrischer Geheimagenten getroffen und nicht ohne die Mitwirkung ihrer libanesischen Kollegen hätte ausgeführt werden können. Der Mord sei "wahrscheinlich politisch motiviert" gewesen. Zugleich wirft der Bericht ranghohen syrischen Politikern, unter ihnen Außenminister Faruk el Schara, versuchte Täuschung vor.
Der Bericht sei ein "politisches Manifest gegen Syrien", sagte der syrische Informationsminister Mehdi Dachlallah. Der syrische UN-Botschafter, Faisal Mekdad, bezeichnete die Anschuldigungen gegen Assads Vertraute als "Riesenlüge".
Im Libanon wuchs der Druck auf den prosyrischen Präsidenten Emile Lahoud: Mehrere Abgeordnete forderten seinen Rücktritt. Dem UN-Bericht zufolge hatte einer der Verdächtigen den libanesischen Staatschef wenige Minuten vor dem Bombenanschlag auf Hariri auf dem Mobiltelefon angerufen.
Die USA riefen den UN-Sicherheitsrat auf, sich mit möglichen Folgen aus dem Untersuchungsbericht zu befassen. US-Außenministerin Condoleezza Rice sagte, der Bericht sei "zutiefst beunruhigend".
Bei dem Anschlag auf Hariri waren am 14. Februar in der libanesischen Hauptstadt Beirut insgesamt 21 Menschen getötet worden. Mehlis und seine Mitarbeiter ermittelten im Auftrag von Annan vier Monate lang, befragten mehr als 400 Menschen und sichteten 60.000 Dokumente. Ihr Bericht wurde auch an den UN-Sicherheitsrat weitergeleitet, der sich am Dienstag damit befassen will.
Quelle: AFP, 21. Oktober 2005
USA sind zufrieden, Syrien beklagt politische Voreingenommenheit
Von Jürgen Cain Külbel
UN-Chefermittler Detlev Mehlis stellte in seinem Untersuchungsbericht zum Mord am ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri hochrangige Repräsentanten Syriens und Libanons wegen angeblicher Verwicklung in die Bluttat an den Pranger.
Vor allem macht der Berliner Oberstaatsanwalt den syrischen Geheimdienst für den Bombenanschlag mitverantwortlich: »Die Untersuchung hat bestätigt, was viele in Libanon schon lange sagen: dass führende syrische Geheimdienstoffiziere einen enormen strategischen Einfluss auf die libanesische Regierung hatten.« Es gebe Gründe zu der Annahme, dass die Entscheidung, den ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri zu ermorden, »nicht ohne die Zustimmung hochrangiger syrischer Geheimdienstverantwortlicher getroffen und nicht ohne die Mitwirkung ihrer Kollegen im libanesischen Geheimdienst ausgeführt werden konnte«, heißt es in dem von den Vereinten Nationen in New York veröffentlichten 54-seitigen Bericht.
Mehlis hat vier Monate lang ermittelt, 400 Personen befragen und 60 000 Dokumente prüfen lassen, und er glaubt, Beweise für eine syrische wie auch für eine libanesische Beteiligung gefunden zu haben: »Durch das fortwährende Anzapfen von Hariris Telefonen blieben die syrischen und libanesischen Sicherheits- und Geheimdienste über seine Reisepläne und Kontakte informiert«, schreibt er. Die Kommission sei der Ansicht, dass das Attentat am 14. Februar 2005 von einer Gruppe mit hohem Organisationsgrad und beträchtlichen Ressourcen ausgeführt wurde. Da »der syrische Geheimdienst in Libanon allgegenwärtig war«, sei es einfach schwerlich vorstellbar, dass ein derart komplexer Anschlagplan ohne sein Wissen ausgeführt wurde.
Die Vorstellungskraft des Ermittlers und handfeste Beweise sind indes zwei unterschiedliche Dinge, weshalb Mehlis denn auch betont, die Untersuchung sei noch nicht abgeschlossen. Wie am Freitag aus dem Beiruter Außenministerium verlautete, werde die UNO das Mandat der Mehlis-Kommission daher bis zum 15. Dezember verlängern. Den Schwarzen Peter schob Mehlis nach Damaskus: Nun sei es Sache Syriens, einen großen Teil der offenen Fragen zu klären.
Als bedeutende Figur des Anschlags nennt der Bericht Ahmad Abdel-Al, Mitglied der militanten Islamistengruppe Ahbasch mit historischen Verbindungen zu führenden Vertretern Syriens. Am Tag des Anschlags habe es zahlreiche Kontakte zwischen Abdel-Al »und den bedeutenden Figuren in den Ermittlungen« gegeben, darunter auch mit Brigadegeneral Faysal Rasheed, Chef der Sicherheitsbehörden von Beirut.
Mehlis nimmt auch den »prosyrischen« libanesischen Präsidenten Emile Lahoud ins Visier, der angeblich »Minuten vor dem Anschlag, exakt um 12.47 Uhr, auf seinem Mobiltelefon vom Bruder Abdel-Als angerufen wurde«. Lahoud, der diese Behauptung am Freitag als »unwahr« bezeichnete, ist der USA-Regierung und den »antisyrischen« Politikern in Libanon seit Monaten ein Stachel im Fleisch. Prompt nach Bekanntwerden des Berichts wurden Rücktrittsforderungen laut: »Es wäre nicht normal, wenn jemand Präsident bliebe, der von einer solchen Sache gewusst, konspiriert oder sie vertuscht hat«, sagte der Beiruter Zeitungsmacher Gibran Tueini, der aus den Geldtöpfen des USAID-Programms schöpft, das Oppositionelle in der arabischen Welt ausstaffiert. Die Mehlis-Untersuchungen hatten im vergangenen Monat bereits zur Festnahme von vier »prosyrischen« Generälen geführt; darunter Lahouds Vertrauter Mustafa Hamdan, Chef der Republikanischen Garde.
In dem Kommissionsbericht wird nun auch der syrische Außenminister Faruk el Schara der »versuchten Täuschung« beschuldigt, weil dessen Schreiben an die Mehlis-Truppe »falsche Informationen« enthalten habe. Zudem hätten die syrischen Behörden nur »in begrenztem Maß« mit der Kommission zusammengearbeitet und versucht, die UN-Aufklärer mit falschen oder ungenauen Aussagen zu täuschen.
Syrien seinerseits hat wiederholt und energisch jede Beteiligung an dem Attentat bestritten und den Mehlis-Bericht am Freitag als »parteiisch«, »politisch voreingenommen und weit entfernt von der Wahrheit« zurückgewiesen. Damaskus fürchtet wegen des Berichts Sanktionen der UNO. »Die Amerikaner und die Franzosen haben einen Plan, um den Druck auf Syrien zu erhöhen, und der Mehlis-Bericht ist das Instrument, um diesen Plan in die Tat umzusetzen«, sagte Syriens Vizeaußenminister Walid Muallem. »Die Amerikaner wollen das Regime in Syrien auswechseln«, denn sein Land sei »das einzige in der Region, das es wagt, sich dem Druck von außen zu widersetzen«. Zudem suche die USA-Regierung »einen Sündenbock, um das derzeitige Chaos in Irak in Vergessenheit geraten zu lassen«.
Tatsächlich dürfte der Bericht dem Geschmack der Mannschaft um Präsident Bush entsprechen. Die zerbricht sich schon lange den Kopf darüber, wie dem »Schurkenstaat« die Beteiligung am Bombenanschlag vom 14. Februar in Beirut, bei dem 20 weitere Menschen ums Leben kamen, nachgewiesen werden könnte. Da die USA schärfere Sanktionen und im Zuge einer »Demokratisierung« Syriens den Sturz der Regierung von Präsident Bashar Al-Assad ins Auge gefasst hat, wollen sie gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich im ersten Schritt am kommenden Dienstag eine Resolution im UNO-Sicherheitsrat einbringen, mit der Syrien für die jahrzehntelange Intervention in Libanon zur Verantwortung gezogen werden soll. Laut »Washington Post« halten die westlichen Regierungen den Zeitpunkt für eine entscheidende Schwächung Assads für gekommen, weil ihm selbst Ägypten, Saudi-Arabien und andere wichtige arabische Staaten mittlerweile die kalte Schulter zeigen. USA-Außenministerin Condoleezza Rice hat die gegen Damaskus ins Auge gefasste Attacke bereits zu Beginn der Woche bei einem privaten Frühstück mit UN-Generalsekretär Kofi Annan abgesprochen.
Mehlis wird seine Ermittlungsergebnisse ebenfalls am Dienstag vor dem Sicherheitsrat darlegen und »Empfehlungen« geben. Die USA-Regierung erhofft sich von der Zuarbeit des »deutschen Terriers«, wie er unter Kollegen betitelt wird, zusätzliche Durchschlagskraft. Allerdings kann die Resolution am Widerstand Russlands und Chinas scheitern.
Aus: Neues Deutschland, 22. Oktober 2005
Im Wortlaut
»Wahrscheinlich politisch motiviert«
Zentrale Aussagen des Berichts von UN-Sonderermittler Mehlis zur Ermordung des ehemaligen libanesischen Premiers Hariri:
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"Die Untersuchung hat bestätigt, was viele in Libanon schon lange sagen: Dass führende syrische Geheimdienstoffiziere einen enormen (...) strategischen Einfluss auf die libanesische Regierung hatten. (...)
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»Es gibt Grund zu der Annahme, dass die Entscheidung zur Ermordung des früheren Ministerpräsidenten Rafik Hariri nicht ohne die Zustimmung hochrangiger syrischer Geheimdienstverantwortlicher getroffen und nicht ohne die Mitwirkung ihrer Kollegen im libanesischen Geheimdienst ausgeführt werden konnte. (...) Angesichts der Durchdringung der libanesischen Institutionen durch die Geheimdienste Syriens und Liba-nons wäre schwerlich ein Szenario vorstellbar, in dem ein Komplott zu einer so komplizierten Mordtat ohne ihr Wissen hätte ausgeführt werden können. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass mehrere Fährten direkt auf eine Verwicklung syrischer Geheimdienstverantwortlicher in den Mord hinweisen.«
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"Durch das fortwährende Anzapfen von Hariris Telefonen blieben die syrischen und libanesischen Sicherheits- und Geheimdienste über seine Reisepläne und Kontakte informiert. (...) Die Kommission ist der Ansicht, dass das Attentat am 14. Februar 2005 von einer Gruppe mit einer weit verzweigten Organisation und beträchtlichen Ressourcen und Kapazitäten ausgeführt wurde. Aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen der Kommission und der libanesischen Ermittlungen (...) deuten übereinstimmende Beweise sowohl auf eine libanesische als auch auf eine syrische Beteiligung an diesem Terrorakt hin."
- »Nach anfänglichem Zögern haben die syrischen Behörden in gewissem Umfang (an der Untersuchung) mitgewirkt, aber mehrere Befragte haben versucht, die Ermittlungen in die Irre zu führen.«
- »Der Mord war wahrscheinlich politisch motiviert. Allerdings scheint es so, dass die Ausführenden auch durch Betrug, Korruption und Geldwäsche motiviert waren. Nach Ansicht der Kommission wurde der Anschlag vom 14. Februar 2005 von einer Gruppe mit hohem Organisationsgrad und erheblichen Ressourcen ausgeführt. Das Verbrechen war über Monate vorbereitet worden. Hariris Fahrtrouten wurden zu diesem Zweck detailliert überwacht.«
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"Es ist eine allseits bekannte Tatsache, dass der syrische Geheimdienst in Libanon allgegenwärtig war, zumindest bis zum Rückzug der syrischen Streitkräfte (nach dem Hariri-Mord). Die damaligen führenden Sicherheitskräfte in Libanon waren von ihm bestellt.
Angesichts der Durchdringung der libanesischen Institutionen durch die Geheimdienste Syriens und Libanons wäre schwerlich ein Szenario vorstellbar, in dem ein Komplott zu einer so komplizierten Mordtat ohne ihr Wissen hätte ausgeführt werden können. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass mehrere Fährten direkt auf eine Verwicklung syrischer Geheimdienstverantwortlicher in den Mord hinweisen."
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"Der Mord war wahrscheinlich politisch motiviert. Allerdings scheint es so, dass die Ausführenden auch durch Betrug, Korruption und Geldwäsche motiviert waren. Nach Ansicht der Kommission wurde der Anschlag vom 14. Februar 2005 von einer Gruppe mit hohem Organisationsgrad und erheblichen Ressourcen ausgeführt. Das Verbrechen war über Monate vorbereitet worden. Hariris Fahrtrouten wurden zu diesem Zweck detailliert überwacht."
- »Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass die Untersuchung (...) weitergeführt werden muss. Dabei müssen sämtliche Verästelungen des Falls einschließlich der Finanztransaktionen verfolgt werden. (...) Seitens der internationalen Gemeinschaft muss es nachhaltige Anstrengungen geben, um den libanesischen Behörden zu helfen.«
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In der kurzen Zeit von vier Monaten sind mehr als 400 Personen befragt, 60.000 Dokumente geprüft, mehrere Verdächtige identifiziert und einige wichtige Spuren gefunden worden. Doch die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen".
Quellen: AFP, Der Standard, 22.10.2005
Lebanon: UN report cites Lebanese, Syrian involvement in ex-premier's murder
Detlev Mehlis briefs press on report
21 October 2005 – "Converging evidence" points at both Lebanese and Syrian involvement in the assassination of former Lebanese Prime Minister Rafik Hariri, according to a report by a United Nations investigating panel, which concluded that the "terror" attack on 14 February had been carried out by a group with and extensive organization and considerable resources.
"It is a well known fact that Syrian Military Intelligence had a pervasive presence in Lebanon at the least until the withdrawal of the Syrian forces (in April)," the head of the UN International Independent Investigation Commission (UNIIIC), Detlev Mehlis, said in the report to the Security Council on the bomb attack. The bombing killed 22 others, leading to renewed calls for the withdrawal of all Syrian troops and intelligence agents, who had been in Lebanon since the early stages of the country's 1975-1990 civil war.
"The former senior security officials of Lebanon were their appointees. Given the infiltration of Lebanese institutions and society by the Syrian and Lebanese intelligence services working in tandem, it would be difficult to envisage a scenario whereby such a complex assassination plot could have been carried out without their knowledge," the 63-page report said.
The Security Council, which set up UNIIIC after an earlier UN mission found Lebanon's own investigation seriously flawed and Syria primarily responsible for the political tension preceding the murder, will discuss the report on Tuesday when it receives a public briefing by Mr. Mehlis.
On Thursday, the Secretary-General transmitted the report to the Security Council. In an accompanying letter, he says the report details progress made in the investigation but notes that a criminal investigation is yet to be completed. Mr. Annan also says he intends to extend the Commission's mandate until 15 December so that it can continue its investigation and assist the Lebanese authorities.
"Building on the findings of the Commission and Lebanese investigations to date and on the basis of the material and documentary evidence collected, and the leads pursued until now, there is converging evidence pointing at both Lebanese and Syrian involvement in this terrorist act," Mr. Mehlis said, summarizing the four-month probe, during which the Commission interviewed more than 400 persons and reviewed 60,000 documents.
The report noted that the apparent growing conflict between Mr. Hariri and senior Syrian officials, including Syrian President Bashar Assad, was a central aspect of information provided to the Commission through interviews and documents.
"It is incumbent upon Syria to clarify a considerable part of the unresolved questions," it concludes, adding that the Commission has established that many leads point directly towards Syrian security officials as being involved with the assassination.
"While the Syrian authorities, after initial hesitation, have cooperated to a limited degree with the Commission, several interviewees tried to mislead the investigation by giving false or inaccurate statements," the report stated, adding that the "letter addressed to the Commission by the Foreign Minister of the Syrian Arab Republic proved to contain false information."
The report stressed that the investigation was not complete and should continue for some time to come. It the Commission's view that the continuing investigation should be carried forward by the appropriate Lebanese judicial and security authorities, who have proved during the investigation that with international assistance and support, they can move ahead and at times take the lead in an effective and professional manner."
Source: www.un.org
Assad unter Druck
(...) Ermittler Detlev Mehlis, der in seinem Bericht eine Skizze komplexer Zusammenhänge zwischen offiziellen syrischen Stellen und der in den Grauzonen agierenden Geheimdienste geliefert hat, wusste um die politische Dimension seiner Untersuchung im Namen der Vereinten Nationen. Doch der Jurist versäumte es nicht, bereits vor dem Erscheinen seiner Resultate hervorzuheben, dass es ihm allein um eine strafrechtliche Bewertung des Falles gehe, der in Libanon in kurzer Zeit eine stürmische Periode des Umbruchs angestoßen hatte.
(...)
Was sich in Libanon als Epochenwandel hin zur Demokratie entwickeln könnte, erscheint in Syrien als ungleich schwierigerer Prozess. Dem noch immer jungen Präsidenten Bashar al-Assad, der seit fünf Jahren die Geschicke seines Staates zu lenken versucht, ist es offensichtlich nicht gelingen, in reformerischer Absicht die verkrusteten Strukturen des allenfalls auf den ersten Blick stabil wirkenden Staatsgebildes aufzubrechen. Obwohl die jungen, Arbeit suchenden Syrer ihre Ungeduld zuletzt nur schwerlich zügeln konnten, mussten die Höflinge, die bereits die Gunst von Vater Hafis al-Assad zu nutzen wussten, um Privilegien nicht fürchten.
Bis jetzt, bis zu diesem 21. Oktober. Der Tag, an dem nicht mehr allein Washington ungeduldig zur Öffnung drängt. An dem Syrien plötzlich im Lichte der Weltöffentlichkeit am Pranger steht. Es könnte gut sein, dass die Zeit für Reformen längst abgelaufen ist.
Matthias Arning
Aus: Frankfurter Rundschau, 22. Oktober 2005
Herr Mehlis aus Berlin
Kriegstreiberei gegenüber Syrien
Von Werner Pirker
Ein Berliner Staatsanwalt hat sich in die Schlagzeilen der Weltpresse katapultiert. Als UNO-Sonderermittler erstellte Detlev Mehlis einen Bericht, der Beweise für die Verwicklung Syriens in den Mordanschlag auf der früheren libanesischen Premier Rafik Hariri enthalten soll. Doch es werden keine Beweise angeführt. Der Bericht stellt sich als ein elendes Geschwafel im Konjunktiv dar. Nur ein Beispiel: »Angesichts der Durchdringung der libanesischen Institutionen durch die Geheimdienste Syriens und Libanons wäre schwerlich ein Szenario vorstellbar, im dem ein Komplott zu so einer komplizierten Mordtat ohne ihr Wissen hätte ausgeführt werden können.« Alles klar.
Doch wie wäre dann erst ein Komplott von ganz anderer Größenordnung, nämlich die Flugzeuganschläge vom 11. September, ohne das Wissen des alles durchdringenden mächtigsten Geheimdienstes der Welt möglich gewesen? Spekulationen in diese Richtung gibt es zur Genüge. Doch sie finden in keinem UNO-Bericht ihren Niederschlag.
Der Mehlis-Bericht stellt einen hinterhältigen Anschlag auf den Frieden dar. Denn er ist darauf angelegt, einen unabhängigen Staat ins Fadenkreuz der Kriegstreiber in Nahost zu rücken. Scheinheilig formulieren die Berichterstatter, daß es nun an Syrien liege, einen großen Teil der noch ungeklärten Fragen zu klären. Als müßte Syrien seine Unschuld beweisen und nicht die Klägerseite seine Schuld. Das erinnert frappant an das Kesseltreiben gegen den Irak vor Beginn des Krieges. Damals war dem beschuldigten Land sogar zugemutet worden, seine »Schuld« selbst offenzulegen, weil diejenigen, die es beschuldigten, dazu nicht in der Lage waren. Aus gutem Grund, wie man heute weiß.
Die USA werden die Steilvorlage des deutschen UNO-Ermittlers aufzunehmen wissen. US-Medien zufolge plane Washington die Verhängung von scharfen Sanktionen gegen Syrien. Zudem soll die Forderung nach einer neuen Regierung in Damaskus erhoben werden. Ein »Regime change« als Voraussetzung zur Vermeidung eines Krieges, das ist bereits Krieg. Denn das ist die ultimative Form einer Erpressung. Doch es fragt sich, ob die Amerikaner einen weiteren Krieg in Nahost überhaupt wollen beziehungsweise wollen können. Ein Krieg gegen Syrien würde keinen geringeren Volkswiderstand auslösen als der im Irak. Und das würde nicht bloß eine Summierung der Befreiungskräfte ergeben, sondern in ihrem Zusammenwirken eine neue Qualität. Dann wäre wohl auch in Ägypten ein Regimewechsel auf antiamerikanischer Grundlage nicht mehr zu verhindern.
Deshalb wird Herr Mehlis aus Berlin vielleicht doch nicht als erfolgreicher Kriegsprovokateur in die Geschichte eingehen.
Aus: junge Welt, 22. Oktober 2005
Fingerzeigen auf Syrien
Der Mehlis-Report liefert den Vertetern eines harten Kurses im UN-Sicherheitsrat Munition - von Gudrun Harrer
(...) Als Leser des Berichts ist man bestimmt nicht in der Lage, ein Urteil über die genauen Verantwortlichkeiten zu fällen, das tut ja auch Mehlis selbst nicht. Die Ermittlungen wurden erst einmal bis Mitte Dezember verlängert. Wenn aber der UNO-Sicherheitsrat nächste Woche zu Syrien zusammentritt, dann haben diejenigen, die eine harte Vorgangsweise wünschen, trotzdem starke Munition zur Verfügung: Mehr als die Anschuldigungen, dass der Außenminister die Mehlis-Kommission angelogen hat, braucht man ja eigentlich nicht. Das kann als ultimatives Argument dafür dienen, dass Syrien, wenn schon nichts anderes, nicht voll mit der UNO kooperiert hat.
Jemanden, der Syrien überzeugt und überzeugend verteidigt, gibt es längst nicht mehr im Sicherheitsrat, übrigens auch in der arabischen Welt nicht. Diese wird jedoch von der Sorge regiert, dass man sich mit einer Destabilisierung und einem chaotischen Regimewechsel quasi einen zweiten Irak schafft.
Was das syrische Regime und seine Verbündeten im Libanon jetzt tun werden, ist schwer zu prognostizieren. Libanons Präsident Emile Lahoud ist ein Rücktrittskandidat, aber das wäre jetzt nur mehr ein Bauernopfer am Rande. Was die USA von Assad wollen, ist ein Kniefall von der Art, wie sie ihn vor dem Irak-Krieg von Saddam Hussein verlangt haben. (...)
Aus: Der Standard, 22. Oktober 2005
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