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Drei Tage für Damaskus

Arabische Liga stellt Ultimatum / Gefechte in Syrien *

Die Arabische Liga erhöht den Druck auf die syrische Regierung und stellte Damaskus ein Ultimatum.

Die Arabische Liga setzte Syrien nach Beratungen in der marokkanischen Hauptstadt Rabat ein Ultimatum und drohte mit wirtschaftlichen Sanktionen, sollte die Gewalt gegen Zivilisten nicht binnen drei Tagen aufhören. Wenn Damaskus sich nicht binnen dieser drei Tage zur Zusammenarbeit mit dem Staatenbund bereit erkläre, werde dieser Zwangsmaßnahmen beschließen, sagte der Regierungschef von Katar, Scheich Hamed bin Dschassem al-Thani. Die Frist gelte von Mittwoch an.

Am Mittwoch hatte die Liga die Mitgliedschaft Syriens ausgesetzt. Aufgebrachte Syrer attackierten nach dem Beschluss zur Suspendierung die Botschaften mehrerer arabischer Länder in Damaskus, darunter die Marokkos. Marokko zog am Mittwoch seinen Botschafter ab.

In einer nach ihrem Treffen in Rabat veröffentlichten Erklärung lehnten die Außenminister der Arabischen Liga und der Türkei jede Form einer internationalen Intervention in Syrien ab, forderten jedoch Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung. Der im türkischen Exil lebende Führer der syrischen Muslimbrüder, Mohammed Riad Schak, betonte indes am Donnerstag, die Syrer würden eine Intervention »akzeptieren«, wenn diese von der Türkei und nicht von westlichen Staaten vorgenommen würde und dem Schutz der Zivilisten diene. Seit Beginn der Proteste gegen Präsident Baschar al-Assad starben UNO-Schätzungen zufolge mehr als 3500 Menschen.

Nachdem am Mittwoch (16. Nov.) bei der Gewalt nach Angaben der Opposition mindestens 23 Menschen getötet worden waren, unter ihnen acht Soldaten, wurde laut der in London ansässigen Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag ein neun Jahre altes Mädchen bei einer Hausdurchsuchung im ostsyrischen Deir Essor erschossen.

Armeedeserteure griffen der Beobachtungsstelle zufolge am Donnerstag in der nordwestlichen Region Idleb mit Panzerfäusten Sicherheitskräfte an, die sich in einem Jugendzentrum versammelt hatten. Es habe Gefechte gegeben, Angaben zu möglichen Opfern wurden nicht gemacht. Bei einem der spektakulärsten Angriffe auf syrische Sicherheitskräfte seit Beginn der Proteste hatten Armeedeserteure am Mittwoch eine Militärbasis des Geheimdienstes bei Damaskus angegriffen. Die im Sommer gegründete Freie Armee Syriens setzte Panzerfäuste und Granaten ein, wie oppositionelle örtliche Koordinierungskomitees mitteilten.

* Aus: neues deutschland, 18. November 2011


Assad isoliert

Von Roland Etzel **

Hieß es bislang, Assads Herrschaft in Syrien gehe schweren Zeiten entgegen, so muss man jetzt wohl sagen, dass sie dort unwiderruflich angekommen ist. Der dreitägige Aufschub, den die Arabische Liga gewährt, ehe sie endgültig den Daumen senken will, ändert daran nichts, zumal niemand erwartet, dass sich innerhalb dieser Frist irgendetwas ändert.

Aber auch ohne formalen Beschluss ist Syrien - Ausnahme Libanon - in der Region seit langem völlig isoliert. Mit der Menschenrechtssituation in dem Land hat dies allerdings wenig zu tun. Den konservativ-sunnitischen Golfmonarchien ist Syrien als relativ säkular geführter Staat stets verhasst gewesen, noch dazu beherrscht von der alewitischen Minderheit. Doch konnten sie wenig ausrichten, solange die Assads über potente Bündnispartner verfügten. Das tun sie nicht mehr. Als letzter bekam Nachbar Erdogan kalte Füße und setzte sich von Damaskus ab.

Nun ist es schon grotesk, wenn sich ausgerechnet Staaten wie Saudi-Arabien oder die Emirate, in denen weder Parteien noch Gewerkschaften erlaubt sind, geschweige denn Wahlen, die diesen Namen verdienen würden, über die Menschenrechtslage in Syrien mokieren. Auch das türkische Diktum, Assad müsse aufhören, gegen die eigene Zivilbevölkerung vorzugehen, ist eine ziemliche Unverfrorenheit angesichts des jahrzehntelangen Krieges gegen die Kurden im eigenen Land. Dies alles ändert freilich nichts an der Tatsache, dass Assad zu Hause tatsächlich die Felle wegschwimmen, er offenbar immer weniger Herr der Lage im Lande ist. Die Entscheidung, das Ligatreffen zu boykottieren, zeugt zudem von einer krassen Fehleinschätzung der eigenen Lage.

** Aus: neues deutschland, 18. November 2011 (Kommentar)


Wie ein "echter Bürgerkrieg"

Russischer Außenminister fordert Druck auch auf syrische Opposition. Arabische Liga stellt Assad Ultimatum ***

Die Arabische Liga erhöht weiter den Druck auf die syrische Regierung. Der Staatenbund setzte dem Land nach Beratungen in der marokkanischen Hauptstadt Rabat ein Ultimatum und drohte mit wirtschaftlichen Sanktionen, sollte die »Gewalt gegen Zivilisten« nicht binnen drei Tagen aufhören.

Am Mittwoch (16. Nov.) hatte die Liga die Mitgliedschaft Syriens ausgesetzt. Aufgebrachte Syrer attackierten nach dem Beschluß zur Suspendierung die Botschaften mehrerer arabischer Länder in Damaskus, darunter die Marokkos. Das nordwestafrikanische Land zog am Mittwoch seinen Botschafter ab. In einer nach ihrem Treffen in Rabat veröffentlichten Erklärung lehnten die Außenminister der Arabischen Liga und der Türkei jede Form einer internationalen Intervention in Syrien ab, forderten jedoch Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung. Seit Beginn der Proteste gegen Präsident Baschar Al-Assad starben UNSchätzungen zufolge mehr als 3 500 Menschen.

Armeedeserteure griffen laut einer Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London am Donnerstag in der Region Idleb mit Panzerfäusten Sicherheitskräfte an, die sich in einem Jugendzentrum versammelt hatten. Es habe Gefechte gegeben, Angaben zu möglichen Opfern wurden nicht gemacht. Bei einem der spektakulärsten Angriffe auf syrische Sicherheitskräfte seit Beginn der Proteste hatten Deserteure am Mittwoch eine Militärbasis des Geheimdienstes bei Damaskus angegriffen. Die im Sommer gegründete Freie Armee Syriens setzte dabei Panzerfäuste und Granaten ein, wie die oppositionellen örtlichen Koordinierungskomitees mitteilten. China und Rußland zeigten sich am Donnerstag besorgt über die Gewalt. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte, der Angriff auf die Militärbasis ähnele »einem echten Bürgerkrieg«. Er forderte die Weltgemeinschaft auf, den Druck auch auf die syrische Opposition zu erhöhen, die ebenfalls zur Eskalation der Gewalt beitrage. (AFP/jW)

*** Aus: junge Welt, 18. November 2011


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