Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Vereinbarung gegen die Gewalt in Syrien

Übereinkunft zwischen Arabischer Liga und Damaskus soll Unruhen stoppen

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Syrien und ein Sonderkomitee von Außenministern der Arabischen Liga haben sich auf eine Vereinbarung geeinigt, mit der die Unruhen in Syrien gestoppt werden sollen. Am späten Mittwoch nachmittag stellte der Außenminister von Katar, Scheich Hamad Bin Jassim Bin Jabr Al-Thani Einzelheiten der Presse in Kairo vor, dem Sitz der Arabischen Liga. Al-Thani leitet das Komitee.

Erstmals waren beide Seiten vor einer Woche in Damaskus zusammen-getroffen und hatten die Gespräche am Sonntag in Doha (Katar) fortgesetzt. Am Montag abend war die syrische Delegation ohne Zusage abgereist und hatte Bedenkzeit erbeten. Schließlich wurden in einem Anhang syrische Ergänzungen aufgenommen.

Die Vereinbarung sieht vor, daß die Gewaltanwendung von allen Seiten gestoppt wird. Syrien verpflichtet sich, Armee und bewaffnete Kräfte des Geheimdienstes aus Städten, Dörfern und Wohngebieten abzuziehen. Gefangene, die im Verlauf der Proteste festgenommen worden waren, sollen freigelassen werden. Die ersten Gefangenen sollen noch vor dem Opferfest (Eid Al-Adha) freigelassen werden, das am Sonntag beginnt. Vertreter der Arabischen Liga sollen die Umsetzung der Vereinbarung in Syrien begleiten und der Liga regelmäßig Bericht erstatten. Arabischen und anderen ausländischen Medien werden Einreise und Bewegungsfreiheit in Syrien zugesagt. In zwei Wochen soll eine Konferenz des nationalen Dialogs in Damaskus stattfinden, die vom Außenministerkomitee mit staatlichen Stellen und allen Teilen der Opposition vorbereitet werden soll.

Ursprünglich wollte die Arabische Liga den nationalen Dialog in Kairo durchführen, da Vertreter des oppositionellen Syrischen Nationalrates (SNR) aus Angst vor Repression nicht nach Syrien reisen wollen. Daß der Dialog nun doch in Damaskus stattfinden wird, deutet darauf hin, daß Syrien seine Sicherheitsgarantien für Oppositionelle aus dem Exil erneuert hat. Der Syrische Nationalrat lehnt Gespräche mit dem Regime ab und fordert den Sturz von Präsident Baschar Al-Assad. Namentlich nicht genannte Vertreter der Opposition kündigten (gegenüber dem Nachrichtensender Al-Dschasira) für Freitag neue Proteste an.

Unklar ist, wer garantiert, daß auch diejenigen ihre Waffen niederlegen, die Teile der Bevölkerung bedrohen, Sabotageaktionen verüben und syrische Soldaten und Sicherheitskräfte töten. Dazu zählen Deserteure einer »Freien Syrischen Armee«, Milizen, die aus dem Ausland finanziert und bewaffnet werden, sowie Oppositionelle, die sich zum eigenen Schutz bewaffnet haben oder um getötete Angehörige zu rächen. Am Mittwoch erschossen nach Angaben einer syrischen Oppositionsgruppe in London Deserteure 15 Soldaten in zwei Hinterhalten. 14 Arbeiter einer Textilfabrik wurden am gleichen Tag von Unbekannten getötet und die Leichname verstümmelt.

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon erklärte vor Journalisten in Tripolis (Libyen), Syrien müsse nun die Vereinbarung umsetzen und zeigen, daß es ihm mit dem Ende der Gewalt ernst sei. Ein Sprecher des Weißen Hauses in Washington erneuerte die Forderung nach Rücktritt von Präsident Assad. Westliche Diplomaten, die an den Verhandlungen in Doha teilgenommen hatten, meinten, Syrien versuche lediglich, Zeit zu gewinnen.

* Aus: junge Welt, 4. November 2011

Nachrichtenagenturen: Blutvergießen geht weiter

In Syrien geht die Regierung von Präsident Baschar al-Assad weiter gewaltsam gegen Regimegegner vor, meldet euronews am 4. Nov. In der Protesthochburg Homs töteten Soldaten nach Angaben von Menschenrechtlern mindestens 20 Menschen. Die Soldaten hätten von Panzern aus in die Menge geschossen, heißt es. Die erneuten Angriffe kamen nur einen Tag nach einer Vereinbarung der Assad-Regierung mit der Arabischen Liga, in der ein Gewaltverzicht abgemacht worden war.

Mohamad Salman, Chef der oppositionellen Nationalen Initiative für Demokratie appellierte an die Regierung in Damaskus:

“Wir von der Nationalen Initiative rufen die Regierung auf, die Vereinbarung ernsthaft umzusetzen und mit uns an der Lösung dieser Krise zu arbeiten. Wir rufen außerdem alle Oppositionsparteien dazu auf, einheitlich zu handeln und zusammenzuarbeiten, damit diese Vereinbarung gelingt.”

(...)

(euronews, 05.11.2011)




Zurück zur Syrien-Seite

Zur Nahost-Seite

Zurück zur Homepage