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Neue Front

UN-Soldaten am Golan wieder frei. Hisbollah kündigt Aufrüstung an

Von Karin Leukefeld *

Nach fünftägiger Gefangenschaft haben Aufständische in Syrien am Sonntag vier UN-Soldaten wieder freigelassen. Angeblich habe man die vier Blauhelme, die in der Pufferzone zwischen Israel und Syrien auf den Golan-Höhen ihren Dienst versehen, »zum Schutz vor Angriffen des Assad-Regimes« mitgenommen, hieß es in einer Erklärung der Aufständischen. Nach Angaben des philippinischen Außenministers Albert del Rosario war die Lage umgekehrt. Die Aufständischen hätten nicht die UNO-Soldaten, sondern sich selber vor der syrischen Armee schützen wollen. »Sie waren unter Belagerung und haben unsere Leute benutzt, um sich aus der Situation herauszubringen«, sagte del Rosario.

Die Aufständischen, die sich als »Yarmuk-Märtyrer-Brigade« bezeichnen, übergaben die vier Männer am Samstag Brigadegeneral Domingo Tutaan, dem Kommandeur der philippinischen Blauhelme. Der zeigte sich »glücklich« über die Rückkehr seiner Soldaten und forderte »Kämpfer aller Seiten« auf, die Bewegungsfreiheit der Blauhelmsoldaten zu respektieren. Es war das zweite Mal, daß Aufständische in der Pufferzone auf dem Golan philip­pinische UN-Soldaten verschleppten. Die UN-Mission (UNDOF) überwacht seit 1974 die Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Syrien. Israel hatte 1967 die Golan-Höhen besetzt und später annektiert.

Seit Ende 2012 nutzen Aufständische, die in Jordanien bewaffnet und ausgebildet werden, die Pufferzone als Aufmarschgebiet. Der Aufmarsch erfolgt unter den Augen der UN-Mission und Israels, das Gebiet wird mit Radar und per Satellit von der NATO und der UNO lückenlos überwacht. Kroatien und Indien haben Anfang 2012 ihre UN-Blauhelme vom Golan zurückgezogen, nach der erneuten Verschleppung ihrer Soldaten drohen auch die Philippinen, ihre 340 Soldaten abzuziehen.

Sollte die UNO die UNDOF-Mission beenden, könnte das Gebiet zu einer neuen Front zwischen palästinensischen Gruppen und der libanesischen Hisbollah auf der einen und Israel auf der anderen Seite werden. Das machte der Vorsitzende der Hisbollah, Hassan Nasrallah, in der vergangenen Woche deutlich, als er öffentlich zu den israelischen Angriffen auf Syrien Stellung nahm. Die Golan-Höhen waren nach dem Willen von Damaskus bisher für den Widerstand tabu. Doch nachdem Israel Anfang Mai erneut Angriffe auf Stellungen der syrischen Armee geflogen hat, habe Damaskus die wichtige strategische Entscheidung getroffen, »die Golan-Front für die Kämpfer des Widerstandes freizugeben«, erklärte Nasrallah.

Tel Aviv versuche die Bewaffnung des Widerstandes gegen Israel zu verhindern und wolle Syrien aus »dem Gleichgewicht des Widerstandes« herausbrechen, das werde aber nicht gelingen, so Nasrallah. Syrien werde Waffen an die Hisbollah liefern, die man vorher nicht gehabt habe. Die Entscheidung hierzu sei »hochstrategisch« und habe »mehr Bedeutung als eine Rakete auf Israel abzuschießen oder Luftangriffe zu fliegen«, sagte Nasrallah.

Nasrallah kritisierte die arabischen Staaten für ihr Schweigen zu den israelischen Angriffen auf Syrien. Außenminister bestimmter arabischer Staaten machten »gefährliche Zusagen« gegenüber Israel, Palästina sei für sie eine »historische Last«. Ohne es beim Namen zu nennen, kritisierte Nasrallah das Emirat Katar, das große Summen Geld für »ein Fußballstadion für den Weltcup« baue, anstatt das Geld zum Schutz Jerusalems einzusetzen.

Der britische Ministerpräsident David Cameron führte am Wochenende Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über Syrien. Trotz fundamentaler Differenzen stimmten beide Politiker darin überein, daß die Gewalt gestoppt werden und das Land als einheitlicher und souveräner Staat erhalten werden müsse. Cameron genehmigte die »befristete« Zusammenarbeit des britischen Auslandsdienstes MI5 mit dem russischen Geheimdienst. Angekündigt hat sich auch der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu, der nach Einschätzung von Medien seines Landes Putin davon abhalten will, ein modernes Luftabwehrsystem an die syrische Armee zu verkaufen. Die mögliche Lieferung war vom israelischen Geheimdienst gemeldet worden, eine offizielle russische Erklärung gibt es nicht. Sollte eine solche Lieferung erfolgten, dürfte Israel sie als Antwort auf die eigenen Luftangriffe auf syrische Armeestellungen Anfang Mai verstehen. Israel ist in den vergangenen Jahren von den USA mit modernen Luftabwehrsystemen (Iron Dome) ausgestattet worden.

* Aus: junge welt, Montag, 13. Mai 2013


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