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Bis zum Triumph des Koran

Gotteskrieger wollen kein weltliches Regime in Syrien akzeptieren

Von Gerrit Hoekman *

Wer darauf hofft, ein Sturz des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad würde den Krieg in seinem Land beenden, gibt sich Illusionen hin. Der Kampf würde weitergehen, solange eine weltliche Regierung in Damaskus am Ruder ist. Das hat Muhammad Schalabi, der Führer der radikal-islamischen Salafisten in Südjordanien, Mitte Juli in einem Interview mit der arabischen Tageszeitung Al-Hayat bekräftigt, kurz nachdem Al-Qaida nahestehende Extremisten in Syrien das Mitglied des Obersten Militärrats der Freien Syrischen Armee (FSA), Kamal Hamami, erschossen hatten. »Wenn wir uns nach dem Fall des tyrannischen Regimes nicht auf den Heiligen Koran berufen, bleibt die Situation wie sie jetzt ist. Das würde bedeuten, daß unser Blut in den vergangenen zwei Jahren sinnlos vergossen wurde«.

Schalabis Leute sind unter anderem in der südlichen syrischen Provinz Daraa im Einsatz. Sie kämpfen an der Seite der berüchtigten Nusra-Front und anderen Gotteskriegern aus dem Irak und den Golfstaaten gegen die Regierungstruppen. »Wir sind nach Syrien gekommen, um nach den Regeln Gottes, des Allmächtigen, zu regieren«, sagt Schalabi, der auch als Abu Sayyaf bekannt ist. Allerdings sei es schwerer geworden, an den jordanischen Grenzsoldaten vorbeizukommen. Deshalb nähmen viele Kämpfer nun den Umweg über die Türkei. Anders als Jordanien mache es ihnen Ankara sehr leicht über die Grenze ins umkämpfte Aleppo zu kommen.

Die jordanischen Gotteskrieger sind dem syrischen Ableger der Al-Qaida herzlich willkommen, schließlich haben viele von ihnen in Afghanistan, dem Irak, Tschetschenien und dem Jemen Kampferfahrung gesammelt. Einige führen Brigaden der Nusra-Front. Der »Emir« von Damaskus, so bezeichnen die Islamisten den Militärchef einer Region, stammt auch aus Jordanien. Syrer, Jordanier, Golf-Staatler, Iraker und Marokkaner – in dieser Reihenfolge hole sich Nusra militärische Hilfe aus dem Ausland, plaudern die jordanischen Dschihadisten aus dem Nähkästchen. In Jordanien sollen noch 5000 Salafisten auf ihren Einsatz warten, ist in der arabischen Presse zu lesen.

»Sie haben ihre Häuser verkauft, ihre Autos oder sogar Gastanks, um die Reise bezahlen zu können und sich leichte Waffen zu kaufen«, erzählte Munif Samara, eine weitere prominente Figur der jordanischen Fundamentalisten, der Zeitung Al-Hayat. Der Preis für eine Kalaschnikow liegt in Amman bei umgerechnet 1300 Euro, hat die von Saudi-Arabien gesponserte Zeitung recherchiert. Die berühmte Maschinenpistole der Roten Armee ist im Augenblick schwer zu kriegen. Auf dem Waffenmarkt galoppiert deshalb die Inflation – am Anfang des Kriegs war das Gewehr nur halb so teuer. Der Preis für eine Patrone hat sich ebenfalls verdoppelt: Ein Menschenleben auszulöschen, kostet inzwischen immerhin 3,50 Euro.

Der jordanische König Abdullah sieht die Entwicklung in Syrien mit Sorge. Ein »Kalifat« in unmittelbarer Nachbarschaft wäre auch eine große Gefahr für seine eigene Macht. Schnell könnte der Funke von Damaskus nach Amman überspringen. Die Islamisten machen keinen Hehl daraus, daß Syrien nur eine Etappe auf dem Weg zu einem islamischen Staat in ganz Arabien ist. »Diese Option liegt für Jordanien nicht auf dem Tisch«, beruhigt Schalabi. »Es gibt Schlachtfelder, die wichtiger sind.«

Zunächst einmal hält er eine bewaffnete Auseinandersetzungen mit der Freien Syrischen Armee (FSA) für unvermeidlich. Der bereits schwelende Konflikt würde noch heftiger werden, wenn erst einmal der syrische Präsident gestürzt sei. »Sie sind ein notwendiges Übel angesichts der verschiedenen Methoden und Programme«, glaubt Schalabi. »Es besteht ein großer Unterschied. Die FSA möchte zum Beispiel einen demokratischen, säkularen Staat errichten und sie hat kein Problem, ihre Positionen dem Diktat des Westens anzupassen, wenn das Regime gefallen ist.« Das Ziel der Salafisten sei aber ein Syrien auf der Basis der Scharia. »Das wird unvermeidlich zum Zusammenstoß führen.« Sollte die Freie Syrische Armee nach dem Sieg über Assad die Islamisten aufrufen die Waffen niederzulegen, werde man dem nicht folgen. »Es wird viele Opfer geben«, droht Schalabi.

* Aus: junge Welt, Montag, 22. Juli 2013


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