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Hände weg von Syrien

Iran: Demokratie kann nicht mit Waffengewalt erzwungen werden

Von Karin Leukefeld *

Nach Rußland hat auch der Iran das Ansinnen der Türkei, sich von der NATO Patriot-Raketen nahe der Grenze zu Syrien stationieren zu lassen, scharf kritisiert. Das Vorgehen sei »kontraproduktiv«, sagte der iranische Parlamentssprecher Ali Laridschani nach Gesprächen mit dem syrischen Präsidenten Bashar Al-Assad in Damaskus. Solche Waffen »können die interne Krise in Syrien nicht lösen«. Der Unterschied zwischen Iran und »den anderen in Sachen Syrien ist, daß die anderen die Demokratie mit Waffengewalt erzwingen wollen«, sagte Laridschani. Iran könne und werde das nicht akzeptieren. Das syrische Außenministerium hatte eine mögliche Stationierung der Patriot-Raketen in der Türkei zuvor als »Provokation« zurückgewiesen.

Aufständische werden für ihren Kampf in Syrien in der Provinz Mardin, in den kurdischen Gebieten der Südosttürkei ausgebildet. Das berichtet die kurdische Nachrichtenagentur Dicle unter Berufung auf Augenzeugen. Die Oppositionellen werden demnach von den türkischen Grenztruppen in Nusaybin sowie bei einem Vorposten der Stadtgendarmerie Senyurt im Bezirk Kiziltepe geschult. Seit einem Monat habe er die »bärtigen und bewaffneten Gruppen« beobachtet, wie sie kämen und gingen, sagte ein mit den Kürzeln K.A. benannter Anwohner eines der Stützpunkte. Die Männer trügen halb militärische, halb zivile Kleidung, manchmal seien sie in gepanzerten Fahrzeugen unterwegs. »Wir verstehen nicht, was die Türkei hier macht«, fügte er hinzu.

Die Kämpfer würden mit Hilfe der türkischen Grenztruppen nach Syrien geschleust, berichten andere Quellen. Seit Anfang November kämpfen sie in der Grenzstadt Ras Al-Ain (kurdisch Serekani). Agenturberichten zufolge kämpfen in Ras Al-Ain extremistische Islamistengruppen wie die Al-Nusra-Front. Mehrfach erklärten diese, einen islamischen Staat in Syrien aufbauen zu wollen. Zuletzt distanzierten sich zwölf islamistische Gruppen von dem in Doha neu geformten Zusammenschluß syrischer Oppositioneller, der »Nationalen Koalition«.

Die von der kurdischen Partei für Demokratische Einheit (PYD) kontrollierten Gebiete im Norden Syriens waren von Gefechten bisher weitgehend verschont geblieben. Die PYD ist Teil des Nationalen Koordinationsrates für Demokratischen Wandel (NCC) und tritt für eine politische Lösung der innersyrischen Konflikte ein. Ausländische Intervention und bewaffneter Kampf in Syrien wird abgelehnt. Die Kurden werden als fester Bestandteil Syriens gesehen. Die PYD tritt für eine weitreichende kurdische Autonomie in einem zukünftigen demokratischen Syrien ein. Die syrischen Armee- und Sicherheitskräfte lassen die Kurden gewähren, was diesen von ihren politischen Gegnern fälschlicherweise als »Kollaboration mit dem syrischen Regime« vorgeworfen wird.

Beobachter vor Ort gehen davon aus, daß die Türkei mit der auch von ihren Verbündeten getragenen Unterstützung für bewaffnete Aufständische in Syrien und den gezielten Angriffen gegen die kurdische PYD, eine kurdische Autonomie im Norden Syriens, ähnlich wie der im Nordirak, verhindern will.

Der internationale Sonderbeauftragte für Syrien, Lakhdar Brahimi, wird voraussichtlich am kommenden Donnerstag im UN-Sicherheitsrat einen neuen Lösungsplan für den blutigen Konflikt in Syrien vorlegen. Das berichtete die Tageszeitung As Safir (Beirut). Der Plan orientiere sich an dem von seinem Vorgänger Annan vorgelegten Plan für eine Übergangsperiode bis 2014. In dieser Zeit sollen Parlaments- und Kommunalwahlen unter UN-Aufsicht stattfinden. Dem Plan war Ende Juni 2012 unter dem Namen »Genfer Abkommen« von allen Außenministern der Veto-Mächte zugestimmt worden. Unmittelbar danach stellte US-Außenministerin Hillary Clinton die Vereinbarung wieder in Frage. Seitdem ist der Konflikt in Syrien weiter eskaliert.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 27. November 2012

Karin Leukefeld

referiert auf dem 19. Friedenspolitischen Ratschlag am 1./2. Dezember 2012 in Kassel zum Thema:
Was habt ihr dem arabischen Frühling in Libyen und Syrien angetan!?
Hier geht es zum Programm des Kongresses




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