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Bürgerkrieg als Ziel

Syrische Regierung legt ersten Untersuchungsbericht zum Massaker von Hula vor. USA sprechen von »Lügen«

Von Karin Leukefeld *

Die syrische Regierung hat ein vorläufiges Untersuchungsergebnis über die Ereignisse in Hula und anderen Ortschaften in der Provinz Homs vorgelegt. Am 25. Mai waren an mindestens zwei Orten 108 Personen getötet worden, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Sie gehörten zu großen Familienverbänden und wurden regelrecht hingerichtet. Teile der syrischen Auslandsopposition machen Armee und Milizen der syrischen Regierung verantwortlich. Die USA, Frankreich, Großbritan­nien, Deutschland und andere führende Staaten der »Freunde Syriens« übernahmen diese Position und wiesen syrische Botschafter aus. Die syrische Regierung beschuldigt »Terroristen«.

Der Leiter der Untersuchungskommission, General Kassim Jamal Suleiman, sagte am Donnerstag nachmittag in Damaskus bei einer Pressekonferenz im Außenministerium, die Opfer hätten mehrheitlich Familien angehört, die keine Regierungsgegner seien und das Vorgehen bewaffneter Gruppen ablehnten. Sie seien aus nächster Nähe erschossen oder mit scharfen Gegenständen getötet worden. Der Angriff habe offenbar direkt der Familie von Abdul-Moa’ti Mashlab gegolten, einem Abgeordneten im syrischen Parlament, sagte Suleiman. Zur möglichen Identität der Mörder machte der General keine Angaben.

Parallel zu dem Massaker hätten Aufständische zwei Armeestellungen angegriffen. Die Armee habe fünf Kontrollpunkte in der Gemeinde von Hula, die aus mehreren Dörfern besteht. Der eigentliche Ort Hula wird von bewaffneten Gruppen kontrolliert. Bis zu 800 gut bewaffnete Männer hätten sich nach dem Freitagsgebet in Hula versammelt und die Armeestellungen gleichzeitig angegriffen. Die Soldaten hätten sich verteidigt, ihre Stellungen aber nicht verlassen. Etliche der bei dem Kampf getöteten Angreifer seien später als »Opfer des Massakers in Hula« den UN-Beobachtern präsentiert worden. Die Armee habe weder vor noch nach dem Kampf mit den bewaffneten Gruppen Hula betreten.

Außenamtssprecher Jihad Makdissi erklärte, die Untersuchungen würden fortgesetzt. Sie seien schwierig, weil »sich in dem Gebiet Bewaffnete aufhalten«. Um Augenzeugen zu schützen, würden noch nicht alle Erkenntnisse veröffentlicht. Der Abschlußbericht werde dem UN-Sicherheitsrat und der UN-Beobachtermission in Syrien zugestellt. Makdissi sagte, das Massaker wie auch andere Morde hätten offenbar das Ziel, einen Bürgerkrieg in Syrien auszulösen. Die syrische Gesellschaft mit »18 Volks- und Religionsgruppen, die Jahre in Harmonie miteinander gelebt haben«, solle zerschlagen werden.

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, wies die vorläufigen Untersuchungsergebnisse umgehend als »krasse Lüge« zurück. Der UN-Menschenrechtsrat befaßte sich am Freitag mit dem von 21 der 47 Mitgliedsstaaten (darunter Katar, Türkei, USA, Saudi-Arabien, Kuwait, Dänemark und die EU) gestellten Antrag, eine eigene Untersuchung des Massakers in Hula einzuleiten. Rupert Colville, der Sprecher von UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay, hatte bereits zuvor die als »Schabiha« bezeichneten Milizen als mögliche Täter genannt. Auf Nachfrage von Marinella Corregia von der Organisation »Nein zum Krieg« räumte Colville ein, daß die UN-Behörde sich lediglich auf ein »lokales Netzwerk« berufe, mit dem man »telefoniert« habe. Obwohl Augenzeugenberichten zufolge die Täter maskiert gewesen seien, hätten diese lokalen Kontaktpersonen sie als »Schabiha« bezeichnet. Die UN sei sich aber nicht sicher, darum brauche man die Untersuchung.

Der Leiter der UN-Beobachtermission in Syrien, General Robert Mood, hat bisher keine Aussage darüber gemacht, wer für die Morde verantwortlich sein könnte.

* Aus: junge Welt, Samstag, 2. Juni 2012

UN-Menschenrechtsrat verurteil Hula-Massaker aufs schärfste

Am 1. Juni kam der UN-Menschenrechtsrat (MRR) zu einer Sonbdersitzung zusammen und diskutierte die jüngsten Gewaltexzesse in Syrien. Auf der Website des MRR wurde die in der Sitzung verabschiedete Resolution wie folgt zusammengefasst (die Resolution selbst war noch nicht verfügbar, 3. Juni):

Council concludes Special session on deteriorating human rights situation in Syria and the recent killings in El Houleh

1st June 2012 - The Human Rights Council this afternoon concluded a Special Session to examine the deteriorating human rights situation in Syria and the recent killings in El Houleh in which it adopted a resolution condemning the violence and ongoing human rights violations in Syria; requesting the Commission of Inquiry to hold a special inquiry into the events in El Houleh; and inviting the Joint Special Envoy of the United Nations and the League of Arab States to brief the Council at its twentieth session.

In the resolution, adopted by 41 votes in favour, 3 votes against and 2 abstentions, the Human Rights Council condemned in the strongest possible terms the outrageous use of force against the civilian population, and condemned in the harshest terms the outrageous killing of forty-nine children, all under the age of 10 years. The Council deplored that the recent killings in El Houleh occurred in a context of continued human rights violations in Syria, including ongoing arbitrary detentions, hindered access for the media, and restrictions of the right to peaceful assembly. The Council deplored the recent killings in El Houleh and emphasized the continued failure of the Syrian authorities to protect and promote the rights of all Syrians, including through systematic and repeated violations of human rights. The resolution stressed the need to conduct an international, transparent, independent and prompt investigation into violations of international law with a view to hold to account those responsible for widespread, systematic and gross human rights violations, including violations that may amount to crimes against humanity.

The Council requested the Commission of Inquiry to urgently conduct a special inquiry into the events in El Houleh and if possible to publicly identify those who appeared responsible for the atrocities. It requested the Commission to provide a full report of the findings of its special inquiry to the Human Rights Council at its twentieth session, and to coordinate, as appropriate, with all United Nations mechanisms. The resolution also called on the Syrian authorities to immediately allow United Nations human rights mechanisms, missions and humanitarian organizations full and immediate access to all areas of Syria and called on all sides to respect the safety of humanitarian workers. It called for the six-point proposal of the Joint Special Envoy of the United Nations and the League of Arab States to be immediately implemented. Finally the Joint Special Envoy, Kofi Annan, was invited to brief the Human Rights Council at its twentieth session.

Source: Website of the Human Rights Council, 1st June 2012; http://www.ohchr.org




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