Gewalt in Homs
Syrien: Tote bei Kämpfen zwischen Anhängern und Gegnern des Systems
Von Karin Leukefeld *
Gewaltsame Auseinandersetzungen in der zentralsyrischen Stadt Homs haben seit dem Wochenende mindestens 16 Personen das Leben gekostet. Die französische Nachrichtenagentur AFP berichtete von bis zu 30 Toten. Die meisten Opfer gab es offenbar bei Kämpfen zwischen Anhängern und Gegnern des Regimes. Verschiedene Medien sprechen von Kämpfen zwischen bewaffneten Alawiten und Sunniten.
Am vergangenen Freitag (15. Juli) hatte es in Homs erneut Massenproteste gegen das syrische Regime nach dem Freitagsgebet gegeben, die landesweit in vielen Städten zu einem Ritual geworden sind und in Homs weitgehend ungehindert abliefen. Die tödlichen Auseinandersetzungen begannen am nächsten Tag (16. Juli), als drei Männer, die als Anhänger des Regimes galten und wenige Tage zuvor entführt worden waren, getötet und verstümmelt aufgefunden wurden. Es heißt, sie seien Alawiten gewesen.
Die Alawiten werden in westlichen Medien zumeist als herrschende Klasse Syriens bezeichnet und somit indirekt für das Vorgehen des Regimes verantwortlich gemacht. Alawiten leben in Syrien und in der Türkei. Sie gelten als nicht religiös, häufig als aufrührerisch. Historisch gehörten sie – wie die muslimischen Schiiten – zur unteren Klasse im Dienstleistungs- und Arbeitssektor. Die Assad-Familie ist alawitisch und hat in den Jahrzehnten ihrer Herrschaft alle Volks- und Religionsgruppen integriert. Die »rote Linie« der Repression begann jeweils dort, wo Religion (Christen, Muslime, Drusen) oder ethnische Zugehörigkeit (Kurden, Tscherkessen) für politische Zwecke gegen das Regime eingesetzt wurden. Bereits im Juni hatte es intern Berichte von Gewalttaten gegen Alawiten, aber auch gegen Christen gegeben. Offizielle syrische Stellen hatten die Gewalttaten mit der nachträglichen Begründung verschwiegen, verhindern zu wollen, daß Haß zwischen den Religionsgruppen geschürt wird.
Nachdem am vergangenen Samstag (16. Juli) in Homs die Leichen der drei Entführungsopfer aufgefunden worden waren, bewaffneten sich offenbar wütende Freunde und Angehörige, um gegen sunnitische Regierungsgegner vorzugehen. Die drei Toten waren aktiv in die Organisierung von Demonstrationen involviert, mit denen landesweit seit Wochen Unterstützung für Präsident Baschar Al-Assad, sein Reformprogramm und für den nationalen Dialog mobilisiert wird. Eine Quelle berichtet auf dem Internetportal »Syria Comment« von seinem Bruder, der alle drei Toten gekannt habe. Die Armee habe wütende Menschenmengen daran gehindert, in ein Viertel zu marschieren, in dem vorwiegend sunnitische Muslime wohnen. Angriffe hätten hier auch Christen gegolten, denen pauschal ebenso wie den Alawiten eine Unterstützung des Regimes nachgesagt wird.
Ebenfalls auf »Syria Comment« wird noch eine völlig andere Darstellung über die Ereignisse in Homs verbreitet. Danach seien Milizen von Assad (die sogenannte Shabiha) »unter dem Schutz der Sicherheitskräfte« durch die Stadt gezogen und hätten Geschäfte von sunnitischen Inhabern verwüstet. Einwohner von Homs hätten sich darauf zusammengeschlossen, um ihre Viertel zu schützen. Es sei zu einer »Konfrontation« gekommen, die »schlecht für den Shabiha-Abschaum« ausgegangen sei. »Sie krochen in die Löcher zurück, aus denen sie gekommen waren.«
Der syrische Exiloppositionelle Rami Abdul Rahman von der Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Syrien bezeichnete die Kämpfe in Homs als »gefährliche Entwicklung, die der Revolution schaden« würden und »im Interesse der Feinde der Revolution« seien, die die Proteste in einen Bürgerkrieg verwandeln wollten. Die Beobachtungsstelle arbeitet in London und wird u.a. mit Geld vom US-Außenministerium finanziert.
* Aus: junge Welt, 21. Juli 2011
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