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Syrien-Konferenz soll im November stattfinden

Russland und USA einig über die "nötigen Schritte" *

Russland und die Vereinigten Staaten streben an, die geplante internationale Syrien-Friedenskonferenz Mitte November abzuhalten.

Die Nachrichtenagentur RIA Nowosti zitierte den russischen Außenminister Sergej Lawrow am Montag nach Gesprächen mit seinem US-Kollegen John Kerry in Indonesien, sie hätten sich über die »nötigen Schritte« geeinigt, damit sowohl die syrische Regierung als auch die Opposition zu den Gesprächen in Genf kämen. Lawrow und Kerry hatten sich zwar schon im Mai grundsätzlich auf eine Konferenz zur Lösung des Syrienkonflikts geeinigt, der Termin wurde jedoch immer weiter hinausgeschoben.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte sich Ende September nach einem Treffen mit dem syrischen Oppositionsführer Ahmed Dscharba ebenfalls für Mitte November als Termin für die Konferenz ausgesprochen. Der Präsident der Syrischen Nationalen Koalition sagte seinerseits zu, eine Delegation zu der Genfer Konferenz zu entsenden. Der Sondergesandte der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga für Syrien, Lakhdar Brahimi, sagte am Sonntag, er hoffe, beide Seiten würden »ohne Vorbedingungen« an dem Treffen teilnehmen.

Die Opposition fordert bislang den Ausschluss von Präsident Baschar al-Assad von jeder Einigung. Russland als enger Verbündeter Assads lehnt dies aber ab. Strittig ist auch, wer an der Konferenz teilnehmen darf: Während Moskau auch Iran als weiteren wichtigen Verbündeten Assads einbinden will, lehnen die USA die Beteiligung Teherans ab. Die Konferenz soll an ein Abkommen anschließen, das auf der ersten Syrien-Konferenz in Genf Ende Juni 2012 ausgearbeitet worden war. Die Einigung wurde jedoch nie in die Tat umgesetzt.

Unterdessen kooperiert die syrische Regierung laut dem russischen Außenminister Lawrow eng mit den UN-Experten bei der chemischen Abrüstung Syriens. »Damaskus arbeitet einwandfrei mit den internationalen Experten zusammen, und wir hoffen, dass dies auch künftig der Fall sein wird«, sagte Lawrow zu Journalisten am Montag auf der indonesischen Insel Bali. Zuvor hatte der UN-Pressedienst mitgeteilt, dass die Syrier unter der Leitung von Experten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) einen Teil ihres Chemiewaffenarsenals vernichtet haben. Dem UN-Pressedienst zufolge wird die Vernichtung der C-Waffen-Arsenale in den folgenden Tagen fortgesetzt.

Eine Gruppe aus 33 Personen war am vorigen Dienstag in Syrien eingetroffen. Ihr gehören Vertreter Russlands, der USA, Großbritanniens, Tschechiens, Usbekistans, Chinas, Kanadas, der Niederlande und Tunesiens an. Die meisten der 19 Teilnehmer sind OPCW-Inspektoren, die anderen UN-Mitarbeiter. Zuvor hatte die OPCW den Plan zur Vernichtung der chemischen Waffen in Syrien bestätigt, wonach die Inspektionen spätestens am 1. Oktober beginnen sollten. Die Experten sollten innerhalb von 30 Tagen alle von den Behörden genannten Orte prüfen und in kürzester Frist andere Objekte besuchen, auf die die OPCW-Mitgliedsländer verweisen können.

Geplant ist, die Ausrüstungen für die Produktion von chemischen Waffen bis Ende November 2013 und alle C-Waffen-Arsenale in der ersten Jahreshälfte 2014 zu vernichten.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 8. Oktober 2013


Kerry lobt Assad

US-Außenminister: Syrien beginnt »in Rekordzeit« mit Vernichtung der Chemiewaffen **

Verkehrte Welt: Gestern noch hat er wortreich für die Bombardierung von Damaskus geworben, heute lobt US-Außenminister John Kerry überschwenglich die Kooperationsbereitschaft der syrischen Regierung bei der Vernichtung ihres Chemiewaffenarsenals. Der Prozeß habe »in Rekordzeit« begonnen, sagte der Chef des State Departement am Montag am Rande des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums (APEC) in Indonesien. Damaskus halte sich an die Abmachungen, so Kerry. Es sei »ein guter Anfang«, daß nur eine Woche nach Verabschiedung der entsprechenden UN-Resolution die ersten Chemiewaffen zerstört worden seien. Sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow sagte nach einem Treffen mit Kerry, für Mitte November solle eine Syrien-Friedenskonferenz in Genf einberufen werden.

Vor einer Woche begannen internationale Experten mit der Erfassung der syrischen Chemiewaffen. Am Sonntag, dem ersten Tag ihrer eigentlichen Arbeit, zerstörten Syrer unter UN-Aufsicht mit Hilfe von Schneidbrennern und Trennschleifern erste Raketensprengköpfe, Bomben und Ausrüstung zum Mischen und Abfüllen von Chemikalien. Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OVCW), die den Einsatz gemeinsam mit der UNO leitet, erklärte am Montag, die syrische Regierung verhalte sich »kooperativ« und die Gespräche mit den Behörden seien »konstruktiv«.

Im Interview mit dem Spiegel hatte Syriens Präsident Baschar Al-Assad zugesichert, daß seine Regierung mit den Kontrolleuren vollständig kooperieren wird. Außerdem stellte der Präsident vorgezogene Neuwahlen im kommenden Jahr in Aussicht, und er ließ offen, ob er noch einmal antrete. Aufständische, bis dato vom Westen im Kampf gegen Assad unterstützt, kündigten an, Friedensgespräche mit der Regierung und Wahlen verhindern zu wollen. »Keine Verhandlungen, bevor das Regime gestürzt ist«, zitierte Spiegel online einen Sprecher der »Armee des Islam«.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 8. Oktober 2013


Logisch: Genf 2

Von Klaus Joachim Herrmann ***

Die Festlegung der Außenminister Russlands und der USA auf eine Genf 2-Friedenskonferenz zu Syrien Mitte November liegt in der Logik der Ereignisse. Zum Umgang mit dem Chemiewaffenarsenal gab es ja statt der kriegerischen eine Verhandlungslösung. Darf auch gestritten werden, welchen Eindruck die Androhung militärischer Gewalt auf Damaskus gemacht haben mag – die Vernichtung seiner C-Waffen war vorerst das am dringendsten zu wünschende Ergebnis. Die Fortsetzung von Gesprächen wäre nun folgerichtig.

Nicht mehr die Waffen, sondern die Vertreter der feindlichen Parteien in dem mörderischen Konflikt sollen sprechen. Schon die C-Waffen-Vereinbarung unter dem Patronat von Moskau und Washington geht auf die Erkenntnis zurück, dass eine Ausweitung der blutigen Konfliktes weder Beifall noch Erfolg verspräche. Bewiesen ist, dass das derzeitige Regime nicht einfach mal so zu stürzen ist. Andererseits nährt die Vorstellung keine Begeisterung, wie eine Herrschaft der bewaffneten Opposition angesichts ihrer mindestens zweifelhaften islamistischen und mancher des Terrors verdächtigen Mitstreiter aussehen könnte.

Solches dürfte die Einsicht genährt haben, dass die Hochrüstung jeder Seite durch ihre Verbündeten nur die Vernichtungskraft des Krieges verstärkt. Das Morden und Zerstören würde schlimmer, das Volk einem Ende seines Sterbens und Leidens in dem geschundenen Land aber nicht näher gebracht.

*** Aus: neues deutschland, Dienstag, 8. Oktober 2013 (Kommentar)


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