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Goldene Gelegenheit

Destabilisierungspläne der USA und Großbritanniens gegen Syrien sind nicht neu. Protestbewegung gegen Präsident Assad 2011 kam da wie gerufen

Von Karin Leukefeld *

Der Wunsch nach einem »Regime change« in Damaskus ist nicht neu. Schon wenige Jahre nach der Unabhängigkeit Syriens (1946) begannen westliche Geheimdienste, Putschpläne für das Land auszuarbeiten. In der Zeit des Kalten Krieges war Syrien geographisch und politisch dem Osten zugewandt und pflegte enge Kontakte mit der Sowjetunion und mit den blockfreien Staaten Iran und Indien. Mit der Türkei, die die südöstliche Flanke der NATO bildete, entwickelten sich Spannungen, ebenso mit dem 1948 gegründeten Staat Israel. Damaskus hatte schon 1917 heftigen Widerspruch gegen die sogenannte Balfour-Erklärung angemeldet, die der zionistischen Bewegung eine »jüdische Heimstätte in Palästina« versprach. 1967 wurde der fruchtbare Golan von Israel besetzt und später annektiert. Bis heute beharrt Damaskus auf der Rückgabe der Golanhöhen, was gemäß von UN-Resolutionen dem Völkerrecht entspricht.

Ein geheimdienstlicher Destabilisierungplan der Amerikaner und Briten gegen Syrien wurde 1957 von den damaligen Präsidenten Dwight Eisenhower (USA) und Harold Macmillan (Großbritannien) unterzeichnet. Es sollten »praktische Aktionen« organisiert und »psychologische Kriegsführung« eingesetzt werden, ist dem Dokument des US-Geheimdienstes CIA zu entnehmen, der die Umsturzpläne gemeinsam mit dem SIS, dem Vorläufer des britischen MI6, ausgearbeitet hatte. Mit Hilfe der syrischen Muslimbruderschaft sollten ein Aufstand geschürt und namentlich genannte Politiker – darunter der damalige syrische Präsident Schukri Al-Quwatli – ermordet werden. Ein Komitee »Freies Syrien« sollte vom Westen finanziert werden, Kampfverbände wollte man bewaffnen. Schließlich sollte einer Regierung ins Amt verholfen werden, die sich von den regionalen Partnern im Osten – insbesondere von Iran und der Sowjetunion – abwenden sollte. Regionale Spannungen sollten erhöht und Grenzübergriffe inszeniert werden, um eine militärische Intervention zu rechtfertigen, hieß es in dem Plan, der bei wissenschaftlichen Recherchen 2003 in britischen Regierungsarchiven entdeckt worden war.

Nach dem Ende der Sowjetunion mußte sich Damaskus neu positionieren. In den 1990er Jahren öffnete sich das Land wirtschaftlich gegenüber dem Westen und fand in der EU Abnehmer für sein Öl. Bei seinem Amtsantritt im Jahr 2000 verkündete der junge Präsident Baschar Al-Assad einen politischen und wirtschaftlichen Umschwung für Syrien. Er rief zur Debatte über eine neue Verfassung und die Neugründung von Parteien auf, und er brachte die neuen Kommunikationstechnologien wie Mobiltelefone, Internet und Satellitenfernsehen ins Land.Als Assad 2005 die syrische sozialistische Planwirtschaft aufkündigte, um den Markt zu liberalisieren, strömten internationale Investoren ins Land. Möglicherweise erhoffte man sich von den wirtschaftlichen Umbrüchen – die die Schere zwischen Arm und Reich erheblich auseinander gehen ließ – einen Aufstand gegen den politisch unerfahrenen Assad, doch das Gegenteil war der Fall. Das Internetportal Wikileaks veröffentlichte 2011 eine Notiz der US-Botschaft in Damaskus vom Dezember 2006, in der bedauert wurde, daß »im Jahr 2006 die Regierung Syriens sowohl zu Hause als auch international eine viel stärkere Position hat als noch ein Jahr zuvor«. Mit der »Kurdenfrage« und »Sunniten und Schiiten« empfahl man Themen in die Öffentlichkeit zu bringen, die die syrische Führung unter Druck setzen sollte.

Im Mai 2007 ermächtigte der damalige US-Präsident George W. Bush die CIA, Operationen gegen Iran zu starten. Der Journalist Seymour Hersh berichtete in der Zeitschrift New ­Yorker, daß der US-Geheimdienst mit Saudi-Arabien kooperiere, um den Libanon und Syrien zu destabilisieren. Ein »Nebenprodukt« sei die »Unterstützung von sunnitischen extremistischen Gruppen«, schrieb Hersh. Ziel der verdeckten Operationen war, Syrien zu bewegen, mit Israel über die Golanhöhen zu verhandeln und die Unterstützung der palästinensischen Organisationen, insbesondere der Hamas und der libanesischen Hisbollah einzustellen. Großbritannien schloß sich dem Programm 2009 an.

Die Unruhen, die im März 2011 infolge innenpolitischer Probleme in Syrien ausbrachen, waren offenbar die goldene Gelegenheit für die USA, Großbritannien und Saudi-Arabien, ihre Umsturzpläne umzusetzen. Wikileaks veröffentlichte im Februar 2012 Emails zwischen der privaten Sicherheitsfirma Stratfor und dem Pentagon. Daraus geht hervor, daß das Pentagon die Ausbildung von Oppositionstruppen durch die USA und Großbritannien seit 2011 bestätigte. Ziel sei, den Sturz der syrischen Führung (»Assad-Regime«) von innen auszulösen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 7. September 2013


Dokumentiert: USA sabotierten politische Lösung

Das preisgekrönte Newsportal Alternet listet neun Beispiele dafür auf, daß Washington eine politische Lösung in Syrien verhindert.

Erstens wurde die innersyrische Opposition, die auf den drei Prinzipien Nein zur Gewalt, Nein zum konfessionellen Streit und Nein zur ausländischen Einmischung basierte, von den USA und ihren Verbündeten ignoriert. Statt dessen wurde der im Exil angesiedelte »Syrische Nationalrat« unterstützt, der einen »Regimewechsel« in Damaskus propagiert.

Zweitens haben die USA und ihre Verbündeten Kämpfer mit Waffen und Ausbildung unterstützt und so den »Syrischen Frühling« in ein Blutbad verwandelt.

Drittens wurden seit Dezember 2011 Waffen in großem Stil in die Türkei und nach Jordanien geflogen, von wo sie nach Syrien geschmuggelt wurden. Britische und französische Spezialkräfte rekrutierten und trainierten Kämpfer (der »Freien Syrischen Armee«), versorgten diese Kräfte in Syrien mit Informationen zur militärischen Lage und lieferten Kommunikationsausrüstung.

Viertens wurden ausländische Kämpfer nach Syrien eingeschleust. Im Juni 2013 hieß es aus den reihen der Opposition, daß von 16700 getöteten Aufständischen 2100 Ausländer gewesen seien. Von 41600 Mann der Regierungstruppen, die fielen, seien 145 Kämpfer der Hisbollah gewesen (in Kusair).

Fünftens wurden von reichen Geschäftsleuten vom Golf Söldner aus Kroatien angeworben, die als Scharfschützen in Syrien bis zu 2000 US-Dollar verdienen konnten. Das Emirat Katar zahlte mindestens drei Milliarden US-Dollar an die Aufständischen und lieferte mindestens 70 Flugzeugladungen mit Waffen (über die Türkei).

Sechstens wurde der vom damaligen UN-Syrienvermittler Kofi Annan ausgehandelte Waffenstillstand (April 2012) von den Aufständischen gebrochen, die vom Westen und den Golfstaaten unterstützt werden.

Siebtens haben die USA und Frankreich mit anderen »Freunden Syriens« einen »Plan B« entworfen, um den Krieg zu eskalieren und den Friedensplan von Annan zu torpedieren. Dieser »Plan B« sah vor, mehr Kämpfer zu bezahlen und mehr Waffen zu schicken.

Achtens torpedierten die USA, Frankreich und Großbritannien die im Genfer Abkommen getroffene Vereinbarung für einen Übergangsprozeß in Syrien, indem sie sich weigerten, die Vereinbarung im UN-Sicherheitsrat als Resolution zu verabschieden.

Neuntens hatte sich US-Außenminister John Kerry im Mai 2013 mit Moskau zwar auf eine Genf-II-Konferenz geeinigt, seitdem aber hat Washington weitere Waffen geliefert und die Vorbereitungen zu den Gesprächen unterbrochen. (kl)

www.alternet.org/world/america-has-fueled-bloody-civil-war-syria




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