Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

UNO: Blauhelme freilassen

Sicherheitsrat verurteilt Geiselnahme durch syrische Aufständische

Von Karin Leukefeld *

Der UN-Sicherheitsrat hat die sofortige Freilassung von 21 am Mittwoch verschleppten Blauhelmsoldaten auf den Golanhöhen an der Grenze zu Israel gefordert. Zugleich verurteilte das höchste Gremium der Vereinten Nationen am Mittwoch (Ortszeit) in New York die Gefangennahme der Beobachter durch eine syrische Rebellengruppe scharf. Die UN-Soldaten seien während ihres regulären Einsatzes von etwa 30 Aufständischen gestoppt worden, teilte die UNO weiter mit. Die internationale Organisation habe deshalb Truppen in das Gebiet entsandt, um die Situation zu klären. Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, die Sicherheit der UN-Mitarbeiter müsse von allen Beteiligten gewährleistet werden.

Ein Mann, der seinen Namen mit Abu Kayd Al-Faleh angab und sich als Mitglied der Märtyrer-von-Jarmuk-Brigade bezeichnete, erklärte in einem am Donnerstag im Internet veröffentlichten Video, man werde die UNO-Soldaten freilassen, wenn die syrische Armee sich aus dem Ort Al-Dschamla (Provinz Daraa) zurückziehen würde. Die syrische Armee habe 24 Stunden Zeit. Der Mann stand vor einem UN-Fahrzeug, was offenbar die Richtigkeit seiner Angaben bestätigen sollte. Am vergangenen Wochenende war es in und um Al-Dschamla zu heftigen Kämpfen gekommen. Die philippinischen Soldaten waren zu einem UN-Posten unterwegs, um Schäden zu inspizieren. Wegen der Kämpfe am Wochenende war der Stützpunkt evakuiert worden.

Die 21 Verschleppten gehören zu einem Kontingent von 300 philippinischen Soldaten, das bestätigte das Außenministerium in Manila. Neben den Philippinen stellen Japan, Kanada, Kroatien, Indien und Österreich Soldaten für die Schutztruppe der entmilitarisierten Zone auf dem Golan zwischen Syrien und Israel. Die Mission begann 1974 und umfaßt etwa 1000 Angehörige. In den knapp 40 Jahren kam es zu keinem Zwischenfall an der sensiblen Grenze. Kanada und Japan haben ihre Soldaten in den letzten Monaten zurückgezogen. Auch Kroatien beorderte seine 100 Soldaten zurück, nachdem bekanntgeworden war, daß kroatische Waffen an die syrische Opposition geschmuggelt worden waren.

Aufständische waren im November 2012 offenbar aus Jordanien kommend über die Provinz Daraa in das Gebiet vorgedrungen und hatten zunächst drei Dörfer in der entmilitarisierten Zone überfallen. Bei dem Versuch der syrischen Armee, die Aufständischen zu vertreiben, kam es zu Einschüssen auch auf der israelischen Seite. Kürzlich hatte Israel sechs Syrer in einem seiner Krankenhäuser versorgt, die bei Kämpfen verletzt worden waren. Da Tel Aviv die Identität der Personen geheimhält, kann man davon ausgehen, daß es sich um Aufständische handelt.

Der Chef aller UNO-Friedenstruppen, Hervé Ladsous erklärte, man verhandele mit den Aufständischen über die Freilassung der Soldaten. Ein Sprecher der oppositionellen Nationalen Koalition wies in London jede Verantwortung zurück. Man habe »keinen Einfluß« auf die Kämpfer, die sich nur gegen Angriffe des Regimes verteidigen würden.

* Aus: junge Welt, Freitag, 8. März 2013

Ban and Security Council demand release of UN peacekeepers held in Golan Heights

6 March 2013 – Secretary-General Ban Ki-moon and the Security Council strongly condemned the detention today by “armed elements of the Syrian opposition” of a group of United Nations peacekeepers who monitor the ceasefire in the Golan Heights between Israel and Syria, and demanded their immediate release.

A statement issued by Mr. Ban’s spokesperson said that 21 peacekeepers from the UN Disengagement Observer Force (UNDOF) were detained in the vicinity of Al Jamla in the area of limitation.

“The Secretary-General reminds all actors in Syria that UNDOF is mandated to monitor the Disengagement of Forces Agreement between Israel and Syria. UNDOF’s freedom of movement and safety and security must be respected by all parties,” said the statement.

The Council also spoke out about the incident, in a statement read out to the press by Ambassador Vitaly Churkin of Russia, which holds the March presidency of the 15-member body, following a closed-door meeting.

“The members of the Security Council demanded the unconditional and immediate release of all the detained UN peacekeepers and called upon all parties to cooperate with UNDOF in good faith to enable it to operate freely and to ensure full security of its personnel,” Mr. Churkin said.

UN spokesperson Eduardo del Buey told reporters that approximately 30 armed fighters had stopped and detained the peacekeepers.

“The mission is dispatching a team to assess the situation and attempt a resolution,” he said.

Peacekeepers serving with UNDOF monitor the 1974 disengagement accord between Syria and Israel after their 1973 war. In December, the Security Council extended the mission’s mandate for another six months, until 30 June 2013.

Source: UN News Centre, 6 March 2013; www.un.org



UN-Soldaten am Golan entführt

Syrische Rebellen versprechen Freilassung philippinischer Blauhelme

Von Roland Etzel **


Eine Geiselnahme von UN-Blauhelmen durch syrische Rebellen spitzt die Situation im Lande weiter zu. Die Entführer erklären, sie wollten damit syrische Regierungstruppen zum Rückzug vom Golan zwingen. Der Ausgang des Dramas dürfte einiges darüber aussagen, wer in der syrischen Opposition den Ton angibt.

Die von Rebellen in Syrien verschleppten 21 philippinischen Blauhelmsoldaten sollen, wie es gestern am frühen Abend hieß, »bald« freigelassen werden. Die »Märtyrer-von-Jarmuk«-Brigade teilte in der Nacht zum Donnerstag im sozialen Netzwerk Facebook mit: »Sie stehen so lange unter unserem Schutz, bis wir ihren Transport in ein sicheres Gebiet organisieren können.« Das Jarmuk-Tal liegt zwischen Syrien, Jordanien und den von Israel besetzten Golanhöhen. Die Vereinten Nationen, so heißt es in einer Mitteilung, die von dpa zitiert wird, sollten ihrerseits ein »Sicherheitskomitee« bilden, um die UN-Soldaten in Empfang zu nehmen, da das Gebiet im Südwesten der Provinz Daraa derzeit bombardiert werde.

Von früheren Erklärungen zu dem Zwischenfall distanzierte sich die Führung der Brigade. Die Entführer veröffentlichten ein Video, in dem die Geiseln erklären, »Zivilisten« hätten versucht, sie zu schützen, als sie sich in einer Region bewegten, die bombardiert wurde. Sie würden gut versorgt. Diese Aussagen sind allerdings wenig beruhigend und kaum für bare Münze zu nehmen, da sie von Geiseln kommen und gerade die Jarmuk-Miliz, die sich zu der Entführung bekennt, dafür bekannt ist, dass sie Gefangene Regierungssoldaten nicht nur hinrichtet, sondern auch noch zur Abschreckung Videos davon ins Netz stellt.

Ein Sprecher der aus Deserteuren bestehenden Freien Syrischen Armee (FSA) sagte dem Nachrichtenportal »Zaman al-Wasl« laut dpa dennoch, er erwarte, dass die Blauhelme binnen weniger Stunden freigelassen werden. Peinlich war die Entführung vom Mittwoch für die Rebellen auch, weil am selben Tag der Generalstabschef der FSA, Oberst Salim Idriss, die EU-Staaten um die Lieferung moderner Waffen gebeten hatte. Im Internet hagelte es Kritik an den Entführern. Sie wird als Bärendienst empfunden. Dem »Ansehen unserer Revolution« werde geschadet.

Der UN-Sicherheitsrat hatte die Entführung auf das Schärfste verurteilt. Auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle erklärte der ARD in Berlin: »Neutrales Personal der Vereinten Nationen darf nicht zum Spielball der Interessen im syrischen Bürgerkrieg werden.« Der Arabischen Liga, die gerade dabei ist, einen Modus zu finden, wie aus den offenbar nicht koordinierten syrischen Exilgruppen eine repräsentative Schattenregierung formiert werden kann, kommt die Geiselnahme ebenfalls ungelegen. Generalsekretär Nabil al-Arabi forderte die Rebellen zur sofortigen Freilassung der Blauhelme auf. Die oppositionelle Nationale Syrische Koalition kündigte trotzdem an, sie wolle nächste Woche in Istanbul eine »Übergangsregierung« wählen.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 08. März 2013


Zurück zur Syrien-Seite

Zurück zur Homepage