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Gefangene freigelassen

Syrische Regierung erfüllt zu Teilen eine Forderung der Opposition. Neuwahlen zum syrischen Parlament noch im Sommer

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Mit der Freilassung von Gefangenen hat die syrische Regierung zumindest teilweise eine der Forderungen der syrischen Opposition erfüllt. Das teilte Ammar Qurabi von der Nationalen Organisation für Menschenrechte in Syrien am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters mit. Demnach waren Anfang der Woche zunächst der 81jährige Hassan Abdel Azim und Hazem Al-Nahar freigelassen worden. Am Dienstag folgte die Entlassung von Fayez Sara, Kamal Sheikho und George Sabra, die im Zuge der Proteste in den vergangenen Wochen verhaftet worden waren. Weiterhin inhaftiert ist der ehemalige Parlamentsabgeordnete und Unternehmer Riad Seif, der am 6. Mai festgenommen worden war, nachdem er sich an einer kleineren Protestaktion in Damaskus beteiligt hatte. Seif, der an Krebs erkrankt ist, wurde seit 2001 mehrfach inhaftiert. 2003 hatte er den Menschenrechtspreis der Stadt Weimar erhalten und war zuletzt Ende 2010 aus der Haft entlassen worden.

Die Freilassung der Gefangenen folgte nach einem Treffen syrischer Oppositioneller mit Bouthaina Shaa­ban, der Medienberaterin von Präsident Baschar Al-Assad, über das Shaaban auch in einem Interview mit einem Reporter der New York Times gesprochen hatte.

Bei dem Treffen war es neben der Freilassung bekannter Bürgerrechtler auch um ein neues Pressegesetz, um die Gründung neuer Parteien und ein neues Wahlrecht gegangen, sagte Shaaban. Sie kündigte einen nationalen Dialog an, der baldmöglichst, »in der kommenden Woche etwa«, beginnen sollte. Der Bürgerrechtler Louay Hussein, der ebenfalls an dem Treffen teilgenommen hatte, sagte, man habe von der Regierung gefordert, friedliche Proteste und Sit-ins zuzulassen. Versammlungen müßten genehmigt werden, damit sich alle, die jetzt protestiert hätten, auf politische Programme einigen und Vertreter wählen könnten, die ihre Anliegen gegenüber Regierungsvertretern vorbringen könnten. Hussein sagte gegenüber Reuters, man habe den Rückzug der nicht uniformierten Sicherheitskräfte aus allen Orten gefordert. Außerdem solle Medienvertretern der Zugang zu den abgeriegelten Ortschaften ermöglicht werden. Die Freilassung der Bürgerrechtler sei ein gutes Zeichen, so Hussein.

Verschiedene Gesprächspartner der Autorin in Damaskus begrüßten die Ankündigung eines nationalen Dialogs. »Das haben wir als Kommunistische Partei schon lange gefordert«, sagte ein Parteimitglied, das darum bat, anonym zu bleiben. Die ursprünglichen Proteste der Bevölkerung seien berechtigt, zumal die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre weite Teile der Bevölkerung in größere Armut getrieben habe. Ein anderer Gesprächspartner zeigte sich vorsichtig optimistisch. Die Geschichte zeige, daß Reformen in Syrien ihre Zeit brauchten, er hoffe, der Dialog habe Erfolg.

Syrische Medien berichteten derweil, daß die Regierung eine Kommission zur Ausarbeitung eines neuen Wahlgesetzes eingesetzt habe, die aus Regierungsvertretern und wissenschaftlichen Experten verschiedener Universitäten besteht. Anhand verschiedener Wahlgesetze aus anderen Ländern solle die Kommission eine Änderung des syrischen Wahlgesetzes prüfen. In zwei Wochen soll die Kommission einen Gesetzentwurf vorlegen. Voraussichtlich im Juli oder August stehen Neuwahlen zum syrischen Parlament an.

* Aus: junge Welt, 13. Mai 2011


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