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In Syrien geht's ums Gas

Das Emirat Katar unterstützt Opposition gegen Assad mit Milliarden Dollar. Regierung in Damaskus steht geplantem Pipeline-Bau im Weg

Von Rainer Rupp *

Der winzige gasreiche Golfstaat Katar habe in den vergangenen zwei Jahren »die Rebellion in Syrien mit bis zu drei Milliarden Dollar unterstützt«. Das sei »weit mehr als jede andere Regierung«, berichtete die britische Financial Times am Freitag. Über die Rolle Katars im Syrien-Konflikt hat die Zeitung nach eigenen Angaben Dutzende von Interviews mit Rebellenführern im Ausland und innerhalb Syriens sowie mit Beamten aus den regionalen und westlichen Hauptstädten geführt. Ein Ergebnis ist, daß der kleine, aber unermeßlich reiche Golfstaat z.B. 50000 Dollar im Jahr an jeden Überläufer von Präsident Assads Sicherheitskräften zu den Rebellen zahlt.

Beobachter aus der Region spotteten bereits – so die Londoner Zeitung – daß Katars Feudalherrscher Hamad bin Khalifa al-Thani sich in Syrien eine »Revolution gekauft« habe und mit seiner Unterstützung für islamistische Rebellen in der gesamten arabischen Welt so etwas wie »ein pan-islamistischer Gamal Abdel Nasser« werden möchte. Dies aber habe das eifersüchtige, salafistische Saudi-Arabien auf den Plan gerufen, das nun Katar den ersten Platz als Waffenlieferant für die Rebellen in Syrien streitig gemacht habe. Letzteres werde in den westlichen Hauptstädten mit großer Sorge beobachtet, weil dadurch die aus aller Welt nach Syrien strömenden Dschihadisten vom Typ der Al-Nusra-Front, die sich offen zur Al-Qaida-Ideologie bekennt, noch stärker unterstützt werden.

Was die Financial Times jedoch vollkommen unter den Tisch fallen läßt, sind die handfesten wirtschaftlichen Interessen, die der Emir von Katar mit seiner gekauften Rebellion in Syrien verfolgt. Denn auch in Sy­rien geht es – wie meist im Nahen und Mittleren Osten – um Ressourcen und deren Transportwege. Für Katar steht dabei ganz konkret eine Gaspipeline auf dem Spiel, die über Jordanien nach Kalas in die Südtürkei führen soll, von wo das Gas weiter nach Westeuropa geleitet würde. Aber Syrien bzw. die Regierung Assad steht dem Projekt im Weg, was auch erklärt, weshalb die Regierung in Ankara plötzlich den Sturz Assads forderte, obwohl Regierungschef Erdogan mitsamt Familie noch kurz zuvor mit Assad in trauter Einigkeit einen gemeinsamen Urlaub verbracht hatte.

Das kleine Katar sitzt eingezwängt zwischen Iran und Saudi-Arabien auf den drittgrößten Erdgasvorkommen der Welt. Dieser Reichtum hat den kaum 250000 Bürgern Katars das höchste Pro-Kopf-Einkommen auf dem Planeten beschert. Um vor saudi-arabischen oder iranischen Begehrlichkeiten sicher zu sein, hat sich der feudale Zwergstaat die Vereinigten Staaten als Beschützer ins Land geholt, die dort in strategisch günstiger Lage zwei Militärbasen errichtet haben. Für deren Kosten kommen laut der von Wikileaks veröffentlichten diplomatischen Depeschen der USA die Katarer zu sechzig Prozent auf. So abgesichert, kann sich das Emirat auch auf der politischen Weltbühne einiges erlauben.

Der größte Teil der Gasexporte von Katar besteht aus Flüssiggas (LNG), und da sieht Katar die Gefahren eines Überangebots. Australien wird zwischen 2014 und 2020 mit acht neuen LNG-Verladeterminals an den Markt gehen, in Nordamerika ist der Gasmarkt dank der Fracking-Methode bereits übersättigt, und Dutzende von neu bestellten LNG-Tankern sollen in den kommenden Jahren das US-amerikanische Gas auf den Weltmarkt bringen, was die Preise auf dem umkämpften asiatischen Markt drücken wird. Als Ziel für die weitere Expansion der katarischen Gasproduktion blieb somit nur noch eine Pipeline nach Europa. Ein entsprechender Plan wurde im Jahr 2009 entwickelt. Darin spielt Syrien eine Schlüsselrolle.

Die neue Pipeline soll durch Saudi-Arabien über Jordanien und Syrien in die Türkei, wo das Gas aus Katar in die unausgelastete Nabucco-Pipeline eingespeist und nach Westeuropa weitergeleitet werden sollte. Dieser Plan stieß auch bei russophoben Politikern in der EU auf große Zustimmung, würde seine Verwirklichung doch die Energieabhängigkeit von Rußland reduzieren. Aber die Assad-Regierung in Syrien spielte bei diesem Plan nicht mit. Erstens bestanden zwischen dem Emirat und Damaskus alles andere als freundschaftliche Beziehungen, was auch durch die von Katar angebotenen Konditionen für die Pipeline nicht kompensiert wurde. Zweitens waren vor der Küste Syriens große Gasvorkommen entdeckt worden, und drittens hatte Syriens strategischer Verbündete, Iran, bereits Damaskus einen besseren Vorschlag unterbreitet.

Im Juli 2011 unterzeichnete Syrien ein strategisches Abkommen mit Iran und Irak über den Bau einer Pipeline, mit der iranisches Gas aus dem South-Pars-Feld nach Syrien und von dort weiter nach Europa gepumpt werden sollte. Das machte endgültig einen dicken Strich durch die katarischen und europäischen Pläne, aber es gab noch Hoffnung, denn zu der Zeit hatte die von Katar bezahlte »Revolution« in Syrien bereits begonnen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 18. Mai 2013


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