Tauwetter in Teilen des Nahen Ostens
Bemühungen um Stabilisierung der Lage in Libanon / EU-Außenbeauftragter in der Region
Von Karin Leukefeld *
Nach zwei Jahren Eiszeit hat die Europäische Union wieder offizielle Kontakte mit Syrien
aufgenommen. Begleitet wird der Schritt von vielfältigen diplomatischen Initiativen im Nahen Osten.
Am Mittwoch (14. März) war der EU-Außenpolitikbeauftragte Javier Solana zu Gesprächen in Damaskus
eingetroffen. In der syrischen Hauptstadt sprach er mit Außenminister Walid Muallem, mit
Vizepräsident Faruk al-Schaara und Präsident Bashar al-Assad. Nach der Ermordung des
ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri im Februar 2005 hatte die EU ihre
Kontakte zu Syrien auf Antrag von Frankreichs Präsident Jacques Chirac auf Eis gelegt. Chirac und
Hariri waren jenseits der Politik gute Freunde. Chirac gab nach dem Mord an Hariri seine Distanz zu
den USA auf und beschuldigte gemeinsam mit Washington die syrische Regierung, hinter dem Mord
zu stehen. Syrien hat die Anschuldigungen stets zurückgewiesen.
Derzeit aber herrscht politisches Tauwetter in diesem Teil des Nahen Ostens, das hat auch die EU
erkannt. USA-Diplomaten trafen in Bagdad mit Vertretern Irans und Syriens bei einer
Sicherheitskonferenz zusammen, und USA-Staatssekretärin Ellen Sauerbrey reiste nach Damaskus,
um sich über die Lage der irakischen Flüchtlinge in Syrien zu informieren. Syrien ist das einzige
Land, das Iraker weiterhin frei einreisen lässt. Die Großzügigkeit des Staates gegenüber den offiziell
eine Million zählenden irakischen Flüchtlingen scheint allerdings kein Thema in Solanas Programm
zu sein. Europa sei bereit, die Isolation Syriens aufzuheben, wenn Präsident Assad im Gegenzug
eine »konstruktive Rolle« in der region einnehmen würde, sagte Solana vor Beginn seiner Reise.
Besonders sei diese Rolle Syriens in Libanon gefordert.
Der EU-Außenbeauftragte hatte zuvor Beirut und Riad besucht, um die Bereitschaft der Union zu
unterstreichen, die politische Pattsituation in Libanon zu beenden. Seit Anfang Dezember blockiert
ein Streit zwischen Regierung und Opposition das politische und wirtschaftliche Leben des Landes.
Die westeuropäischen Staaten, die USA und eine Reihe arabischer Länder ergriffen von Anfang an
Partei für Ministerpräsident Fuad Siniora, während Iran und Syrien der libanesischen Hisbollah den
Rücken stärken. Ob Irak, Palästina oder der anhaltende Streit um das iranische Atomprogramm –
die Frontenstellung zwischen internationalen und regionalen Akteuren spiegelt sich auch in Libanon.
Mit beharrlicher Diplomatie und dank seiner wirtschaftlichen Stärke scheint es jetzt aber Saudi-
Arabien gelungen zu sein, das Eis zu schmelzen. Das saudische Königshaus hat traditionell gute
Beziehungen zu Libanon, beide Staaten sind seit der Amtszeit Rafik Hariris wirtschaftlich eng
verbunden. Die saudische Monarchie unterstützte nach dessen Tod Fuad Siniora, der unter Hariri
Finanzminister war. Gleichzeitig hat Riad aber nie den Gesprächsfaden zur Hisbollah und ihren
politischen Unterstützern in Damaskus und Teheran abreißen lassen. Bashar al-Assad reiste nach
Riad, Ali Laridschani, Nationaler Sicherheitschef Irans, ebenfalls und Anfang März schaffte ein
Treffen zwischen dem iranischen Präsidenten Machmud Achmadinedschad und dem saudischen
König Abdullah den Durchbruch. Offenbar einigten sich beide Seiten, die »Libanon-Akte« von der
Ebene der nationalen Sicherheit, und damit der Geheimdienste, auf die Ebene der Außenminister zu
verschieben. Das zumindest berichtete der Fernsehsender der Hisbollah, »Al Manar«.
Direktes Ergebnis des Treffens der beiden Regionalmächte war die Wiederaufnahme der Gespräche
zwischen Opposition und Regierung in Beirut. Drei Mal haben sich inzwischen Saad Hariri für das
Regierungslager und Parlamentssprecher Nabi Berri als Vermittler zur Opposition getroffen, um die
Eckpfeiler für eine »Regierung der Nationalen Einheit« zu diskutieren. Dabei ging es vor allem um
»Garantien«, wie Nabi Berri gegenüber der Presse sagte. Für das Regierungslager ist die
Zustimmung zum internationalen UN-Tribunal, das den Mord an Rafik Hariri untersuchen soll,
unabdingbar. Für die von der Hisbollah geführte Opposition gilt die verlangte Eindrittel-Sperrminorität
bei den Ministerposten als zwingende Garantie.
Doch nicht nur innenpolitisch muss der Kompromiss abgesichert werden, meinte Berri. »Wir
brauchen Garantien von Saudi-Arabien, Iran, Syrien – von der ganzen Welt, wie es aussieht.« Die
saudische Führung hat derweil durchblicken lassen, dass sie Vertreter der beiden politischen Lager
zu Versöhnungsgesprächen nach Riad einladen wird – sofern diese dazu bereit sind.
* Aus: Neues Deutschland, 15. März 2007
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