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"... fordert ein sofortiges Ende jeglicher ausländischer Einmischung in dem Land ..."

Die GUE/NGL-Fraktion legt dem Europäischen Parlament einen Resolutionsentwurf vor. Wir dokumentieren den Text im Wortlaut


ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
13.2.2012
PE483.132v01-00 B7-0073/2012
eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

zur Lage in Syrien (2012/2543(RSP))

Willy Meyer, Sabine Lösing, Younous Omarjee, Jacky Hénin, Takis Hadjigeorgiou im Namen der GUE/NGL-Fraktion *

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Syrien

(2012/2543(RSP)); B7‑0073/2012

Das Europäische Parlament,

– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass sich Syrien nach der raschen Zuspitzung der dortigen Lage, der eine gewaltsame Niederschlagung der Demonstrationen durch die syrischen Sicherheits‑ und Streitkräfte im März 2011 vorausging, und nach der Eskalation des Konflikts mit dem bewaffneten Eingreifen der syrischen Streit- und Sicherheitskräfte und Angriffen bewaffneter Gruppen auf Wohngebiete nun am Rande eines Bürgerkriegs befinden könnte;

B. in der Erwägung, dass tagtäglich neues Blut vergossen wird und Berichte vorliegen, denen zufolge schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch die syrischen Streit‑ und Sicherheitskräfte begangen werden; in der Erwägung, dass nach Schätzungen der Vereinten Nationen mindestens 6000 Bürger, darunter 400 Kinder, ihr Leben verloren haben und noch weit mehr Menschen verletzt wurden; ferner in der Erwägung, dass Berichten der syrischen Behörden zufolge 2000 Mitglieder ihrer Sicherheitskräfte unter den Toten sind; in der Erwägung, dass die Verletzten nicht angemessen behandelt werden; in der Erwägung, dass Berichte vorliegen, wonach Nahrungsmittel und andere Güter knapp werden;

C. in der Erwägung, dass Berichten zufolge die Anzahl bewaffneter Gruppen zugenommen hat, darunter die „Freie Syrische Armee“, die alle ihre eigenen Beweggründe haben, angeblich zum Teil in das Land eingeschleust werden und illegal Waffen über die Grenze führen; des Weiteren in der Erwägung, dass Entführungen und religiös motivierte Gewalt zunehmen;

D. in der Erwägung, dass die Arabische Liga mehrere Beschlüsse gefasst hat, etwa die Aussetzung der Mitgliedschaft Syriens in der Arabischen Liga, den Abzug arabischer Botschafter aus Damaskus und die Verhängung von Sanktionen; in der Erwägung, dass die Arabische Liga ihre Beobachtermission aus Syrien abgezogen hat;

E. in der Erwägung, dass Russland und China ein Veto gegen den Entwurf einer Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 5. Februar 2012 eingelegt haben, um im Gegensatz zu der Intervention in Libyen ein militärisches Eingreifen in Syrien zu verhindern;

F. in der Erwägung, dass die Arabische Liga in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen die Entsendung einer Friedensmission nach Syrien mit einem erweiterten Mandat in Erwägung zieht;

G. in der Erwägung, dass einige Staaten (so auch Saudi-Arabien) auf die Anerkennung der syrischen Oppositionskräfte durch die Arabische Liga drängen;

H. in der Erwägung, dass einige Staaten, vor allem die Vereinigten Staaten, Frankreich, das Vereinigte Königreich, die Türkei, Tunesien und Saudi-Arabien eine Koalition der „Freunde Syriens“ fordern, mit der ein Regierungswechsel in Syrien herbeigeführt werden soll und zu deren Zweck Tunesien für den 24. Februar 2012 eine entsprechende Sitzung in Tunis einberufen hat;

I. in der Erwägung, dass das Engagement von Drittstaaten wie den Vereinigten Staaten und der Türkei offenbar über die bloße Bereitstellung diplomatischer Unterstützung für die syrischen Oppositionskräfte hinausgeht und Berichte vorliegen, denen zufolge Waffen über die türkische Grenze nach Syrien geliefert werden;

J. in der Erwägung, dass manche Staaten in der Region angeblich aus religiösen Gründen Einfluss auf das Land nehmen; in der Erwägung, dass die Führung von Al-Qaida ihre Unterstützung für die Opposition erklärt hat;

K. in der Erwägung, dass die syrische Opposition – die in verschiedene Gruppen zersplittert ist –, erklärt, sie lehne jede Art von ausländischem und insbesondere militärischem Eingreifen ab;

L. in der Erwägung, dass die bedrohliche Lage in Syrien bereits negative Auswirkungen auf die Lage im Libanon hat, wo ein unmittelbares Übergreifen der Gewalt über die Grenzen befürchtet wird, und sich letztlich mit nicht absehbaren Folgen auf die gesamte Region auswirken wird;

1. verurteilt die brutale Unterdrückung der Bevölkerung in Syrien durch das dortige Regime und fordert ein unverzügliches Ende der Repressionen sowie den Rückzug der syrischen Streitkräfte und Panzer aus den Städten;

2. bekundet seine tiefe Trauer angesichts der stetig wachsenden Zahl der Todesopfer und spricht den Familien der Opfer sein Beleid aus;

3. verurteilt entschieden die Bombardierung von Wohngebieten und den Einsatz von Gewalt durch die Militär- und Sicherheitskräfte der Regierung gegenüber Demonstranten und Zivilisten; verurteilt zudem die Gewalt durch bewaffnete Gruppen; fordert das syrische Regime auf, allen Folterungen und Menschenrechtsverletzungen unverzüglich ein Ende zu bereiten, alle ohne rechtliche Grundlage inhaftierten Personen freizulassen, den Verletzten medizinische Versorgung zukommen zu lassen und die Grundfreiheiten zu achten; fordert desgleichen alle bewaffneten Gruppen auf, die Gewalt zu beenden;

4. fordert eine politische Lösung der Krise durch einen integrativen nationalen Dialog, bei dem die berechtigten Anliegen und Sorgen des syrischen Volkes wirksam aufgegriffen werden; ist der Auffassung, dass eine weitere Verschlechterung der Lage unabsehbare Folgen für die gesamte Region hätte;

5. fordert, dass das künftige Schicksal Syriens ohne Einmischung von außen oder militärischem Eingreifen allein in den Händen des syrischen Volkes liegen muss; spricht sich entschieden gegen die „Verantwortung, Schutz zu gewähren“ als Vorwand zur Rechtfertigung militärischen Eingreifens aus; lehnt Pläne für eine Teilung des Landes entschieden ab;

6. fordert ein sofortiges Ende jeglicher ausländischer Einmischung in dem Land, wozu auch ein Ende der Lieferung von Waffen und der Finanzierung bewaffneter Gruppen gehört; fordert die Vereinten Nationen und den Rat der Europäischen Union auf, ein Embargo für die Ausfuhr von Waffen nach Syrien zu verhängen; fordert die Nachbarstaaten auf, ihre Grenzübergänge zu Syrien zu kontrollieren und Waffenlieferungen nach Syrien zu verbieten;

7. fordert die Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen auf, ihre Differenzen zu überwinden und sich in Zusammenarbeit mit der Arabischen Liga auf politische Maßnahmen zu einigen, mit denen die Gewalt in Syrien beendet und die Aufnahme eines integrativen politischen Dialogs gefördert wird, damit nachhaltige politische Lösungen für die Probleme gefunden werden;

8. verurteilt, dass das Vorhandensein verschiedener religiöser Gruppen und Ausrichtungen sowie von Minderheiten dazu missbraucht wird, religiös motivierte Gewalt zu schüren und ein Eingreifen zu rechtfertigen;

9. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament der Arabischen Republik Syrien, dem Generalsekretär der Union für den Mittelmeerraum sowie der Arabischen Liga zu übermitteln.

Quelle: Website des EU-Parlaments; http://www.europarl.europa.eu

* GUE/NGL-Fraktion = Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke


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