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Syrische "Contras"

Westen warnt vor Massakern in Syrien. Aufständische von NATO-Experten ausgebildet

Von Karin Leukefeld *

Für den Anschlag auf eine französische Patrouille der UN-Schutztruppe (UNIFIL) im südlichen Libanon am vergangenen Freitag (9. Dez.) soll angeblich Syrien verantwortlich sein. Das erklärte Marwan Hamadeh, Abgeordneter der Fraktion der oppositionellen libanesischen »Allianz des 14. März«. Damaskus habe den Anschlag in Auftrag gegeben, die Hisbollah habe ihn ausgeführt, so Hamadeh. Jeder habe »das Gefühl gehabt, das etwas passieren« müsse, weil »die Syrer Frankreich beschuldigen«, ihr Land zu destabilisieren. Bei dem Anschlag in der Nähe von Tyros waren fünf französische Soldaten verletzt worden. Es war der dritte Anschlag auf UNIFIL-Soldaten im Jahr 2011.

Der libanesische Präsident Michel Sleiman kritisierte das Attentat scharf und sagte, Ziel sei offenbar, die französischen Soldaten zum Verlassen des Libanon zu zwingen und weitere Terroranschläge vorzubereiten. Libanon werde alles tun, um »Tragödien dieser Art« künftig zu verhindern und die Verantwortlichen dingfest zu machen, so Sleiman. Auch die Hisbollah forderte die Sicherheitskräfte auf, alles zu tun, um solche Anschläge zu verhindern. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte den Anschlag, der französische Außenminister Alain Juppé erklärte, man werde sich nicht einschüchtern lassen.

Gleichzeitig warnte das französische Außenministerium vor einem möglichen Massaker der syrischen Armee in Homs und machte sich damit Angaben des Nationalrates der syrischen Exilopposition (SNR) zu eigen. Die internationale Gemeinschaft müsse die syrische Zivilbevölkerung davor schützen, hieß es in Paris. Ähnliche Äußerungen kamen aus dem US- und dem britischen Außenministerium. Am heutigen Montag wird der UN-Sicherheitsrat auf Antrag Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens den Bericht der UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay über Syrien hören. Am Dienstag vergangener Wochen hatten US-Außenministerin Hillary Clinton und der SNR in Genf eine engere Koordination »insbesondere für den Schutz der syrischen Zivilbevölkerung« beschlossen. Homs gilt als Hochburg der in Syrien verbotenen Muslimbruderschaft, die die Protestbewegung in der zentralsyrischen Stadt dominiert. In Teilen von Homs kämpfen bewaffnete Aufständische gegen die Armee.

Die libanesische Zeitung Al-Binaa berichtete am Wochenende, französische und britische Militärexperten würden im Libanon Kämpfer auf den Einsatz in Syrien vorbereiten. Ein Filmteam der britischen BBC hatte kürzlich eine solche Gruppe vom Libanon bis nach Homs begleitet. In der Freitagausgabe der türkischen Zeitung Milliyet hieß es, US- und NATO-Militärexperten würden syrische Deserteure in der Türkei ausbilden. Die Zeitung zitierte eine frühere FBI-Mitarbeiterin mit der Aussage, daß die Ausbildung bereits im Mai angefangen habe. Waffen für die Aufständischen würden über den NATO-Stützpunkt Incirlik geschmuggelt.

Nach Ansicht des syrischen Oppositionellen Kadri Jamil von der »Volksfront für Veränderung und Befreiung«, findet in Syrien ähnlich wie in den 1980er Jahren in Zentralamerika ein Krieg niedriger Intensität statt. »Contras« hätten den Auftrag, das Land zu destabilisieren, sagte Jamil kürzlich im Gespräch mit der Autorin. Einige Medien seien durch ihre einseitige Berichterstattung in diese Kriegsführung einbezogen.

Der Sprecher des syrischen Außenministeriums, Jihad Makdessi, kritisierte am Freitag die irreführende Wiedergabe von Auszügen eines 45-Minuten-Interviews, das der US-Nachrichtensender ABC News mit dem syrischen Präsident Baschar Al-Assad gemacht hatte. Die Textpassagen seien in manipulativer Weise »bearbeitet« worden, um Präsident Assad zu dämonisieren, als »unverantwortlich« und »realitätsfremd« darzustellen. So hatte der Sprecher des US-Außenministeriums, Mark Toner, das Interview kommentiert. Syrien wünsche die Hilfe der arabischen und anderer Staaten, um die Krise im Land zu lösen, sagte Makdessi. Syrien sei bereit zur Kooperation, damit alle Seiten einen »würdigen Ausweg« aus der Krise finden könnten. Syrien meine es ernst mit einem »Dialog ohne Tabus«.

* Aus: junge Welt, 12. Dezember 2011


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